Vielleicht glaubten die nächtlichen Spaßvögel, die in der Nacht vom 20. zum 21. März 2015 am Connewitzer Kreuz einfach mal Toilettenpapierrollen über die dort stehende Platane und die Fahrleitung der Straßenbahn warfen, dass es wirklich nur ein Dumme-Jungen-Streich war. Einer mit Folgen: Die Platane brannte ab. Nun, ein Jahr später, bekam die kleine Verkehrsinsel neue Bewohner.

Zwei Säulen-Eichen wurden jetzt neu gepflanzt. Beide von Baumpaten gestiftet, denen der Tod der Platane 2015 natürlich zu Herzen ging. Der Leipziger Ökolöwe begann gleich Tage später zu sammeln und gewann dabei auch namhafte Spender aus der Politik. Der kleine grüne Platz, auf dem das 1994 neu geschaffene Connewitzer Kreuz steht (das Original von 1536 findet man im Stadtgeschichtlichen Museum), ist auch ein symbolischer Ort. Nicht nur für das selbstbewusste Völkchen von Connewitz, das viel bunter ist, als es sich die braven Bürger aus anderen Teilen der Stadt vorstellen können, auch für das Leipziger Baumproblem.

Und Leipzig hat ein Baumproblem – nicht erst seit Einführung des „Baum-ab-Gesetzes“ unter der CDU/FDP-Regierung, das erst die massenhafte Abholzung auf Leipziger Privatgrundstücken ermöglichte, was dann auch in diesem März wieder Anwohner und engagierte Bürger entsetzte. Wo kein Umweltschutzamt mehr kontaktiert wird, gibt es auch keine Kontrolle mehr, selbst da, wo jahrzehntealter Baumbestand der Kettensäge zum Opfer fällt.

Und dass das in einer dicht bebauten Stadt wie Leipzig überhaupt nicht lässlich ist, hat ja jüngst erst der Bericht des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zu seinen Klimamessungen in Leipzig in den Jahren 2014 und 2015 gezeigt: Gerade in windstillen Zeiten gibt es kaum noch Durchlüftung in der Stadt. Da heizt sich das Stadtgebiet an heißen Tagen regelrecht auf und ein wenig Abkühlung gibt es dann nur noch, wo möglichst viel Baumbestand für Verschattung in den Straßen sorgt. Das wusste man zwar irgendwie auch schon vorher. Aber wenn es um die Bereitstellung von Geldern ging, knauserte lange Zeit auch der Leipziger Stadtrat.

Nico Singer vom Ökolöwen bekommt hier Schipphilfe von Bürgermeister Heiko Rosenthal und der Grünen-Bundestagsabgeordneten Monika Lazar. Foto: Ralf Julke
Nico Singer vom Ökolöwen bekommt hier Schipphilfe von Bürgermeister Heiko Rosenthal und der Grünen-Bundestagsabgeordneten Monika Lazar. Foto: Ralf Julke

Erst 2015 gab es beim Thema „Pflanzung von Straßenbäumen“ eine echte Trendwende. Was auch Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal nicht unerwähnt ließ, als er am Donnerstagvormittag zur symbolischen Baumpflanzung ans Connewitzer Kreuz kam.
„Bäume machen unsere Stadt attraktiver. Sie beleben den öffentlichen Raum und verbessern vor allem die Stadtluft“, betonte er. „Deswegen wurden und werden erhebliche Anstrengungen zur Erhaltung und Erweiterung des Stadtbaumbestandes unternommen. Im vergangenen Jahr hatte der Stadtrat 285.000 Euro zur Verfügung gestellt, um die Straßen entsprechend des Luftreinhalteplanes auszustatten. Im direkten Straßenumfeld konnten durch das Amt für Stadtgrün und Gewässer, das Verkehrs- und Tiefbauamt sowie die Gärtner des Eigenbetriebes Stadtreinigung und der Bauhöfe 673 vormalige bzw. neu hergestellte Baumstandorte bepflanzt werden. Insgesamt wurden 2015 an Straßen und in öffentlichen Grünanlagen im Leipziger Stadtgebiet 1.485 Bäume gepflanzt. Ermöglicht wurden die Pflanzungen durch öffentliche Mittel, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie Spendenmittel.“

Womit dann endlich auch die schon lange im Luftreinhalteplan vorgesehene Zahl von 1.000 neu zu pflanzenden Bäumen pro Jahr erreicht – und sogar übertroffen – wurde.
2016, so Rosenthal, steht den Stadtgärtnern eine ähnliche Summe zur Verfügung. Und man hat auch schon mit dem durchaus ambitionierten Pflanzprogramm für dieses Jahr begonnen – zum Beispiel mit Lückenbepflanzungen in der Kommandant-Prendel-Allee und in der Erich-Zeigner-Allee oder mit Neupflanzungen im Ramdohrschen Park oder an neu gestalteten Grünauer Spielplätzen.

Genauso werden bis Ende April an der Chemnitzer Straße, der Kärrnerstraße, der Knautnaundorfer Straße und auch in der Riesaer Straße neue Bäume gepflanzt, dazu in den Grünanlagen östlich des Neptunweges oder auf dem Spielplatz Dingolfinger Straße in Seehausen.

Familie Raidt beim Anpflanzen der von ihr gestifteten Säuleneiche am Connewitzer Kreuz. Foto: Ralf Julke
Familie Raidt beim Anpflanzen der von ihr gestifteten Säuleneiche am Connewitzer Kreuz. Foto: Ralf Julke

Die Baumpflanzung am Connewitzer Kreuz nutzte Rosenthal natürlich, um auch symbolisch für den Beginn des Pflanzjahres zu werben. Doppelt symbolisch, weil die Baumpaten hier natürlich auch zeigen, wie man sich direkt vor Ort engagieren kann. Gerda Raidt wohnt mit ihrer Familie direkt in Nähe des Connewitzer Kreuzes und hat das Abbrennen der Platane im März 2015 selbst miterlebt. Gerda Raidt ist eine der bekanntesten Illustratorinnen aus Leipzig. Im Klett Kinderbuch Verlag hat sie zum Beispiel das Buch „Fritzi war dabei“ illustriert.

Baumpatenschaften kosten in Leipzig 250 Euro. Das decke natürlich nicht den Gesamtaufwand für Pflanzung und Pflege für einen Baum, betonte Rosenthal beim Vor-Ort-Termin. „Die Stadt packt also noch einmal ordentlich was drauf.“ Der Baum ist ja auch kein kleiner Setzling mehr, wenn er in die Stadt verpflanzt wird.

Die in der Regel bereits acht bis zehn Jahre in der Baumschule angezogenen Bäume haben zum Zeitpunkt der Pflanzung eine stattliche Größe von vier bis fünf Metern und einen Stammdurchmesser von etwa sieben Zentimetern. Ihre Pflanzung kostet abhängig von den Bedingungen des jeweiligen Standortes zwischen 900 und 1.500 Euro.

Da steckt schon einiger Aufwand dahinter – auch finanzieller Art – um wieder mehr Grün in die Stadt zu bekommen, während gedankenlose Zeitgenossen einfach Bäume abholzen oder abfackeln.

Die wesentlichen Pflanzprojekte in Leipzig im Jahr 2015:

Größere Projekte waren unter anderem die Karl-Liebknecht-Straße (68 Platanen / Linden / Eichen), Richard-Lehmann-Straße (35 Eichen / Platanen), die Kaserne Schönau (67 Kaiserlinden / Nelkenkirschen / Feldahorn), Leinestraße (25 Linden), Ostheimstraße (26 Spitzahorn), Grünau WK 8 (17 Hopfenbuchen / Eichen / Nelkenkirschen), Knautnaundorfer Straße (11 Kaiserlinden) und die Merseburger Straße (11 Eichen). Zudem gab es viele punktuelle Nachpflanzungen, etwa in der Fockestraße oder der Riedelstraße. In den Leipziger Parks und Grünanlagen wurden im vergangenen Jahr 812 Bäume in 100 verschiedenen Arten und Sorten neu gepflanzt – unter anderem am Lindenauer Hafen (218 Bäume), im Lene-Voigt-Park (111 Bäume), im Stadtteilpark Rabet (106 Bäume) und im Friedenspark (20 Bäume).

Im Rahmen der Aktion Baumstarke Stadt gingen 132.668,41 Euro Spenden für Baumpflanzungen ein. 489 Privatpersonen und Institutionen hatten eine Baumpatenschaft übernommen.

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