Da hatte der Leipziger Landtagsabgeordnete Wolfram Günther (Grüne) sichtlich Recht, als er eine Frontalkritik an der sächsischen Denkmalschutzpolitik startete. Schon in den letzten Jahren haben die Denkmalschutzfördermittel nicht ausgereicht. Künftig drohen sie gänzlich zu versiegen. Was das bedeutet, erfährt Leipzig gerade am Beispiel des ehemaligen „Kinos der Jugend“ in der Eisenbahnstraße.

2015 hatte die Grünen-Fraktion die Notsicherung des ehemaligen Kinos beantragt. „Die Liegenschaft ‚Kino der Jugend‘ befindet sich in städtischem Eigentum und steht unter Denkmalschutz. Es ist seit 1987 ungenutzt und befindet sich in einem sehr schlechten baulichen Zustand, insbesondere weist die Dacheindeckung große Schäden auf. Der Zahn der Zeit hat an der Gebäudesubstanz in solcher Weise genagt, das alles Engagement, den Kulturraum wiedererstehen zu lassen, zerstiebt, wenn nicht das Dach noch in diesem Winter gesichert wird.“

Die IG FORTUNA hatte 2015 die Bürgerschaft mobilisiert, für den Erhalt des denkmalgeschützten Gebäudes zu kämpfen, das bis 1987 ein beliebtes Stadtteilkino war. Seitdem stand das Gebäude leer und war zunehmend dem Verfall ausgesetzt.

Der Stadtrat machte sich den Grünen-Antrag zu eigen. Die Stadt ging wirklich so weit, in Dresden einen Fördermittelantrag zu stellen, um das Gebäude wieder zu sanieren. Aber die Denkmalmittel reichen nicht, das Land lehnte ab. Eine wichtige Chance droht den Bach runterzugehen. Doch auch die Verwaltung ist noch nicht bereit, das Gebäude, das im kulturellen Leben der Eisenbahnstraße und speziell im Bülowviertel noch eine Rolle spielen könnte, zum Abriss freizugeben, auch wenn die Substanz sichtlich verfällt.

Jetzt hat das Dezernat Wirtschaft und Arbeit dem Stadtrat seinen Vorschlag vorgelegt, wie mit dem Gebäude im ersten Schritt verfahren werden könnte.

„Die Finanzierung der Dachinstandsetzung sollte ursprünglich über entsprechend beantragte Fördermittel des Denkmalschutzes (die Förderquote hätte bis zu 50 % der Gesamtmaßnahme betragen können) sowie aus Haushaltsmitteln der AG Verwahrloste Immobilien sichergestellt werden. Das Landesamt für Denkmalpflege teilte nunmehr im Juli 2016 mit, dass bei der Gewährung der Denkmalschutzfördermittel das Vorhaben ‚Kino der Jugend‘ keine Berücksichtigung fand.“

Der Fördertopf für Sachsen ist schlichtweg überzeichnet. Auch beim Denkmalschutz spart der Freistaat.

„Das bürgerschaftliche Engagement, welches dem Verwaltungshandeln vorausging, zielte zwar im ersten Schritt auf die Sicherung, speziell auf die Dachsicherung, des Gebäudes ab, meint aber die Rettung und Wiederbelebung des Gesamtgebäudes“, stellt das Wirtschaftsdezernat fest. „Die Gründungsmitglieder des Vereins IG FORTUNA – Kino der Jugend möchten sich genau dieser Aufgabe widmen.“

Aber die Herausforderung ist groß. Die Stellungnahme zitiert auch ein Kurzgutachten vom Amt für Geoinformation und Bodenordnung, in dem es heißt: „Das Gebäude ist also so marode, dass ihm kein Wert mehr beigemessen werden kann.“

Aber was keinen Markt-Wert mehr hat, muss ja noch lange nicht für Bürger und Stadtteil wertlos sein. Gerade Stadtteile brauchen solche kulturellen Ankerpunkte. Die Frage ist eher: Wie bewahrt man sie und wie kann man das finanzieren?

Im ersten Schritt kann nur eine notdürftige Substanzsicherung stehen, stellt das Wirtschaftsdezernat fest: „Im Rahmen  der Gebäudesicherung werden nach erneuter Prüfung des Bauzustandes u. a. folgende Sofortmaßnahmen erforderlich:

– Absturzsicherung der eingestürzten Bereiche im Fußboden des Erdgeschosses
– Sicherung der eingestürzten Kellerdecke
– Herstellung einer gefahrlosen Begehbarkeit des Gebäudes
– Bergung loser Dachsteine und defekter Bauteile des Dachstuhles und des Deckentragwerkes
– Aufbringen einer temporären wetterfesten Folie zur Minderung des weiteren Verfalls
– Herstellung einer notdürftigen Dachentwässerung
– Rückbau der einsturzgefährdeten Unterhangdecke
– Schuttberäumung und Entsorgung

Die Maßnahmen zur Gebäudesicherung werden bis zu einem Maximalwert von 70.000,00 € netto (83.300,00 € brutto) durchgeführt. Zur Finanzierung sind die bereits vorgesehenen Mittel der Arbeitsgruppe ‚Verwahrloste Immobilien‘ einzusetzen.“

Genau das schlägt das Dezernat jetzt als Alternativvariante vor. Was noch nicht die Frage klärt, wer künftig die Verantwortung übernimmt. Die Stadt selbst – so die Stellungnahme – kann mit dem Gebäude nichts anfangen.

„Da die Finanzierung sich notwendigerweise anschließender Sanierungsmaßnahmen nicht gesichert ist und da die Verwaltung selbst keine Verwendung für das Objekt  hat, wird nach Durchführung der Sicherungsmaßnahmen eine Veräußerung des Objektes im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung mit Konzept angestrebt. Dazu sind unter Einbeziehung der betroffenen Fachämter der Dezernate IV und VI die Zielstellungen zu erarbeiten und dem zu bildenden Beteiligungsgremium gemäß Ratsbeschluss A-00058/14 vorzulegen. – Eine Ausschreibung zur Bestellung eines Erbbaurechts wird im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung mit Konzept ebenfalls geprüft. Hierbei ist das Risiko eines späteren Notleidens für die Stadt Leipzig abzuwägen. – Sollte im Ergebnis der Ausschreibung eine Kultureinrichtung entstehen, kann der neue Eigentümer/Nutzer fachlich begleitet werden. Im Rahmen des neu beantragten ‚Soziale-Stadt-Gebietes‘ im Leipziger Osten wird seitens der Verwaltung geprüft, ob Fördermittel für die Modernisierung und Instandsetzung des Gebäudes als Magistralenzentrum für kulturelle, soziale und/oder gemeinwesenorientierte Angebote eingesetzt werden können.“

Wenn die IG Fortuna diese Herausforderung annimmt, könnte das ein Weg sein, das alte Gemäuer wieder für künftige Nutzungen bespielbar zu machen.

Stellungnahme des Wirtschaftsdezernats zum ehemaligen „Kino der Jugend“.

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