Eigentlich lebt Leipzig ja. Es gibt aktive Stadtbezirksräte. Es gibt Bürger, die sich kümmern und auch Ideen haben. Und manchmal wenden sie sich an die Stadt und schreiben Anträge, die darauf hinweisen, dass eigentlich ein paar Dinge überfällig sind. So wie beim Naturbad Nordost, dem „Bagger“ in Thekla, wo vor fünf Jahren ein paar Teilsanierungen erfolgten. Seitdem ruht der See. Der Verdacht in Nordost: Die Beteiligung von fünf verschiedenen Ämtern könnte schuld dran sein.

Vielleicht ist es aber einfach die finanzielle Klammheit der Stadtkasse. Darauf deutet die jetzt vom Umweltdezernat vorgelegte Stellungnahme hin. Denn die Idee, für den Baggersee einfach nur ein Amt in Verantwortung zu nehmen, findet man dort eigentlich gut. Auch Bürgerbeteiligung findet man gut. Aber nicht vor 2018.

Nur steckt der See nun irgendwie zwischen Baum und Borke, ist nichts Ganzes und nichts Halbes. Dabei könnte es eine feste Freizeitadresse sein im Nordosten. Nur so, wie das jetzt alles da steht, ist auch der Gastronomiebetrieb an der Seeterrasse gefährdet.

„Das Naturbad wurde umgewidmet in einen Landschaftssee und die Flächenzuständigkeit auf verschiedene Ämter verteilt. Nachdem seit ca. 5 Jahren am Naturbad Teil-Sanierungen erfolgten und der Bau eines Kinderspielplatzes in unmittelbarer Nähe vorgenommen wurde, erfreut sich das Gelände einer immer stärkeren Nutzung durch Spaziergänger, Radtouristen auf dem Mulde-Parthe-Radweg und Wassernutzer“, hatte der Stadtbezirksbeirat festgestellt und dann aufgelistet, was eigentlich alles noch nicht getan und gesichert ist:

So müssen noch Teile der Uferböschung gesichert werden, einige Wege sind durch Wurzelunebenheiten eine Unfallgefahr (insbesondere für ältere und mobilitätseingeschränkte Menschen – großes Thema: Barrierefreiheit), öffentliche Toiletten fehlen, ein öffentlicher Grillplatz wird gebraucht (man glaubt gar nicht, wo Zeitgenossen heutzutage alles ihren Grill aufstellen, um irgendwie im „Grünen“ brutzeln zu können), und auch einige Freizeitangebote unter Einbindung von Schulsport-Bedarfen fehlen am See. Auch die Sauberkeit auf dem Gelände lässt zu wünschen übrig, und damit der See als Ausflugsziel funktioniert, sollte unbedingt die gastronomische Versorgung abgesichert werden, „mindestens im bisherigen Umfang, d. h. keine Schließung der ‚Seeterrasse‘, ohne dass eine weitere Betreibung gesichert ist.“

Und damit dies in der Bevölkerung alles verankert ist, sollte es unbedingt ein Entwicklungskonzept geben, an dessen Entwicklung die Bürger beteiligt werden.

Das findet das Umweltdezernat alles ganz prima – nur etwas zu eilig.

Denn gerade scheint ein anderes Projekt in Nordost alle Kräfte zu binden: „Im Stadtgebiet Nordost besteht Handlungsbedarf sowohl für die Aufwertung des Mariannenparks als auch für die Entwicklung des Naturbades Nordost (‚Bagger‘). Aus fachlicher Sicht ist eine Priorisierung aufgrund der begrenzten Ressourcen erforderlich. Beide Konzeptionen können nicht gleichzeitig erarbeitet werden. Zunächst soll daher aufgrund der kulturhistorischen Bedeutung der Mariannenpark bearbeitet werden. Die Erstellung der Entwicklungskonzeption für das Naturbad Nordost soll deshalb im Jahr 2018 erfolgen.“

Mit einem Zukunftskonzept für den See sollen noch ein paar mehr als die aufgezählten Belange abgesichert werden: „Das Konzept soll die Chancen und Spielräume für eine langfristige Entwicklungsperspektive des Gebietes aufzeigen. Dabei sind insbesondere erholungsrelevante, naturschutzfachliche, wasserbauliche und wirtschaftliche Belange im engen Zusammenhang zu betrachten.“

Aber eigentlich hat man gar keine Zeit, bis 2018 zu warten. Denn bei der „Seeterrasse“ besteht schon jetzt dringender Handlungsbedarf, stellt das Dezernat fest: „Ein wesentlicher Aspekt für die Entwicklung des Erholungsgebietes ist auch die Betrachtung des Gastronomiekonzeptes, da das Areal mit der Gaststätte am Bagger und der Finnlandsauna zwei gewerbliche, teilweise oder komplett gastronomische Anbieter aufweist. – Mit der Gaststätte am Bagger unterhält die Stadtverwaltung einen Mietvertrag. Dieser läuft zum 31.10.2017 aus. Hintergrund der Kündigung ist insbesondere der hohe Verschleißgrad der Medienanbindung und -erschließung zum Gebäude und innerhalb des Gebäudes (Trinkwasser und Schmutzwasser). Hier ist eine grundlegende komplexe Sanierung notwendig, um eine dauerhafte gastronomische Lösung vor Ort erhalten zu können.“

Einen Vorschlag, das Dilemma zu lösen, macht das Dezernat aber nicht. Was sicher die Aktiven in Nordost jetzt erst einmal verwirren wird. Denn wie soll Trubel am See sein, wenn die Gastronomie aus Verschleißgründen schließen muss und die Bürgerbeteiligung erst danach beginnen soll?

Hat die Stadt tatsächlich so wenig Personal, dass sie 2017 keine Bürgerbeteiligung organisiert bekommt? Oder hängt auch das eigentlich nur am Geld? Denn Bürgerbeteiligung ist das eine – wenn dann aber geplant und gebaut werden soll, kostet es logischerweise Geld. Und zwar nicht wenig.

Zumindest unterstützt das Umweltdezernat den Beschluss jetzt so: „Die Verwaltung wird beauftragt, für das Naturbad Nordost unter frühzeitiger Bürgerbeteiligung ein Entwicklungskonzept für die Zukunft zu erstellen.“ Und Vorplanungsmittel in Höhe von 35.000 Euro zur Beauftragung des Entwicklungskonzeptes sollen dann im Jahr 2018 im Rahmen der Haushaltsplanung  zusätzlich eingestellt werden. So dass 2018 mit der Vorplanung begonnen werden könnte. Ob dann ab 2019 Geld zum Bauen da ist, steht auf einem anderen Blatt.

Der Antrag des Stadtbezirksbeirats Nordost.

Der Standpunkt des Umweltdezernats.

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