Montagmorgen, 28. November. Diesmal ohne Bandanschnitt, dafür mit großem Lebkuchenherz mit Zuckerschrift „Verkehrsfreigabe Georg-Schumann-Straße 28. November 2016“ am ersten richtig frostigen Tag des Jahres. Denn der Verkehr rollt längst wieder in jenem Abschnitt zwischen dem S-Bahnhof Möckern und dem Huygensplatz. Als wäre nie etwas gewesen. Nicht mal zehn Monate Baustelle. Und auch kein Streit.

Denn 2015 wurde heftig gestritten im Leipziger Stadtrat. Nicht nur die CDU-Fraktion befürchtete ein gewaltsames Ausbremsen des Autoverkehrs auf der Georg-Schumann-Straße, wenn die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) hier eine neue, barrierefreie Haltestelle bauen. Auch aus der SPD-Fraktion kam erstaunlicher Widerstand. Sehr spät übrigens. Denn auch dieser Straßenabschnitt war zuvor in den Gremien und mit den Bürgern vor Ort intensiv diskutiert worden. Und seit Jahren ist der Umbau der Haltestelle überfällig. Eigentlich auch das ein CDU-Thema. Immer noch sind viel zu viele Haltestellen im LVB-Netz nicht barrierefrei.

Es ging auch nicht mal mehr um die Frage, in welcher Form diese Haltestelle umgebaut werden sollte, denn im Lauf der letzten Jahre hat sich gerade diese Haltestellenform, die Straßenbahn und Kfz-Verkehr in der Mitte bündelt, als sicherste Variante herausgestellt. Gerade weil Kraftfahrer gezwungen sind, sich hinter der eingefahrenen Straßenbahn einzureihen, ist hier das rücksichtslose Vorbeifahren an der Bahn, wenn noch Fahrgäste ein- und aussteigen, nicht mehr möglich. Seit Sonntag, 27. November, kann auch der Kfz-Verkehr wieder über das 370 Meter lange Teilstück der Georg-Schumann-Straße fahren. Und wer sich hinstellt, ist verblüfft: Es entstehen keine Staus. Das Bild ähnelt fast dem Zustand vor dem Umbau der Haltestelle. Auch da mussten die Autokolonnen halten, wenn die Straßenbahn hielt, schaltete die (damals provisorische) Fußgängerampel auf „Rot“.

Michael Jana, Leiter des VTA, hält das große Eröffnung-Herz für die Straße in der Hand. Foto: Ralf Julke
Michael Jana, Leiter des VTA, hält das große Eröffnung-Herz für die Straße in der Hand. Foto: Ralf Julke

Dafür sind jetzt nicht nur Fußwege, Doppelgleise und Fahrbahnen neu, sondern auch die Radwege, die die Haltestellenbereiche überqueren.

Ein echtes Leipziger Produkt übrigens, woran Ronald Juhrs, Technischer Geschäftsführer der LVB,  am Montagmorgen, 28. November, erinnerte. Denn diese für Radfahrer nutzbaren Überfahrten direkt vor den Wartehäuschen haben die LVB vor Jahren erstmals an der Könneritzstraße ausprobiert. Damals noch mit Bauchschmerzen, ob das gutgeht und Wartende und Radfahrer sich nicht ins Gehege kommen. Aber es geht gut.

Und selbst das Bauen bei rollendem Betrieb hat geklappt. Der Kfz-Verkehr musste zwar in den zehn Baumonaten seit März einige abenteuerliche Umleitungen nehmen, aber die Straßenbahnen und Busse der LVB fuhren die ganze Zeit, meist einspurig. „Wir konnten also den ÖPNV an der Stelle die ganze Zeit aufrechterhalten“, sagte Juhrs.

Auf die heftigen Diskussionen im Stadtrat ging Michael Jana, Leiter des Verkehrs- und Tiefbauamtes, ein. Immerhin drohte ja bei den heftigen Diskussionen im Stadtrat ein im Grunde auf Jahrzehnte angelegtes Umbauprogramm für die 4,5 Kilometer lange Magistrale Georg-Schumann-Straße ins Stocken zu geraten. Woran die Stadt nicht ganz unschuldig ist. Da mangelte es schlicht an Kommunikation. Während in den 1990er Jahren noch öffentlich und intensiv über den Gesamtumbau dieser Bundesstraße zu einer neuen Magistrale mit Aufenthaltsqualität und den Ausbau der Straßenbahn zur Stadtbahn diskutiert wurden, wurde der Kursschwenk eher in aller Stille vollzogen. Denn weder finanziell noch verkehrstechnisch kann sich Leipzig den Komplettumbau dieser Straße in einem Rutsch (wie es vor 20 Jahren noch mit der Delitzscher und der Prager Straße passierte) leisten. Das wäre auch für die Geschäftsleute an der Straße tödlich.

Die Kinder der 39. Grundschule aus Möckern gaben das Eröffnungsständchen. Foto: Ralf Julke
Die Kinder der 39. Grundschule aus Möckern gaben das Eröffnungsständchen. Foto: Ralf Julke

Also wird abschnittsweise gebaut, werden einzelne Plätze aufgewertet (wie der Möckernsche und der „Huygens“-Platz), gibt es Umbaulösungen nach „altem Stil“ (wie zwischen Lindenthaler und Lützowstraße) und neue Projekte, die auch neue Straßenraumlösungen bringen.

Das jetzt abgeschlossene Baustück gehört dazu, das im Grunde eben nicht nur ein Haltestellenumbau war.

Die LVB investierten in den gesamten Bauabschnitt allein 1,6 Millionen Euro. „Was jetzt noch fehlt, sind die Fahrgastanzeiger“, sagt Juhrs. Die sollen in den nächsten 14 Tagen noch installiert werden.

Die Stadt selbst hat in diesen kompletten Straßenumbau 1,5 Millionen Euro investiert (davon 635.000 aus Fördermitteln des Landes).

Und auch die Wasserwerke wurden einbezogen, denn unter der Straße gab es auch wieder einen Abwasserkanal zu sanieren. „Das haben wir schon im Januar händisch gemacht“, erklärt Dr. Ulrich Meyer, Technischer Geschäftsführer der Leipziger Wasserwerke. Und auch 600 Meter Trinkwasserleitung mussten ersetzt werden. Was sich dann für die Wasserwerke auch noch auf  950.000 Euro summierte.

Was dann 4 Millionen Euro für einen komplexen, aber überschaubaren Straßenabschnitt ergibt. Und was auch ahnen lässt, wie teuer solche grundsätzlichen Straßenerneuerungen mittlerweile sind. Immerhin sind gerade die großen Magistralen der Stadt allesamt über 100 Jahre alt. Da geht es ohne eine Grundsanierung aller Infrastrukturen nicht ab. Gerade auch umfangreich durchexerziert bei den Bauprojekten „KarLi“, Wurzner Straße, Könneritzstraße.

Und das wird auch noch auf den vielen verbleibenden Einzelabschnitten der Georg-Schumann-Straße so sein. In planerischer Vorbereitung ist ja gerade der Abschnitt zwischen Chausseehaus und Böhmestraße.

Auch da wird es um eine neue barrierefreie Haltestelle gehen. Womit man auch wieder bei der Barrierefreiheit an der nun neu gebauten Haltestelle „S-Bahnhof-Möckern“ wäre, wo es nicht nur um die Fahrgäste geht, die zur Arbeitsagentur, zur Axis-Passage oder zum Berufsförderungswerk wollen, sondern auch um Kinder.

Deswegen waren zur feierlichen Abschnittfreigabe auch die Grundschüler der 39. Schule aus Möckern vor Ort. Die ist gleich um die Ecke in der Gustav-Kühn-Straße. Wenn die Schüler ins Theater oder Museum in die Stadt wollen, steigen sie am besten hier in die Straßenbahn. Da konnte man sich vor dem Umbau wirklich wie „Am Rande der Stadt“ fühlen. Davon sangen die Grundschüler an diesem klirrekalten Morgen tapfer. Aber eigentlich, so Michael Jana, ist man hier noch mitten in der Stadt. Der Umbau war auch deshalb notwendig, um diesem äußeren Abschnitt der Georg-Schumann-Straße das Gefühl des Abseitigen und Abgehängten zu nehmen.

Die kleinen Sängerinnen und Sänger bekamen dann auch noch Lebkuchenherzen und Kinderpunsch.

Alles kurz und knackig, denn der Verkehr rollt ja schon. Der ganze Abschnitt ist drei Wochen früher fertig geworden als geplant. Gebaut wird nur noch am Rand – zum Beispiel muss noch die kleine Mauer auf der Seite zur Arbeitsagentur fertiggestellt werden. Auch 32 neue Bäume müssen noch gepflanzt werden und 25 neue Fahrradbügel müssen hingestellt werden.

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