2.867 Unterschriften hat die Bürgerinitiative Rückmarsdorf gegen den geplanten Kiesabbau am Rand von Rückmarsdorf gesammelt. Am Mittwoch, 18. Januar, wurden sie vor der Ratsversammlung an den Bürgermeister und Beigeordneten für Wirtschaft und Arbeit, Uwe Albrecht, übergeben. Ist der geplante Kiesabbau „Schönau III“ noch zu verhindern?

Die Grünen-Fraktion jedenfalls findet: Ja. Wenigstens versuchen sollte man etwas. Zu viel geht verloren für einen kurzfristigen Gewinn. Dass man mit Kies derzeit richtig Kohle machen kann, liegt am emsigen Baugeschehen auch in Leipzig. Für jede Brücke, jede Schule, jedes Wohn- und Bürohaus wird Beton gebraucht. Und dafür braucht man Kies. Und der lagert in den alten eiszeitlichen Schichten rings um Leipzig. Die Abbaurechte haben sich private Firmen schon gleich im großen „Wende“-Fieber gesichert, über Jahre ruhen lassen oder bei nächster Gelegenheit weiterverkauft. Solche Rechte erlöschen nicht, sondern können jederzeit wieder aktiviert werden. Die einzige echte Bremse sind die Besitzer der Grundstücke. Wenn die sagen „Nein, der Acker obendrüber ist viel wertvoller, ich verkaufe nicht“, dann bleibt der Kies, wo er ist.

Und 2015, als sich die Stadt Leipzig mit der Anfrage der Firma Papenburg zum Kiesfeld unter dem Rückmarsdorfer Acker beschäftigt hat, hätte man durchaus erwarten können, dass sie sich gegen einen Verkauf ausspricht. Denn ihre Stellungnahmen etwa zu Kiesabbauplänen anderer Kommunen im Umfeld waren stets auf den Schutz der wertvollen Ackerflächen bedacht.

Aber wenn mit hübschen Kaufsummen gewinkt wird, dann fällt auch in Leipzig so mancher Entscheider um. Die Stadtkasse ist klamm. Und was ist schon ein Acker bei Rückmarsdorf, wenn man damit ein kleines Haushaltsloch im Jahr 2017 stopfen kann?

„In seiner öffentlichen Sitzung am 2. November 2015 hat der Grundstücksverkehrsausschuss zu unserem Bedauern den Oberbürgermeister beauftragt, mit dem Kiesunternehmen GP Papenburg AG aufschiebend bedingte Kaufverträge (An- und Verkauf) für die zur Umsetzung des Hauptbetriebsplanes Schönau III benötigten Flächen auszuhandeln, weil das Kiesfeld Schönau II schon in absehbarer Zeit ausgekiest sein wird“, erinnert sich Stadtrat Tim Elschner, Mitglied im Grundstücksverkehrsausschuss und stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, an den Tag, als ein Stadtratsausschuss all seine Bedenken in den Wind schießen ließ. „Wir werden uns auch weiterhin politisch dafür einsetzen, dass das Vorhaben nicht verwirklicht wird, denn wir halten es ökologisch, wirtschaftlich und gesamtgesellschaftlich für höchst bedenklich.“

So sieht es auch Norman Volger, Fraktionsvorsitzender und umweltpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: „Über 2.800 Unterschriften gegen das geplante Kiesabbaugebiet ‚Schönau III‘ sind ein starkes Zeichen an Verwaltung, Stadtrat und auch das Kiesunternehmen GP Papenburg AG, von dem Vorhaben Abstand zu nehmen.“

Aber beim Appell will man es nicht belassen. Zur Beantwortung in der nächsten regulären Stadtratssitzung am 8. Februar hat die Grünen-Fraktion ein ganzes Fragenbündel eingereicht. Denn ganz so sicher scheint sich Leipzigs Verwaltung nicht zu sein, ob der Verkauf der Felder wirklich sinnvoll ist.

Zwar wird das bisher genutzte Kiesfeld Schönau II schon in absehbarer Zeit ausgekiest sein. Aber bis auf die Stadtratsvorlage zur Durchführung eines bergrechtlichen Genehmigungsverfahrens zur Standortsicherung in Gemarkung Rückmarsdorf gibt es noch keine weiteren Informationen zum Verfahren.

Die Antwort, die die LVZ vom 5. Januar brachte, war auch eher ausweichend. „Wie berichtet, hat sich Leipzig in dem Streit noch nicht positioniert. Im Wirtschaftsdezernat wird allerdings betont, dass eine wachsende Stadt auch Baumaterial und Arbeitskräfte benötige und deshalb ‚grundsätzlich‘ entsprechende Entwicklungen und Unternehmen unterstützt würden.“

Das klingt nach einem noch nicht abgeschlossenen Verfahren, aber nach dem unverkennbaren Willen der Verwaltung, die Äcker trotz allem zu verkaufen. Aber dem stehen auch einige Festlegungen entgegen, denn noch ist die Fläche als landwirtschaftliches Areal eingeordnet und nicht als Bergbaugelände. Da hat auch der Planungsverband Westsachsen ein Wörtchen mitzureden.

Das Fragepaket, das die Grünen-Fraktion formuliert haben:

„In welchem Stadium befindet sich das bergrechtliche Genehmigungsverfahren derzeit? Welche Schritte hat das bergrechtliche Genehmigungsverfahren bislang durchlaufen, welche weiteren Schritte werden noch bis zu einer Entscheidung folgen? Welche Möglichkeiten gibt es für die BI Rückmarsdorf und Anwohner, im weiteren Verfahren gehört zu werden?

Wann rechnet die Stadtverwaltung voraussichtlich mit einer Entscheidung des Sächsischen Oberbergamtes?

Für den Fall, dass das Sächsische Oberbergamt das Vorhaben genehmigt: Wann wird die Stadtverwaltung mit einer entsprechenden Beschlussvorlage wieder an den Stadtrat herantreten? Welchen (wesentlichen) Inhalt wird die Beschlussvorlage haben?

Welche kommunalen Grundstücke (Angabe der Flurstücknummern) müssen von der Stadt Leipzig an den Vorhabenträger verkauft werden, wenn das Sächsische Oberbergamt das Vorhaben genehmigt bzw. genehmigen will? Wie wird der Verkaufspreis gebildet?

Viele Grundstücke befinden sich des Weiteren in Privateigentum. Ist der Kauf aller notwendigen Grundstücke durch den Vorhabenträger Voraussetzung für die Erteilung der bergrechtlichen Genehmigung? Wie vielen Grundstückseigentümern hat die Stadt Leipzig in diesem Zusammenhang bereits Ausgleichsflächen angeboten? Wo befinden sich diese ggf. räumlich?

Sollten Privateigentümer den Verkauf ihrer Flächen ablehnen und auch Angebote der Stadt Leipzig auf Ausgleichsflächen ausschlagen: Welche gesetzlichen Möglichkeiten gibt es, um Eigentum an Grundstücken notfalls zwangsweise zu entziehen? Welche Rolle würde in einem solchen Verfahren gegebenenfalls die Stadt Leipzig einnehmen?

Laut Flächennutzungsplan wird das Gebiet als „landwirtschaftliche Fläche“ ausgewiesen. Dem Regionalen Planungsverband Leipzig-Westsachsen (RPV) obliegt es im bergrechtlichen Genehmigungsverfahren, die raumordnerischen Aspekte zu prüfen: Zu welchem Festlegungen ist der Planungsverband in Bezug auf das Gebiet „Schönau III“ bereits gekommen? Hat der Regionale Planungsverband Leipzig-Westsachsen sich für oder gegen die Beibehaltung der Festlegung „landwirtschaftliche Fläche“ für das Vorhabengebiet ausgesprochen? Wie hat der Regionale Planungsverband Leipzig-Westsachsen (RPV) sein Prüfergebnis begründet?“

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https://www.l-iz.de/bildung/medien/2017/01/in-eigener-sache-wir-knacken-gemeinsam-die-250-kaufen-den-melder-frei-154108

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“Dass man mit Kies derzeit richtig Kohle machen kann, liegt am emsigen Baugeschehen auch in Leipzig. Für jede Brücke, jede Schule, jedes Wohn- und Bürohaus wird Beton gebraucht. Und dafür braucht man Kies.”

Nein, braucht “man” nicht! Doch dafür muß über ausgetretene Wege und das “Altbekannte” hinaus gedacht, (alte) neue Entwicklungen verfolgt werden.

Mit dem Bau der Asylbewerberunterkünfte in der Braunstraße 28 wurde eine Alternative zum Bau mit Erden und Kies gezeigt. Hochwertig, ökologisch, schnell, massiv. Mit anderen Worten: Nachhaltig! Damit auch noch Unmengen CO2-bindend. Also ganz den vermeintlich zu verwirklichenden politischen Zielen entsprechend. Doch (wie immer, möchte man sagen) wenn Politik praktisch werden soll, hört „die“ Politik, die in Leipzig auch namentlich benannt werden kann, auf, selbst gesteckte Ziele auch zu verwirklichen.

Einige Stadträte haben das Objekt in der Braunstraße, dessen Bauweise und Material besichtigt. Folgenlos, wie am Beispiel zur Diskussion über Kitas und Schulen gesehen werden kann. Worüber man sich nicht wundern muß, wenn maßgebliche Politiker nicht ansatzweise willens sind, sich mit diesen neuen Entwicklungen auseinanderzusetzen. Diese Gebäude als „Bananenkisten“ bezeichnet, die unseren Kindern nicht zuzumuten seien. (Wobei man sich die Frage stellt: Flüchtlingen schon?! Was aber ein anderes Themenfeld wäre.)
Technologisch anspruchsvoll, ökologisch und darüber hinaus schnell in der Bauweise, aktuelle Bauzeiten um die Hälfte verkürzend. Wegen Unkenntnis, Verweigerung neuer Entwicklungen bleiben diese Vorteile ungenutzt.
Schlimmer, es werden auf Jahrzehnte Nachteile konserviert.
Und, wie vorliegend betrachtet werden kann, darüber hinaus Umwelt und Natur unnötig zerstört, Lebensumfeld der Betroffenen “nachhaltig” gestört.
Es wird also nicht nur ein möglicher Nutzen nicht gezogen, es wird vielmehr noch geschadet. Wegen eines kurzfristigen finanziellen Nutzens, der allerdings nur ein scheinbarer ist.

Und: Bergrecht ist dem Mittelalter verhaftet. Es ist nur unwesentlich durch Rechtsprechung weiterentwickelt worden. Die einzige Chance etwas zu gestalten (oder hier: zu verhindern) hat in der Tat nur der Eigentümer. Der hier auch noch mit Alternativen argumentieren könnte. Dafür aber auf Einnahmen verzichten müßte….

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