Bürger A. aus Gohlis darf sich mit der jüngsten Stellungnahme der Leipziger Stadtverwaltung zu seiner Petition, die Durchfahrt von geruchsintensiven Dieselbussen durch die Menckestraße zu verbieten, durchaus veralbert vorkommen. Seit 2014 kämpft er um eine Entlastung der Straße. Doch was ihm jetzt gleich drei Dezernate erklären, macht die ganze Schizophrenie der Leipziger Klimapolitik deutlich.

Dass die reinen Luftbelastungswerte in der Menckestraße ein Durchfahrtverbot insbesondere der alten Oldtimerbusse nicht begründen, hatte ihm auf seine Petition hin schon das Verkehrs- und Tiefbauamt mitgeteilt. Die Busse tauchen ja immer nur punktuell auf, auch wenn sie dann vorm Gohliser Schlösschen und dann vorm Schillerhäuschen meist länger stehen bleiben, manchmal auch Fahrgäste aus- und einladen, oft genug aber mit laufendem Motor einfach nur dastehen, während im Bus über Lautsprecheranlage meistens sehr nervende Erklärungen zum beschauten Objekt zu hören sind – und da die Busse oft mit offenem Verdeck und offenen Fenstern fahren, ist der nervende Singsang in der ganzen Straße zu hören. Eine Art Katzenmusik.

Aber die Stadtverwaltung muss ja auch offiziell Stellung nehmen zu Petitionen, mit denen dann der Petitionsausschuss arbeiten kann.

Dass die drei Dezernate Stadtentwicklung und Bau, Umwelt, Ordnung, Sport und Wirtschaft und Arbeit eine Ablehnung empfehlen, war zu erwarten.

Aber die Wortwahl macht deutlich, dass im Verhältnis von Stadtverwaltung und Bürgern schon seit geraumer Zeit etwas nicht stimmt.

Angefangen mit dem Ordnungsdezernat, unter dessen Dach ja ein etwas konfliktscheues Ordnungsamt agiert, um es mal so zu formulieren.

„Der Petent fordert die Ordnungsbehörden auf, mit einer Reihe repressiver Maßnahmen gegen die im Titel genannten Belastungen vorzugehen. Dies wurde durch die Behörden zum wiederholten Male geprüft. Ein Durchfahrtsverbot für Reisebusse kann aufgrund einer fehlenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage nicht angeordnet werden“, behaupten die drei Dezernate.

Was zumindest zu bezweifeln ist. Denn der Autor der Petition hatte sich auch auf § 45, Absatz 1, Abschnitt 3 der StVO berufen, die es Behörden sehr wohl ermöglicht, Verkehrsbeschränkungen zu verhängen. Der lautet nämlich: „Die Straßenverkehrsbehörden können die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Das gleiche Recht haben sie (…) 3.zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen …“

Das Problem dabei: Eigentlich dürften Dieselbusse ohne Filteranlagen hier gar nicht fahren. Denn Gohlis liegt ja mitten in der Leipziger Umweltzone.

Aber mit den Oldtimern ist eine regelrechte Gesetzeslücke geschaffen worden: Sie dürfen selbst dann in Umweltzonen fahren, wenn andere hier nur mit grüner oder blauer Plakette unterwegs sein dürfen.

„Auf eine schrittweise Umrüstung der Stadtrundfahrtbusse auf moderne Elektro- oder Hybridantriebe hat die Stadtverwaltung mit ihren ordnungsrechtlichen Instrumentarien keinen Einfluss“, gestehen die drei Dezernate noch zu. „Anzeigen zu Verstößen wegen Lärm- und Geruchsbelästigung (z. B. laute Live-Ansagen) werden zwar vom Ordnungsamt weiterverfolgt, aufgrund der Vielzahl der Busse versagen diese Ordnungswidrigkeitenverfahren jedoch als Mittel der Problemlösung. Für ein Verbot von gewerblich genutzten Oldtimerbussen mit H-Kennzeichen fehlt die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Der Versuch, im Dialog mit Touristikunternehmen eine Lösung zu finden, ist hingegen nicht Gegenstand der Petition.“

Und dann wird es ganz lustig. Denn während Anwohner unter den Oldtimern, Lärm und Dieselruß leiden, verweigern die Betreiber der Oldtimer einfach jedes Gespräch: „Der Verwaltung ist bekannt, dass gerade dasjenige Unternehmen, über das in diesem Zusammenhang am häufigsten Beschwerde geführt wird, einen solchen Dialog (auch Mediationsverfahren u.ä.) grundsätzlich ablehnt.“

Ist es wirklich so einfach, in Leipzig „sein Geschäft“ zu machen, ohne auf irgendjemanden Rücksicht nehmen zu müssen?

Der ADAC ist heute noch stolz darauf, dass er ein Fahrverbot für Oldtimer in Umweltzonen verhindert hat. Seit 2011, seit der Einführung der Umweltzone, steigt die Zahl der in Leipzig registrierten Oldtimer unübersehbar an.

Es soll Städte geben, die über ein generelles Einfahrverbot für Oldtimer in die Umweltzone nachdenken.

Denn mit Luftreinhaltung hat der Betrieb der alten Busse, die in anderen Städten wegen ihrer Luftbelastung ausrangiert wurden, wirklich nichts zu tun.

„Nach Kenntnis der Stadtverwaltung verteilen sich die touristischen Fahrten durch die Menckestraße etwa gleichmäßig auf Reisebusse und Stadtrundfahrtbusse, die mit einer grünen Plakette gekennzeichnet sind und die entsprechenden Emissionsvorgaben der Umweltzone einhalten. Bei den für Stadtrundfahrten eingesetzten Bussen sind gegenwärtig 10 Busse als Oldtimer mit H-Kennzeichen zugelassen. Diese Oldtimerbusse verfügen über kein Partikelminderungssystem. Gemäß 35. BlmSchV § 2 (3) i. V. m. Anhang 3 Nr. 10 sind diese Busse vom Fahrverbot innerhalb der Umweltzone ausgenommen“, meinen die drei vereinigten Dezernate. Und gestehen dann auch den Oldtimer-Bussen zu, ein „Beitrag zur Pflege des kraftfahrzeugtechnischen Kulturgutes“ zu sein. Und das sei nun einmal „ein Kriterium zur Anerkennung eines Fahrzeugs als Oldtimer. Es gibt keine Regelung, die die Erhaltung des kraftfahrzeug-technischen Kulturgutes als Rahmen für eine gewerbliche Nutzung vorschreibt. Nutzungsbeschränkungen, die sich ggf. aus Verfahren der Straßenverkehrszulassungsordnung ergeben, entfalten keine Wirkung für Genehmigungsverfahren nach dem Personenbeförderungsgesetz.“

So etwas nennt man dann eine gesetzlich geschaffene Grauzone.

Und dann gesteht man dem Autor der Petition auch noch zu, dass er wohl Recht hat. Aber gerade weil er Recht habe, könne man seiner Petition nicht abhelfen: „Anzeigen zu Verstößen wegen Lärm- und Geruchsbelästigung im konkret benannten und dem Verursacher zuordenbaren Fällen werden seitens des Ordnungsamtes auch verfolgt. Da bei den Live-Ansagen und laufenden Motoren die Belästigung weniger im Passieren der einzelnen Busse, sondern in der Vielzahl der Busse besteht, versagen Ordnungswidrigkeitenverfahren als Mittel der Problemlösung.“

Und damit der Petitionsausschuss auch weiß, dass sich die Verwaltung genervt fühlt, weist man auch noch darauf hin, dass der Petent „bereits in den letzten Jahren umfangreichen Schriftverkehr sowohl mit dem Amt für Umweltschutz, als auch mit dem Ordnungsamt und dem Verkehrs- und Tiefbauamt (hatte), in dem ihm der Sachverhalt und die Gründe für die Ablehnung mehrmals ausführlich erläutert wurden.“

Aber wie fühlt man sich als Betroffener eines eigentlich nicht aushaltbaren Missstandes, wenn einem sämtliche Instanzen der Verwaltung immer nur erklären, dass sie sich nicht zuständig fühlen und keine Grundlage für eine Abhilfe sehen?

Die Stellungnahme der Stadtverwaltung.

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