Leipzig wächst und wächst und wächst. Und keiner merkt’s. Oder nur ein paar, wie die Dresdner Studenten, die im Sommer in einer „Summer School“ Ideen für eine Neuorganisation des Leipziger Innenstadtrings entwickelten. Erst mal als Vision. Mit entsprechend heftigen Reaktionen in Leipzig, die vor allem eines zeigen: Es herrscht Handlungsdruck. Die CDU-Fraktion hat jetzt einen bildhaften Vorschlag in den Ring geworfen.

Problemstellen am Ring, wo sich die Verkehrsarten überschneiden und es zu echten Überlastungsproblemen kommt, gibt es mehrere. Längst leiden alle Verkehrsarten darunter, dass der Ring nicht für das hohe Verkehrsaufkommen einer modernen 600.000er oder 700.000er-Stadt gebaut wurde. Besonders problematisch ist das Nadelöhr für die Straßenbahnen der LVB. Und unter deren Ring-Problemen ist das am Hauptbahnhof am größten: Die Haltestelle ist viel zu klein für den Hochbetrieb. Fußgängerströme kreuzen sich mit ein- und ausfahrenden Straßenbahnen. Wer als Fußgänger aus dem Bahnhof kommt, riskiert mit querenden Radfahrern zu kollidieren. Die Probleme sind bekannt. Der Platz vor dem Hauptbahnhof ist die erste Stelle, die entschärft werden muss, wenn es hier nicht zu wirklich schweren Konflikten kommen soll.

Das sieht auch die CDU-Fraktion so und wirft jetzt einen Vorschlag in den Ring, der die Diskussion einmal so richtig in Gang bringen soll.

Und der vor allem eins im Sinn hat: Verkehrsarten zu entflechten.

Eben weil der Platz vorm Hauptbahnhof ein Nadelöhr fĂĽr fast den gesamten StraĂźenbahnverkehr und einige Buslinien und auch noch der zentrale Umsteigepunkt Leipzigs ist. Bereits jetzt ist dieser Umsteigepunkt in der Hauptverkehrszeit und zu besonderen Höhepunkten (Konzerte, FuĂźballspiele, Weihnachtsmarktwochenenden…) bis an die Grenze belastet, was nicht nur Stress verursacht, sondern auch die Sicherheit der Fahrgäste gefährdet.

Aber wie macht man das, wenn man nicht gleich komplette Fahrbahnen wegnehmen und den Kraftverkehr verbannen will? Gar mit der berechtigten Frage: Wohin?

Denn das Leipziger Verkehrskonzept ist noch immer komplett auf den Ring zugeschnitten. Alle Magistralen laufen darauf zu, oft ohne Ausweichmöglichkeit für Autofahrer. Und was sich Leipzigs Verwaltung vielleicht mal erträumt hat – dass die Pkw-Zahlen in Leipzig zurückgehen – trifft derzeit noch längst nicht zu. Im Gegenteil. Mit dem Wachstum der Bevölkerung wächst auch der Pkw-Verkehr. Und das auch deshalb, weil der ÖPNV vielfach keine Alternative ist, Anbindungen oder gar Linien fehlen, Bahnen überfüllt sind oder eben solche Verstopfungen wie am Hauptbahnhof zu erleben sind.

Wie aber entwirrt man diese komplexe Problemstelle?

Die Stadtverwaltung soll nun die Machbarkeit einer innovativen Verkehrslösung vor dem Hauptbahnhof prüfen. Das fordert die CDU-Fraktion in einem Antrag an den Stadtrat. Die Idee weicht vom bislang Diskutierten natürlich deutlich ab. Aber wenn man die kompletten Fahrbahnen direkt vorm Bahnhof tieferlegt, kann man tatsächlich Platz schaffen und Verkehrsarten entflechten.

Dabei sollen die Tieferlegung der nördlichen Ringfahrbahn in einem Trog, eine über den Trog auskragende Verbreiterung der LVB-Haltestelle sowie die ampelfreie Überquerung des Troges für den Fußgängerverkehr in Höhe Osthalle und Westhalle des Hauptbahnhofes geprüft werden.

CDU- Fraktionsvorsitzender Frank Tornau: „Der Ring ist nicht nur für den ÖPNV, sondern auch für den Kfz-Verkehr unverzichtbar. Wachsende Bevölkerungszahlen und damit ein wachsender Kfz-Bestand lassen für die nächsten Jahre keine Entlastung, sondern eher eine Mehrbelastung erwarten. Durch Entflechtung der Verkehrsströme vor dem Hauptbahnhof wäre dem KfZ-Verkehr, dem ÖPNV sowie Fußgängern und Radfahrern gleichermaßen geholfen.“

Die Visualisierung des CDU-Vorschlags. Copyright: CDU Fraktion Leipzig
Die Visualisierung des CDU-Vorschlags. Copyright: CDU Fraktion Leipzig

Und Dr. Sabine Heymann ergänzt: „Die von uns vorgeschlagene Troglösung ermöglicht eine ampelfreie Abwicklung des Kfz-Verkehrs, eine über den Trog auskragende Verbreiterung der Haltestelle und eine ampel- und barrierefreie Führung des Fußgängerverkehrs zwischen Hauptbahnhof und Haltestelle. Natürlich ist eine generelle Überarbeitung der Verkehrsführung zur Entlastung des Rings erforderlich. Wir wollen mit unserem Vorschlag zum Hauptbahnhof einen konkreten Anstoß dazu geben.“

Den Anstoß hat die Fraktion gleich einmal mit einem Bild sichtbar gemacht, das zeigt, wie auf jeden Fall die aktuellen Probleme der Fußgänger beseitigt werden können. Die stehen jetzt – egal wie eilig sie es haben – immer an der Ampel, sehen oft genug ihre Straßenbahnen wegfahren. Nutzerfreundlich ist das nicht. Aber mit den Querungen über den Trog würde die Ampelregelung entfallen. Fußgänger würden vom Bahnhof ohne Hindernis direkt zur Straßenbahnhaltestelle kommen. Dort wäre auch mehr Platz. Immerhin steht auch eine deutliche Vergrößerung dieser Zentralhaltestelle an.

„Und auch an die Radfahrer haben wir gedacht“, sagt CDU-Stadträtin Sabine Heymann. Die hätten nördlich des Troges deutlich mehr Platz – nur vor den Ausgängen des Hauptbahnhofs müssten sie zwingend auf die Fußgänger Rücksicht nehmen. Und die Taxen würden natürlich ihren angestammten Standort in der Bahnhofsmitte verlassen müssen und auf die Seitenausgänge des Bahnhofs umverlegt werden.

Aber der Vorschlag, so betonen Tornau und Heymann, soll ja vor allem erst einmal die Diskussion anstoßen, die überfällig ist. Denn wenn der City-Ring für eine 700.000-Einwohner-Stadt leistungsfähig bleiben soll, muss er umgebaut werden, müssen jetzt die Ideen für die Entschärfung der vielen Flaschenhälse auf den Tisch. Denn in zehn Jahren müssten sie umgesetzt werden. Das ist für solche Projekte kein großer Zeithorizont.

„Und wir mĂĽssen raus aus der eingefahrenen Diskussion“, sagt Tornau. Wenn immer nur gesagt wĂĽrde, was nicht geht, käme man nie zu einer Lösung. Ob der – natĂĽrlich nicht ganz billige – Vorschlag der CDU-Fraktion umsetzbar ist, muss jetzt die Verwaltung untersuchen. Und wenn sie das Thema ernst nimmt, macht sie auch Alternativvorschläge und gibt der Diskussion eine Grundlage.

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Es gibt 3 Kommentare

Die Idee mit Trog zur Ost-West-Querung am HBF berücksichtigt den S-Bahn-Tunnel? Das ist auf dem Bild nicht zu erkennen. Ein Straßen-Tunnel wäre an dieser Stelle wohl nur erheblich tiefer gelegt unter der S-Bahn zu realisieren. Für diese zentrale neuralgische Stelle im Leipziger Stadtgrundriss eine Vollsperrung versuchsweise ohne Umleitungsrouten vorzuschlagen, kommt mir stadtmörderisch vor. Die Stadt würde geteilt, der Nordosten abgehängt.
Die Diskussion in Gang zu bringen, ist gewiss wichtig – der aktuelle Vorschlag der CDU wird aber wohl nicht funktionieren, wenn man ihn nicht auf Ă–PNV, Taxi, Fahrrad und FuĂźgänger beschränkt. Könnte eine Querung fĂĽr KFZ vielleicht eher 300 m nördlich unter dem Gleisvorfeld, wo die S-Bahn wieder nach oben kommt, zu realisieren sein?

Gut, dass die Diskussion am Hauptbahnhof angeschoben wird. Da so ein komplexer Umbau sicher einige Monate dauern würde, ist doch zur Probe mal eine Komplettsperrung der Nordfahrbahnen am Hauptbahnhof (außer für Taxis und Radfahrende) sinnvoll, um dann zu sehen, wo sich der Autoverkehr dann neue Wege sucht. Dabei könnte dann indirekt der zukünftige Bedarf an dieser Stelle ermittelt werden, der wohl wesentlich unterhalb der heute zur Verfügung stehenden 4 Fahrspuren liegt. Der Platz für diesen Bedarf dürfte dann auch bei oberirdischer Führung vorhanden sein.

Warum wird dann nicht der Trog gleich komplett geschlossen und eine neue durchgängige Fläche zwischen Hbf und Straßenbahn geschaffen? Wer legt schon Wert auf den Anblick und den Lärm der im Trog dahinrasenden Autos (keine Ampeln mehr)!? Mit dem so gewonnenen Platz könnte man sicher was sinnvolles anfangen!

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