Wenn Versprechen nicht eingehalten werden, muss sich kein Verantwortlicher darüber ärgern, wenn Bürger auf die Barrikaden gegen. So wie in Rückmarsdorf, wo sich der Protest gegen den geplanten Kiesabbau direkt vor der Haustür formiert. Die Bürgerinitiative gegen den Kiesabbau hat sich im Oktober gegründet, als klar war, dass der Betreiber der Schönauer Kiesgruben jetzt auch noch den Rückmarsdorfer Kies haben will.

Dagegen hat sich nicht nur der Ortschaftsrat positioniert, der das Thema auch im Oktober auf seine Agenda gesetzt hatte. Viel kann er noch nicht tun, denn das ganze Planungsverfahren ist ja erst angelaufen. Bürger haben immer erst Mitwirkungsrechte, wenn die Planungsunterlagen fertig und öffentlich ausgelegt sind. Es sind nicht viele Rechte. Oft werden sie dann im Planverfahren nicht weiter beachtet, wenn die entscheidenden Gremien der Meinung sind, sie müssen ein Projekt unbedingt genehmigen.

Der Ortschaftsrat – so betonten dessen Mitglieder in der Oktobersitzung – wolle sich selbstverständlich „für die Belange der Bürger einsetzen. Für Maßnahmen ist es im Moment noch zu früh. Wenn die Auslegung des Projektes im Rathaus stattfindet, kann jeder Bürger Einfluss nehmen.“

Der Vorgang verursacht in Rückmarsdorf auch deshalb Kopfzerbrechen, weil viele Bewohner des Ortsteils sich dort ein Eigenheim gekauft haben unter der Prämisse, dass sie bestenfalls weitere Eigenheime vors Fenster bekommen, aber keinen Kiestagebau.

Was auch in der Ortschaftsratssitzung am 11. Oktober zur Sprache kam. Die Auskunft, die es auf die Nachfrage gab, warum der Flächennutzungsplan auf der Fläche, die die Firma Papenburg bearbeiten will, von Wohn- und Gewerbefläche auf Landwirtschaftliche Nutzfläche umgewandelt wurde, lautete: „Die Umwandlung erfolgte bereits 2002, da es keine Investoren gab, die sich für diese Fläche interessiert hätten.“

Für Ärger sorgte auch, dass das Vorhaben ursprünglich am Ortschaftsrat vorbeigeschleust werden sollte. Was der Stadtrat Dieter Deißler aus der Grünen-Fraktion kritisierte:

„Hin und wieder suggeriert sogar die Verwaltung, für das Thema Bürgerbeteiligung aufgeschlossen zu sein. Kaum ein anderes Vorhaben bietet sich mehr dafür an – aber gerade hier soll es nicht stattfinden. Was ist wichtiger als die Gesundheit der Bürger und die Erhaltung des ökologischen Gleichgewichtes? Aufgrund der Hauptsatzung der Stadt Leipzig hätten wir erwartet, dass der Ortschaftsrat Rückmarsdorf aber auch die Stadtbezirksbeiräte Alt-West und West sich hätten zwingend mit dieser Erstvorlage befassen müssen. Dies wurde seitens der Stadtverwaltung und von den anderen Mitgliedern des Grundstücksverkehrsausschusses so aber nicht gewollt! Wir können nicht nachvollziehen, dass diesen städtischen Gremien damit ihr Anhörungsrecht genommen wurde – aber gerade wäre es besonders wichtig gewesen. Im Sinne einer frühzeitigen Beteiligung und unter dem Gesichtspunkt eines transparenten Verwaltungshandelns wäre eine proaktive Information insbesondere der Anwohner und anderer Grundstückseigentümer zum geplanten Kiesabbbauvorhaben das mindeste gewesen!“

Der Grundstücksverkehrsausschuss hatte sich tatsächlich in dieser Weise mit dem Vorhaben beschäftigt und – ohne Anhörung der vor Ort Betroffenen – den OBM beauftragt, mit dem Kiesunternehmen GP Papenburg AG aufschiebend bedingte Kaufverträge (An- und Verkauf) für die zur Umsetzung des Hauptbetriebsplanes Schönau III benötigten Flächen auszuhandeln, weil das Kiesfeld Schönau II schon in absehbarer Zeit ausgekiest sein wird.

Die Grünen stimmten dagegen und machten die Sache publik.

„Meine Fraktion spricht sich gegen das weitere Kiesabbauvorhaben in den Schönauer Lachen aus. Wir halten das Vorhaben ökologisch, wirtschaftlich und gesamtgesellschaftlich für höchst bedenklich“, sagte dazu Grünen-Stadtrat Tim Elschner. „Mit Schönau III wird wertvoller Ackerboden dauerhaft für die Stadt Leipzig verloren gehen! Und genau den Verlust von wertvollem Ackerboden kritisiert gerade die Stadt Leipzig zu Recht in ihrer Stellungnahme zum bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren zur Weiterführung des Kiessandtagebaus Kleinpösna im Baufeld 5b (Vorlage – VI-DS-01901). Diese Vorlage soll voraussichtlich im Dezember vom Stadtrat beschlossen werden. Wird hier etwa mit zweierlei Maß gemessen?“

Dass die Anwohner gar nicht einbezogen wurden, findet er völlig daneben. Sie sind die Hauptbetroffenen – die Stadt aber tut so, als ginge es nur um einen simplen Flächenverkauf. Elschner: „Wir sind außerdem der Auffassung, dass Anwohner in der näheren Umgebung selbst durch Maßnahmen und Auflagen etwa zur Deponie sowie zum Schutz vor Lärm und Staub auch weiterhin erheblich in Mitleidenschaft durch das geplante Vorhaben gezogen werden. Wurde Grundstückskäufern in Rückmarsdorf beim Kauf ihrer Grundstücke nicht ursprünglich zugesichert, dass der Kiesabbau verbindlich bereits 2005 beendet werden sollte? Den vorauseilenden Gehorsam der Stadt Leipzig, mit dem Unternehmen nun aufschiebend bedingte Kaufverträge auszuhandeln, ist für uns nicht nachvollziehbar. Denn wir erinnern uns, dass die Stadt Leipzig selbst sich bis 2008 noch gegen das Kiesabbauvorhaben Schönau II gestellt hatte.“

Zwar soll über die Veräußerung der städtischen Eigentumsgrundstücke erst mit abgeschlossenen bergrechtlichen Genehmigungsverfahren endgültig entschieden werden, doch bei einer Genehmigung wird wenig Spielraum bleiben, Schönau III doch noch zu verhindern.

Am 22. Oktober gründete sich dann die Bürgerinitiative Rückmarsdorf. Und die sammelt seitdem Unterschriften. Am 7. Dezember konnte sie die 1.200. Unterschrift gegen den geplanten Kiesabbau in Leipzig Rückmarsdorf (Schönau 3) vermelden. Direkt aus der Bäckerei und Konditorei Tippner mit ihrer Filiale am Sandberg 43.

Bernd Thalheim aus Leipzig war der 1.200. Unterschreiber und ihm wurde ein kleines Geschenk der Bürgerinitiative Rückmarsdorf übergeben – wie man sieht: ein Lebkuchenstiefel. Das kann man symbolisch verstehen, da ja Teile von Rückmarsdorf künftig nur noch mit Stiefel zu erlaufen sind.

Insgesamt gab und gibt es Listen an 23 Orten. Gesammelt wird nicht nur in Rückmarsdorf, sondern auch in Grünau, Leutzsch und Böhlitz-Ehrenberg (Die Liste ist unter dem Artikel verlinkt). Am 18. Dezember meldete die Bürgerinitiative schon 1.634 Unterschriften. Und sie will auch 2017 weitersammeln.

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