Eigentlich hätte es die Schaubühne im Leipziger Westen nie geben dürfen. Als sich hier ein paar Enthusiasten 1994 einquartierten und begannen, engagierte Musik-, Film- und Theatervorstellungen zu bieten, hatte die Stadt diesen Teil der Stadt kulturell gar nicht auf dem Plan. Hier war Niemandsland, kulturelle Wüste. Wer hier von neuem Leben träumte, widersprach allen Prognosen.

Deswegen war die Bespielung des 100 Jahre alten Ballhauses über Jahre auch ein Gegenangebot, ein Kontrapunkt in einer Stadtkulturpolitik, die sich auf die überkommenen, innerstädtischen Strukturen konzentrierte.

Das änderte sich erst ab dem Jahr 2000, als die Stadtverwaltung die alten Industriestandorte Plagwitz und Lindenau als neues, attraktives Entwicklungsgebiet entdeckte und zum Teil der Leipziger EXPO-Darstellung machte. Die „Schaubühne“ gehörte zwar nicht dazu, aber sie behauptete sich auch ohne üppige Fördergelder aus dem Rathaus, legte einige zu erwartende Krisen hin und machte sich dann, als sich abzeichnete, dass das Haus viele Unterstützer gewonnen hatte, zur gemeinnützigen Aktiengesellschaft.

Mit Gründung der gemeinnützigen Aktiengesellschaft zum Erwerb der Immobilie und als Träger des Produktionshauses startete die Schaubühne Lindenfels 2005 dieses Experiment mit kulturpolitischer, gesellschaftlicher und ökonomischer Relevanz. Inzwischen gehört das erste deutsche Aktientheater rund 1.200 Aktionären – eine Publikumsgesellschaft im mehrfachen Sinn.

Das ist es bis heute. Und die Aktienkäufer bleiben treu. Regelmäßig gibt es neue, von Leipziger Künstlern gestaltete Anteilsscheine. Und mittlerweile hat auch die Stadt Leipzig akzeptiert, dass sie gut daran tut, das prominente Haus an der längst wieder lebendigen Karl-Heine-Straße auch zu unterstützen. Und zwar vor allem bei der baulichen Instandhaltung des Hauses.

Dazu gab es – immer für klar definierte Sanierungsschritte – immer wieder Fördergelder bewilligt. Nicht unbedingt konsequent in aufeinander folgenden Jahren. Auch die Schaubühne fiel immer wieder aus den Vergaberunden, wenn andere Projekte im Stadtgebiet drängender waren.

Das neue Verbindungsteil der Galerien im großen Saal. Foto: Schaubühne, Thilo Mißler
Das neue Verbindungsteil der Galerien im großen Saal. Foto: Schaubühne, Thilo Mißler

Aber 2015 gab es wieder mal Geld: Nach Jahren des Sanierungsstaus ist es der Schaubühne durch die Sicherung eines Förderpakets unter Beteiligung der EU, des Freistaates Sachsen und der Stadt Leipzig gelungen, 2015 und 2016 eine Summe von 422.000 Euro in den Substanzerhalt des historischen Ballhauses zu investieren, in die Erneuerung von Gebäudeteilen sowie in eine Verbesserung der energetischen Bilanz, der Arbeitsbedingungen und des Veranstaltungsbetriebs. 360.000 Euro davon stammen aus Fördergeldern der EU, des Freistaates Sachsen und der Stadt Leipzig. Die restlichen 62.000 Euro bilden den notwendigen Eigenmittelanteil, zu dem auch Aktienverkäufe einen wesentlichen Beitrag geleistet haben.

Und diese Aktieninhaber, die so hilfreich sind, die teuren Sanierungen im Haus zu ermöglichen, werden dann auch jedes Jahr eingeladen, um die Baufortschritte vor Ort zu begutachten. In der 11. außerordentlichen Jahreshauptversammlung am 17. August informierte jetzt die gemeinnützige Schaubühne Lindenfels Aktiengesellschaft über die aktuellen Baumaßnahmen im Haus: über die Installation einer Photovoltaik-Anlage, die Erneuerung des Parketts und die Wiederherstellung der Verbindungsgalerie im historischen Ballsaal.

In mehreren Etappen konnte schon 2015 ein Großteil der erforderlichen Maßnahmen umgesetzt werden: so die Trockenlegung des Kellers, die Umgestaltung von Foyer und Gastronomiebereich, der Einbau einer sanitären Anlage in der Künstlergarderobe sowie die Sicherung und Restaurierung der Dachaufbauten.

„Schaubühne goes grün“ lautet nun im Jahr 2016 die Devise, nachdem im Juli eine umweltfreundliche Photovoltaik-Anlage auf dem Dach installiert und an das Stromnetz angeschlossen werden konnte. Durch eine maximale Leistung von 19 kWh ist die Schaubühne ab sofort in der Lage, nahezu den gesamten Strombedarf des Hauses selbst zu decken und bei Überschüssen zusätzlich Strom ins städtische Netz einzuspeisen.

So werden Kulturmacher zu Stromproduzenten.

Momentan steht im Ballsaal der Schaubühne die Verlegung eines notwendig gewordenen neuen Parketts auf dem Plan. Davon konnten sich Aufsichtsrat, Vorstand und Aktionäre auf ihrer exklusiven Baustellenbesichtigung ebenso überzeugen, wie den frisch errichteten, noch nicht komplett fertiggestellten Verbindungsteil zwischen den beiden Seitengalerien in Augenschein nehmen. Auch wenn dieser schon (general-)probeweise betreten werden durfte, kommt die nach historischem Vorbild neu geschaffene umlaufende Galerie offiziell erstmals im Oktober zum Einsatz – als Kulisse der nächsten Produktion des Schau-Ensembles „Landschaft mit Königstöchtern“, die am 6. Oktober Premiere feiert. Bereits im September kann sich die Öffentlichkeit während eines Gastspiels des Leipziger Tanztheaters von den Veränderungen im Ballsaal ein Bild machen.

Zu den regulären Tagesordnungspunkten auf der Hauptversammlung gehörten dann noch die Vorstellung von Bilanz und Lagebericht für das Geschäftsjahr 2015, die Entlastung des Vorstandes (René Reinhardt) und des Aufsichtsrates (Renate Müller, Anka Liebe, Eva Theis) und die Wiederwahl des Letzteren. Alle drei Mitglieder konnten in ihrem Amt für weitere drei Jahre bestätigt werden.

In eigener Sache – Eine L-IZ.de für alle: Wir suchen „Freikäufer“

Eine L-IZ.de für alle: Wir suchen „Freikäufer“

 

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar