Der Platz wird rar in der wachsenden Stadt Leipzig. Zumindest wird das immer wieder so behauptet, was ein paar Fraktionen auch glauben. Und das Spiel mitspielen, das augenscheinlich derzeit Monopoly heißt: Königsstraße ist zwar nicht. Aber da gibt es noch jede Menge Grundstücke umzunutzen. Manchmal steht ja nur überflüssiges Grün drauf.

So wie am Alexis-Schumann-Platz in der Südvorstadt, einer der wenigen Wiesenflächen in diesem dicht bebauten Quartier, wo sich an Sonnentagen die jungen Menschen treffen. Einer der grünen Freiräume in der dicht bebauten Stadt, die das Umweltdezernat eigentlich bewahren möchte als Frischluftreservoire. Denn die richtig heißen Jahre kommen ja erst.

Aber mittlerweile hat sich die CDU-Fraktion als eifriger Sucher nach bebaubaren Freiflächen in Leipzig entpuppt – mal für Schulen, mal für Wohnungsbau, mal für Kitas.

Nun hat sie einen neuen Vorschlag eingereicht mit dem Titel „Flächenaktivierung für soziale Bauvorhaben“.

Beschlossen werden soll: „Die Stadtverwaltung prüft, welche bisher nicht bebaubaren Grün- und Freiflächen mit geringem ökologischen Wert und integrierter Lage für Bauvorhaben im Sozialbereich (Kitas, Schulen/Schulsporthallen usw.) aktiviert werden können. Bis Ende IV. Quartal 2017 wird der Ratsversammlung ein entsprechender Prüfbericht mit Vorschlag zum weiteren Verfahren vorgelegt.“

Das begründet die CDU-Fraktion so: „Leipzig wächst rasant, der daraus resultierende Neubaubedarf sowohl im Wohnungsbau als auch im Sozialbau ist hinlänglich bekannt. Der Nutzungsdruck auf bebaubare Grundstücke wächst stetig. Es ist daher an der Zeit, diesen Nutzungsdruck dahingehend abzumildern, dass auch Grundstücke für den Sozialbau aktiviert werden, die bisher (etwa wegen entsprechender Ausweisung im FNP) nicht bebaubar sind. Dabei geht es vor allem um Grünflächen mit geringem ökologischen Wert und sonstige Freiflächen, sowohl in städtischem als auch anderweitigem Eigentum. Ein gutes Beispiel für diese Flächenaktivierung war bereits der Bau der Kita Gohliser Straße. Diese Fläche war vor dem Krieg bebaut, ihr ökologischer Wert war gering, faktisch war es nur eine Hundewiese.“

Der Begriff „ökologischer Wert“ kam in dieser Form in der Leipziger Stadtpolitik noch nicht vor, zumindest nicht abwertend. Eher wird damit für gewöhnlich ein tatsächlicher besonderer ökologischer Wert benannt – etwa ein seltenes Biotop, eine Streuobstwiese, seltene Gehölzarten. Parkanlagen in der Stadt sind eher wertvoll, weil sich die Menschen hier erholen können, ein Spielplatz da ist und Freiraum für Kinder, die sich ja auf Leipzigs Straßen nicht mehr ohne Lebensgefahr frei bewegen können. Hier entstehen Frischluftzellen, wird das Quartier ein bisschen durchlüftet, hat wichtiger Baumbestand seinen Platz.

Da verblüfft schon, dass eine Fraktion so einen Platz für ökologisch geringwertig erklärt.

„Ein ähnlicher Fall wäre auch der Alexis-Schumann-Platz, eine Freifläche, die erst durch den Abriss der Ruinen der Andreaskirche 1958 entstand“, befindet die CDU-Fraktion. „Auch hier ist der ökologische Wert als gering einzuschätzen und abzuwägen mit dem Bedarf an neuen wohnortnahen Kitas in der Südvorstadt.“

Das stimmt nur zum Teil. Denn 1884 wurde die gesamte Grünfläche zwischen Kochstraße und Andreasstraße als Schmuckplatz gestaltet. Erst 1890 trennte man die beiden Platzhälften an der damaligen Südstraße (der heutigen Karl-Liebknecht-Straße). Aus dem westlichen Teil wurde der Heinrich-Schütz-Platz, auf dem östlichen Teil wurde die Andreaskirche gebaut, die freilich nur die Platzmitte einnahm. Ringsherum behielt der Platz seinen Schmuckplatzcharakter. 1931 erhielt er den Namen Alexis-Schumann-Platz nach dem ersten Pfarrer der Andreasgemeinde. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche von Bomben zerstört. Die Ruinen wurden dann 1958 abgerissen. Seitdem dominiert die Wiese den Platz.

Nach der EXPO in Hannover versuchte die Andreaskirchgemeinde den in seiner Walfischform berühmt gewordenen Ausstellungspavillon nach Leipzig zu bekommen. Aber das scheiterte daran, dass der Pavillon für das ehemalige Kirchengrundstück zu groß war. Das Projekt kam nicht zustande.

Man ahnt schon, dass der Vorschlag, diesen Platz zu bebauen, nicht nur in der Verwaltung für Kopfschütteln sorgen wird.

„Ein weiteres Beispiel“, so die CDU-Fraktion weiter, „wären die Flurstücke 471 und 473, Gemarkung Crottendorf, in der Adlershelmstraße. Auch diese Fläche wäre mit einer Kita bebaubar, und zwar in einer Form, bei der die vorhandenen Bäume größtenteils erhalten werden können und eine Kita so aufwerten würden. Auch hier ist eine zentrale Lage mitten im Wohngebiet zu konstatieren. Vor diesem Hintergrund gehen wir davon aus, dass eine systematische und ergebnisoffene Prüfung genügend Flächenpotenziale an den Tag bringen wird und die zunehmend angespannte Grundstückssituation für den Sozialbau spürbar entspannt werden kann.“

Ob die Flächensituation der Stadt tatsächlich so angespannt ist, wie immer wieder behauptet, ist völlig unsicher. Anfragen im Stadtrat zu vorhandenen Flächen werden in der Regel ausweichend beantwortet. Und die stetigen Beschwichtigungen, wenn es um Flächen wie am Wilhelm-Leuschner-Platz oder am Matthäikirchhof geht, deuten eher darauf hin, dass die Verwaltung überhaupt keinen Plan hat, was an Bedarfen und an Reserven für soziale Bauprojekte bei der Stadt existiert. Und entsprechend „aus dem Bauch heraus“ wird dann zumeist reagiert. Irgendwie fehlt es auch in diesem Fall an einem Plan.

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