Leipzig ist eine Stadt, in der die Geschwindigkeiten nicht mehr zueinander passen. Die Stadt verändert sich viel schneller, als es der mühsame Weg der Verwaltung nachvollziehen kann. Die Konflikte ballen sich, die Stadtbezirksbeiräte werden zunehmend unruhig. Und manche Reaktion der Verwaltung liest sich dann wie ein: „Jetzt aber mal langsam. Das geht uns zu schnell.“

Die bundesweite Unterfinanzierung der Kommunen macht sich vor allem darin bemerkbar, dass dringend notwendige Investitionen immer länger gestreckt werden. Der Sanierungsstau wird immer größer. Im Stadtraum wird es immer enger und ungemütlicher – und natürlich auch immer gefährlicher. Und wenn dann die Bürger vor Ort alarmiert Briefe, Petitionen und Anträge schreiben, stoßen sie zuallererst auf eine Verwaltung, die sich schon seit Jahren daran gewöhnt hat, dass es eigentlich für nichts frei verfügbare Budgets gibt und nicht erst geprüft wird, ob eine Sache Sinn macht, sondern ob sie irgendwann mal im Haushalt darstellbar ist.

Genau so reagiert jetzt auch das Planungsdezernat wieder auf den Antrag von vier Stadträten, die ein Anliegen aus dem Stadtbezirksbeirat Leipzig-Altwest aufgegriffen haben, den Lindenauer Markt mit ein paar sinnvollen Änderungen für schwächere Verkehrsteilnehmer sicherer zu machen. Der Stadtbezirksbeirat hatte sich ursprünglich vor allem Stopper direkt vorm Theater der Jungen Welt gewünscht, wo Schulklassen von der Haltestelle kommend die Straße zum Theater queren. Aber genau hier kommen oft genug Kraftfahrzeuge mit hohem Tempo aus der Demmeringstraße geschossen und es entstehen immer wieder brandgefährliche Situationen.

Das Thema hat die Verwaltung schon im vergangenen Jahr abzudämpfen versucht. Man versuchte es vorsichtig mit etwas Bürgerbeteiligung. Es fand im März dann auch ein moderierter Workshop statt, der gleich ein halbes Dutzend Vorschläge erarbeitete, wie die Verkehrssituation am Lindenauer Markt ohne großen finanziellen Aufwand übersichtlicher und sicherer gestaltet werden könnte.

Genau diese Vorschlagsliste griffen dann die Stadträte Christian Schulze (SPD), Naomi-Pia Witte (Linke), Daniel von der Heide (Grüne) und Michael Weickert (CDU) auf und machten einen Antrag für die Ratsversammlung draus. Denn wenn man schon so sinnfällige Ergebnisse hat, dann kann man sie doch auch zeitnah umsetzen, oder?

„Der Oberbürgermeister wird beauftragt, zur Umsetzung des integrierten Verkehrskonzeptes Leipzig-Altlindenau den im Gutachten vorgeschlagenen Maßnahmeplan zeitlich, personell und finanziell bis zum 30.09.2016 so zu untersetzen, dass zeitnah signifikante Verbesserungen für Fußgänger und Radfahrer, insbesondere auf der Nordseite des Lindenauer Marktes, erreicht werden. Geeignete Lösungen sollen unter Beteiligung von ASW und VTA bei einem Bürger-Workshop diskutiert und eine klare Umsetzungsperspektive gegeben werden.“

Aber das ging der Verwaltung jetzt doch zu schnell. Sie reagiert mit einem Gegenvorschlag, die Sache doch lieber noch einmal in den Herbst zu verschieben und vorher noch mal einen Bürger-Workshop zu veranstalten.

„Zur Umsetzung des integrierten Verkehrskonzeptes Leipzig-Altlindenau werden die im Gutachten vorgeschlagenen Maßnahmen bei einem Bürgerworkshop diskutiert und dem Stadtrat bis zum 30.09.2016 ein Vorschlag zur Umsetzung vorgelegt.“

Denn das Ärgerliche ist ja eigentlich – und das weiß man sehr gut: Die Probleme am Lindenauer Markt sind weder neu noch unbekannt. Man hätte sie eigentlich schon seit Jahren stückweise anpacken können, hat aber doch lieber die große Lösung, eine gesamte Verkehrsraum-Neubetrachtung rund um den Lindenauer Markt bevorzugt. So ein Projekt aber braucht seine Zeit. Da blieben die kleinen Lösungen immer liegen.

Oder im Text des Verwaltungsstandpunktes: „Hinsichtlich der Situation am Lindenauer Markt sind die seit Jahren seitens der Bürgerschaft formulierten Defizite Auslöser für eine konzeptionelle Befassung mit Optimierungsmöglichkeiten gewesen.“

Ämter wägen gern ab. Da wird so ein lokales Projekt gleich riesengroß. Und logischerweise als Hauruck-Aktion nicht zu stemmen. Aber was nun?

„Die notwendigen finanziellen Mittel für eine baulich-gestalterische Verbesserung sind im Rahmen der Fördermittelplanung (Städtebauförderung, Programm Stadtumbau Ost) im Haushalt in gewissem Umfang unterlegt. Gleichwohl sind mögliche Maßnahmen, sowohl was die Planungskapazitäten als auch was die folgenden Investitionen angeht, vor dem Hintergrund der gesamtstädtischen Bedarfe abzuwägen“, betont das Abwägungs-, pardon: Planungsdezernat. „Das Ergebnis dieser Abwägung ist u. a. abhängig vom Kosten-Nutzen-Verhältnis, welches erst nach weiterer Präzisierung der Erfordernisse bestimmt werden kann. Dazu dient sowohl das angesprochene Gutachten als auch der im Juni bereits fest geplante Workshop.“

Da soll man als Bürger nicht hibbelig werden.

Aber zumindest einen Termin, wann sie konkrete Maßnahmen zur Umsetzung vorlegen will, hat die Verwaltung jetzt genannt: „Die Verwaltung wird folgend bis zum 30.09.2016 einen Vorschlag zur Umsetzung von Maßnahmen vorlegen.“

Der Antrag der Stadträte Schulze, Witte, von der Heide und Weickert.

Der Vorschlag des Planungsdezernats

In eigener Sache

Jetzt bis 9. Juni (23:59 Uhr) für 49,50 Euro im Jahr die L-IZ.de & die LEIPZIGER ZEITUNG zusammen abonnieren, Prämien, wie zB. T-Shirts von den „Hooligans Gegen Satzbau“, Schwarwels neues Karikaturenbuch & den Film „Leipzig von oben“ oder den Krimi „Trauma“ aus dem fhl Verlag abstauben. Einige Argumente, um Unterstützer von lokalem Journalismus zu werden, gibt es hier.

Überzeugt? Dann hier lang zu einem Abo …

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar