Es war die SPD-Fraktion, die sich mit ihrer Haltung zum alten Stasi-Kinosaal im Gebäudekomplex Runde Ecke/Schulmuseum so richtig in die Nesseln gesetzt hatte. Völlig grundlos, weil selbst der OBM im Sommer auf Verhandlungskurs geschwenkt war. Die Pressekonferenz zum „Lichtfest 2016“ am Donnerstag, 1. September, nutzte Burkhard Jung dann gleich mal, den Kompromiss zu verkünden.

Aber am Mittwoch hatte die LVZ noch ein bisschen im heißen Brei gerührt und in diesem Fall Vorschläge des ehemaligen Grünen-Landtagsabgeordneten Michael Weichert gebracht, die zur Schlichtung des Konflikts zwischen Leipziger Schulmuseum und Bürgerkomitee betreffend der Nutzung der „Runden Ecke“ beitragen sollen. Dabei waren die Verhandlungen zwischen Stadt, Bürgerkomitee und Schulmuseum längst im Gang.

Und selbst der SPD-Stadtverband teilte nicht die öffentlich ausgetragene Kontroverse.

„Keiner in Leipzig hat vor, das Schulmuseum gegen den Gedenkort Runde Ecke auszuspielen. Es ist nun einmal vertraglich vereinbart und auch nicht neu, dass Bürgerkomitee und Schulmuseum die Räumlichkeiten, insbesondere den großen Kino-Saal, gemeinsam nutzen“, stellte schon am Mittwoch Hassan Soilihi Mzé, Vorsitzender der SPD Leipzig, fest. „Inzwischen haben wir in der öffentlichen Debatte um die Runde Ecke aber einen Punkt erreicht, wo leichtfertig davon gesprochen wird, dass das Erbe der Friedlichen Revolution in Leipzig beerdigt würde, nur weil einer der Partner – hier das Schulmuseum – auf seine vertraglich zugesicherten Rechte besteht. Das ist nicht nur bedauerlich und zum Schaden aller Beteiligten, sondern auch grundfalsch, wenn wir den Rechtsstaat ernst nehmen.“

Den Vorschlag Michael Weicherts, das Schulmuseum aus dem ehemaligen Stasi-Komplex herauszulösen, fand er „eine prüfenswerte Option. Es in die Spinnerei hinauszuverlegen taugt jedoch wenig. Das Schulmuseum kann – ebenso wie die Runde Ecke – nur dann sinnvoll als Demokratie- und Bildungsort wachsen, wenn es in der Innenstadt verankert bleibt. Wachsen müssen beide Einrichtungen! Jetzt liegt der Ball bei Leipzigs Kulturdezernentin Jennicke, zügig Standortalternativen vorzuschlagen.“

Denn angefangen hat der ganze Streit ja mit dem Wunsch der Stadt, den ganzen Gebäudekomplex an der Runden Ecke zu einem Gedenkort für gelebte Demokratie in seiner Gesamtheit weiterzuentwickeln. Erst damit kamen ja die Konzeptfragen für beide Museen auf. Und die Frage nach der Nutzung des Kinosaals. 2003 hatten beide Einrichtungen eine gemeinsame Nutzung des einstigen Stasi-Kinosaals vereinbart. Das war so lange kein Problem, bis das Schulmuseum aufgrund seiner wachsenden Angebote auch mehr Nutzungen im Kinosaal anmeldete. Nur spielte da augenscheinlich jemand über Bande, animierte die Verwaltung zum Eingreifen und schuf eine Situation, in der auf einmal der schnelle Abbau der Ausstellung zur Friedlichen Revolution im Raum stand.

Mit der Einigung, die Burkhard Jung am Donnerstag unterschrieb, ist das jetzt vom Tisch. Bis zum 9. Oktober bleibt die Ausstellung auf jeden Fall stehen. Jung: „Wir sind uns darin einig, dass der Kinosaal als authentischer Ort der Friedlichen Revolution erhalten bleibt.“

Nur als Ort einer Dauerausstellung kommt er nicht in Frage. „Wir sind darum bemüht, kurzfristig eine Lösung für die Präsentation der Ausstellung zum Thema Friedliche Revolution zu finden“, sagte Tobias Hollitzer vom Bürgerkomitee Leipzig, dem Träger des Museums in der Runden Ecke, am Donnerstag.

Im Grunde läuft der neue Vertrag auf eine ähnlich kooperative Einigung wie schon der Vertrag von 2003 hinaus. Nur dass jetzt deutlicher geregelt werden muss, welche Einrichtung den Saal zu welcher Gelegenheit nutzen darf. Ohne Saal-Management geht es nicht. Die SPD-Fraktion hat dann am Donnerstag auch die beiden Anträge zurückgezogen, die sich mit der Wanderausstellung „Was glaubst Du denn? – Muslime in Deutschland“ sowie mit  der Weiterentwicklung des Schulmuseum und der „Runden Ecke“ befassen.

„Wir begrüßen den heute gefundenen Kompromiss mit dem sich alle Beteiligten aufeinander zubewegt haben und Lösungen zum würdigen Erinnern an die Friedliche Revolution aufgezeigt werden“, erklärt dazu der neu gewählte SPD-Fraktionschef Christopher Zenker. „Unsere Anliegen bei den Anträgen waren zum einen, die paritätische Nutzung des Kinosaals wieder sicherzustellen, denn seit 2009 war die im Kooperationsvertrag zwischen dem Schulmuseum und dem Bürgerkomitee vereinbarte gemeinsame Nutzung de facto außer Kraft gesetzt. Die Geschichte des Herbstes 1989 ist untrennbar mit der Geschichte der Stadt Leipzig verbunden, gerade deshalb und auch aus den Erfahrungen der deutschen Geschichte sowie der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung benötigen wir einen Diskurs um unsere parlamentarische Demokratie. Die Runde Ecke und das Schulmuseum spielen dabei eine herausragende Rolle. Die durch die Anträge angestoßene Diskussion macht deutlich, dass beide Museen Entwicklungsmöglichkeiten brauchen, wir erwarten daher Vorschläge wie beiden Museen diese Entwicklungsmöglichkeiten gegeben werden können. Wermutstropfen ist natürlich, dass die vom Schulmuseum geplante Wanderausstellung leider nicht so gezeigt werden kann, wie es geplant wurde. Sicher wird sich aber auch hier eine Lösung finden.“

Ein Antrag, einen anderen Ausstellungsort für die Ausstellung zu suchen, befindet sich schon im Verfahren. Stadt und „Runde Ecke“ wollen heute noch einmal öffentlich Stellung nehmen zum gefundenen Kompromiss.

Die Meldung der Stadt vom 2. September, 12 Uhr:

Einigung ĂĽber kĂĽnftige Nutzung des ehemaligen Stasi-Kinosaals erzielt

Die Stadt Leipzig und das Bürgerkomitee Leipzig e.V. als Träger der Geedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ haben sich über die künftige Nutzung des Kinosaals der ehemaligen DDR-Staatssicherheit auf dem Grundstück Goerdelerring 20 verständigt.

Im Kern sieht die Übereinkunft vor, dass die zurzeit dort gezeigte Sonderausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ weiter im Kinosaal gezeigt wird, bis das bisherige Stadtbüro (Katharinenstraße 2) frei wird. Dort wird dann ein kleiner Teil der Exposition gezeigt und die bisherige Ausstellung im Kinosaal wird abgebaut. Gleichzeitig vereinbaren Stadt und Bürgerkomitee, bis 31. März 2019 eine dauerhafte Lösung für die Präsentation der Ausstellung „Leipzig auf dem Weg zur Friedlichen Revolution“ zu finden. Sollte keine Lösung gefunden werden, werden sich beide Seiten über die erneute Nutzung des Kinosaals als Ausstellungsfläche verständigen. Die für Oktober/November 2016 geplante Wanderausstellung „Was glaubst Du denn!? Muslime in Deutschland“ wird an einem anderen Ort oder zu einer anderen Zeit gezeigt.

Grundsätzlich stimmen Stadt und Bürgerkomitee überein, dass der denkmalgeschützte Saalbau ein wichtiger Ort der Erinnerungskultur ist und perspektivisch in der Weiterentwicklung authentisch zur Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ gehört.

Die durch die Einigung gewonnene Zeit soll genutzt werden, um an Konzepten fĂĽr die Weiterentwicklung des Gedenk- und Erinnerungsortes zu arbeiten.

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