Setzt sich am Floßgraben so langsam ein bisschen Vernunft durch? Wolfgang Stoiber vom NuKLA e.V. hofft es, nachdem die Landesdirektion die Richtigkeit der Fachaufsichtsbeschwerde des NuKLA e.V. über das Agieren des Leipziger Umweltdezernats im Fall Floßgraben bestätigt hat. Seit zehn Jahren ist der Floßgraben für Bootsnutzer befahrbar. Aber eine naturschutzfachliche Verträglichkeitsuntersuchung hat nie stattgefunden.

Das aber ist die Voraussetzung, wenn eine städtische Behörde überhaupt Genehmigungen für gewerbliche Nutzungen in einem Naturschutzgebiet wie dem Auenwald ausreichen will. Wobei nicht nur Wolfgang Stoiber bezweifelt, dass die Stadt Leipzig das überhaupt darf, denn gewerbliche Nutzungen sind in Naturschutzgebieten eigentlich nicht vorgesehen. Alles, was dort passiert – auch Baumaßnahmen, wie sie im Rahmen des heftig diskutierten „Wassertouristischen Nutzungskonzeptes“ (WTNK) passieren – muss zuvor einer naturschutzfachlichen Verträglichkeitsprüfung unterzogen werden.

Alles.

Deswegen versuchen Leipzigs Umweltverbände jetzt das WTNK endlich abschaffen zu lassen, das seit über zehn Jahren immer wieder als Begründung für immer neue wassertouristische Nutzungen im Leipziger Auenwald herangezogen wird. Denn wenn dieses Konzept als Begründung für alle Folgemaßnahmen genutzt wird, muss es zwingend selbst einer Verträglichkeitsprüfung unterzogen werden: Greifen die Maßnahmen in den geschützten Bestand von Pflanzen und Tieren im FFH-Gebiet Leipziger Auenwald schädigend ein oder nicht?

Denn das Bundesnaturschutzgesetz hat eindeutig geregelt, dass alle Eingriffe, die den Schutz der hier vorkommenden seltenen Arten beeinträchtigen, zu unterlassen sind. Paragraph 34: „Projekte sind vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen.“

Das gilt für das WTNK genauso wie für die Nutzung des Floßgrabens, der ja ab 1. März wieder befahren werden darf – aber nur von muskelbetriebenen Booten. Motorboote sind wieder ausgeschlossen. Was nicht heißt, dass die städtische Umweltbehörde nicht doch wieder Einzelgenehmigungen ausreicht. Was sie in den vergangenen Jahren stets ohne rechtliche Grundlage getan hat.

Denn – wie es Wolfgang Stoiber, Vorsitzender des NuKLA e.V. nun schwarz auf weiß von der Landesdirektion hat – die naturschutzfachliche Verträglichkeitsprüfung hat Leipzig all die Jahre unterlassen.

Deswegen fuhren nicht nur die Motorboote – auch die der Betreiber der Passagierboote – die ganze Zeit ohne rechtliche Grundlage nicht nur durch den Floßgraben, sondern auch auf der Pleiße, die bei Connewitz durchs FFH Gebiet Leipziger Auenwald fließt.

Dass es zu so vielen Grenzüberschreitungen und Grauzonen in dem Gebiet gekommen ist, hat eindeutig auch mit der Politik des Leipziger Umweltdezernats zu tun, das hier versucht hat, eine Art wirtschaftsfreundliche Politik zu machen, ohne die naturschutzfachlichen Grundlagen herzustellen.

Und – auch das hat Wolfgang Stoiber nun schwarz auf weiß – ohne die Zustände insbesondere am Floßgraben überhaupt einigermaßen kontrollieren und Verstöße ahnden zu können. Im Gegenteil: Der Himmelfahrtstag entwickelt sich mittlerweile jedes Jahr zu einem organisierten Verstoß gegen alle Auflagen, die am Floßgraben gelten – vom Verbot von Motorbooten bis hin zum Verstoß gegen Durchfahrtzeiten und das Verbot zum Betreten der Uferbereiche. Im Gegenteil: Es wird angelandet, kampiert, Feuer gemacht, geangelt, und wer die sensiblen Uferbereiche nicht vom Wasser aus stört, der latscht samt Hund vom Land her durch das Gehölz. Die zaghaften Warnhinweise des Amtes für Umweltschutz werden einfach ignoriert.

135 Verstöße gegen die Allgemeinverfügung wurden 2016 verhängt. Aber das löst das Problem nicht, stellt auch die Landesdirektion fest. Gerade an Tagen, an denen der Floßgraben besonders frequentiert werde, brauche es andere, bessere Regelungen, um der Allgemeinverfügung Gültigkeit zu verschaffen. Einen Vorschlag hat sie freilich noch nicht vorgelegt.

Sie hat nur angekündigt, dass man jetzt von der Leipziger Umweltbehörde zumindest die endlich vorzulegende naturschutzfachliche Verträglichkeitsprüfung erwarte, auf deren Grundlage dann die Stadt die Genehmigungen für die Bootsverleiher erteilen will. Denn bislang hat sie die Nutzung der Auenwaldgewässer durch die Leipziger Bootsverleiher immer nur geduldet. Und zwar ohne dass es wirklich ein Gutachten gibt, das die Verträglichkeit der starken Bootsnutzung im südlichen Auenwald untersucht hat.

Um noch einmal aus § 34 des Bundesnaturschutzgesetzes zu zitieren: „Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig.“

Einzig ausgenommen von dieser Erlaubnispflicht sind die ganz normalen Bootsnutzungen im Allgemeingebrauch: Paddeln und Rudern darf man hier mit seinem eigenen Boot – wenn man die Regeln der Allgemeinverfügung beachtet. Man darf das Revier des Eisvogels erleben – aber man darf es nicht kaputt machen.

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Es gibt 3 Kommentare

Und: Der offensichtlich rechtswidrige Zustand ist bekannt. Amtsbekannt sozusagen.
Somit passiert jetzt was?
Blöde Frage!
Es passiert nichts.
Es sei denn, die Naturschutzverbände werden aktiv. Damit der Mob wieder ein klarer Feindbild hat….

Es gibt hier keinerlei Grauzone.
Klar, deutlich und eindeutig hat der Gesetzgeber schon vor Jahrzehnten festgestellt, daß die erlaubnisfreie Nutzung und damit das gesetzliche Leitbild der Gemeingebrauch ist. Baden, paddeln, tränken. Nichts Anderes.
Alles andere ist per se verboten.
(Es kann erlaubt, gestattet werden, wenn es ausnahmsweise übergeordnete Gründe gibt. Die Hürden hierfür sind sehr hoch. Gründe liegen im volkswirtschaftlichen Interesse. Einen Anspruch auf Erteilung einer solchen Ausnahme gibt es nicht. Wenn es früher diese Gründe und somit Ausnahme(!)genehmigungen gab, die heute weggefallen sind, ist ein natürlicher Zustand wieder herzustellen.)

Politik und Verwaltung nehmen schwarze Farbe und versuchen aus dem unschuldigen “Weiß” des Gesetzes ein schmutziges “Grau” ihres Handelns zu machen, um ihre Naturverwertungsorgie zu verschleiern. Die darüber hinaus Hunderte Millionen € kostet. Mehr als der City-Tunnel. Ubd an anderer Stelle fehlt.
Verwaltung und Politik versuchen, im Auge des Betrachters einen Irrtum hervor zu rufen.

Es werden von der Verwaltung so viele Verbände, mit oder ohne Rechtsgrundlage (Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland), mit oder ohne Zweckbindung (Grüner Ring Leipzig) gegründet, die personell und über Kreuz verflochten sind, daß jegliche Zuständigkeit und somit auch Verantwortung verschleiert wird.

In der Hoffnung, es fiele dann nicht so auf, wenn der letzte Zipfel Natur geopfert und verwertet, “In Wert gesetzt” und von “Stör”stellen” befreit” wird – offenbar rechtswidrig. Dem Massenkonsum. Dem vorgegaukelt wird, er würde “Natur” nutzen. Völlig Gaga.
Natur kann man nicht nutzen. Jedenfalls nicht, ohne sie zu zerstören. Dann ist es dummerweise aber keine Natur mehr.
Natur kann man nur genießen. Mit Respekt und Rücksicht. Doch das bringt man nicht einmal mehr sich selbst entgegen. Weshalb dann so etwas “abstraktem”, wie Natur.
Es wird verwertet, verwurstet, verkauft.
Dem zu allem Überfluss noch ein scheindemokratisches Deckmäntelchen übergeholfen wird, das (vorwärts immer, rückwärts nimmer! ) “Charta 2030” genannt wird.

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