Das Projekt „Lebendige Luppe“ leidet genau unter dem Problem, das eigentlich durch das Projekt gelöst werden soll: Es fehlt ihm an Wasser. Wie bekommt man regelmäßig Wasser in die Burgaue, wenn man das Hochwasserschutzkonzept nicht verändern will? Wenn man einen Zulauf bauen will, muss man jetzt in die Planung gehen, damit 2018 losgebaut werden kann – sonst verfallen die Fördergelder. Eine fatale Eile.

Noch im Februar konnte NuKLa-Vorsitzender Wolfgang Stoiber zu Recht kritisieren, dass es für die Wasserzufuhr ganz augenscheinlich keine Lösung gibt. Jetzt hat die Leitung des Projekts „Lebendige Luppe“ die neueste Rundbrief-Versendung genutzt, um zu erläutern, wie man sich das künftige Wasserregime vorstellt.

Dass man dabei auf die Infrastrukturen im Gebiet (Straßen und Brücken) und den Hochwasserschutz (Deiche und Auslasswerk) Rücksicht nehmen müsse, hat man ja immer wieder betont. Auch „das Integrierte Gewässerkonzept und die zukünftige Abwasserbehandlung der wachsenden Stadt Leipzig“ würden eine Rolle spielen, betont man.

Vor lauter Rahmensetzungen wundert man sich, dass überhaupt noch ein Schlupfloch übrig blieb.

Aber der Rundbrief täuscht. Man hat es sich selbst erst zu kompliziert gemacht, weil niemand in Leipzigs Verwaltungsspitze den Mumm gehabt hat, mit Bund und Land über eine wirkliche Renaturierung der Nordwestaue zu sprechen.

Denkverbote aber führen zu Projekten, die immer teurer werden, das eigentliche Problem aber nicht lösen. Da redet man dann von einer „anspruchsvollen Aufgabe“. Gemeint ist die (nun schon jahrelange) „Suche nach dem Speisungspunkt der Lebendigen Luppe, also dem Beginn des neuen Flusses“. Wenn es denn so etwas wie ein Fluss wird.

Im Rundbrief heißt es dazu: „Im näheren Untersuchungsfokus standen die Nahle und die Kleine Luppe. Aufgrund der besseren Gewässergüte und der günstigen hydrographischen Gegebenheiten (nutzbarer Anteil des Wasserdargebots) stellte sich die Kleine Luppe als am besten geeigneter Wasserlieferant für Niedrig- bis Mittelwasser heraus. Die Kleine Luppe ‚entspringt‘ nicht, wie die anderen drei Hauptflüsse der Nordwestaue (Nahle, Neue Luppe, Untere Weiße Elster) dem Elsterbecken, sondern wird schon vor dem Palmgartenwehr aus der Stadtelster ausgeleitet und führt somit das qualitativ hochwertige Wasser der Weißen Elster.“

Im Elsterbecken landet nämlich auch das Wasser der Pleiße, die unter anderem mit Eisenoxiden aus den alten Bergbauhalden im Südraum belastet ist. Und in die Neue Luppe fließt auch noch das Wasser aus dem Klärwerk Rosental.

Eine Zeitlang hat man ja auch überlegt, das Wasser direkt aus der Nahle zu nehmen. Man hatte dazu mit der Landestalsperrenverwaltung über die Erhöhung der Gewässersohle durch künstliche Hindernisse reden wollen. Und die spielt augenscheinlich nicht mit.

„Da sich die Nahle im Vergleich zur Umgebung tief im Gelände befindet, kann die Ausbindung der Lebendigen Luppe für Niedrig-, Mittel- und Hochwasser nicht kombiniert aus der Nahle erfolgen. Eine dauerhafte Sohlerhöhung stellte sich als unrealisierbar heraus, da es durch eine damit verbundene höhere Wasserspiegellage der Nahle/Kleinen Luppe zu einem unkontrollierbaren Rückstau in die Kanalisation (ein Kanal der Leipziger Wasserwerke befindet sich unmittelbar an der Kleinen Luppe) und in die Siedlungsbereiche sowie zu negativen Auswirkungen auf die Hochwasserschutzanlagen kommen würde.“

Idee vom Tisch. Und vor allem ein Problem ist nun wieder auf Dauer verfestigt: der tiefe Einschnitt von Nahle und Neuer Luppe tief ins Gelände, was dazu führt, dass diese Kanaleinschnitte wie Trichter dafür sorgen, dass das Wasser aus den angrenzenden Auwaldbereichen immerfort in diesen Trichter abläuft und der Wasserspiegel dauerhaft abgesenkt bleibt.

Und warum liegt der Auslass des Klärwerks so tief? Das geklärte Abwasser soll nicht direkt in die Weiße Elster fließen, sondern erst einmal in die Neue Luppe, die dann später in die Weiße Elster mündet. Eine ganz verzwickte Kiste also.

Was der Rundbrief dann so beschreibt: „Die Ursache dafür liegt in der Tiefenlage der Gewässerbetten und der darauf ausgerichteten Kanalisationsanbindungen, die sich durch die wasserwirtschaftliche und städtische Entwicklung der letzten 100 bis 150 Jahre etablierten sowie in den Randbedingungen in Bezug auf die Funktionsfähigkeit der Hochwasserschutzanlagen (z. B. Partheüberleitung).“

Von der Partheüberleitung hat man auch lange nichts gehört. Die soll eigentlich eine Direktverbindung von der Mündung der Parthe in die Weiße Elster gleich hinüber zur Neuen Luppe schaffen. Aber auch dafür hat man noch keine Lösung gefunden.

Nun will man mit zwei Zuflüssen doch noch irgendwie Wasser in die Burgaue bekommen: „Die Lebendige Luppe wird – im Gegensatz zu einer ursprünglich Hoch-, Niedrig- und Mittelwasser kombinierenden Lösung – zwei ‚Quellen‘ bekommen. Einen Auslass für den Niedrig- und Mittelwasserfall an der Kleinen Luppe und einen für den Hochwasserfall an der Nahle.“

Denn wenn man einen Teil der Kleinen Luppe anstaut, hat das erst einmal keine Auswirkungen auf die Neue Luppe und den Abfluss des Klärwerks Rosental. Durch ein Wehr an der Kleinen Luppe sollen dann kleinere Hochwasserereignisse angestaut und abgeleitet werden – aber noch nicht in die Aue. Was dann aber das nächste Problem auf die Agenda bringt. Denn wenn hier ein „Flüsschen“ abzweigen soll, muss es die beiden Eisenbahnstrecken irgendwie unterqueren – und zwar nicht in einer engen Röhre, sonst macht ja Hochwasserzufluss keinen Sinn.

„Eine unterirdische Querung der Bahnstrecken ist in Bezug auf die ökologische Durchgängigkeit, einen naturnahen Wasserbau und die EU-Wasserrahmenrichtlinie nicht möglich“, stellt die Projektleitung denn auch fest. Eine der Bahntrassen ist die Strecke am Heuweg, die sich kurz hinter dem Zusammenfluss von Kleiner Luppe und Nahle befindet. Die Züge fahren hier auf einem aufgeschütteten Damm. Wo soll dann noch ein Flüsschen durchkommen?

 

Tief eingeschnitten in den Untergrund: Neue Luppe links, Nahle rechts. Archivfoto: Ralf Julke
Tief eingeschnitten in den Untergrund: Neue Luppe links, Nahle rechts. Archivfoto: Ralf Julke

Gar nicht. Denn in die Vorplanungen für den Neubau der Strecke, der 2018 beginnen soll, hat die Bahn so einen Wasserdurchlass gar nicht aufgenommen.

Also fließt das abgezweigte Flüsschen auch noch nicht durch den Auwald, sondern bleibt erst einmal parallel „im Deichvorland der Kleinen Luppe, später der Nahle (…), so dass die Eisenbahnbrücke am Heuweg zur Unterführung genutzt werden kann.“

Und auch bei der nächsten Eisenbahnbrücke am Leutzscher Holz bleibt man noch „im Vorland“ und unterquert die Brücke als offenes Gewässer – in diesem Fall will man einen vorhandenen Wirtschaftsweg für den neuen Verlauf des Bypass-Flüsschens nutzen.

Der Rundbrief verweist auf die Frage-Seite des Projekts Lebendige Luppe, wo mittlerweile etliche Details und ungeklärte Probleme des Projekts erörtert werden. Da wird denn auch erwähnt, dass man mit den Umweltverbänden sehr wohl über eine Verlegung des Mischwasserauslasses vom Klärwerk Rosental diskutiert. Genau an diesem Punkt wird nämlich deutlich, dass man das Projekt „Lebendige Luppe“ eben nicht ganzheitlich für die Nordwestaue gedacht hat. Jeder hat in diesem Gebiet allein für sein Ressort vor sich hin geplant. Das Ergebnis sind dann „Rahmenbedingungen“, die zu lauter Verrenkungen führen, aber nicht wirklich zu einer nachhaltigen Bewässerung der Nordwestaue.

Und am Ende diskutiert man über Wasserkontingente, die nur deshalb knapp sind, weil das Wasser in tief eingeschnittenen Kanälen mit hohem Tempo durch die Aue rauscht: „Es darf nicht vernachlässigt werden, dass im Gewässernetz nur ein bestimmtes Wasserkontingent zur Verfügung steht, welches auf die unterschiedlichen Fließgewässer der Stadt aufgeteilt und von verschiedenen Nutzern in Anspruch genommen wird.“

Der zweite Auslass für etwas größere Hochwasser soll dann in der Nähe des Nahleauslasswerkes entstehen. Und damit das Wasser aus der tief liegenden Nahle hinaufkommt aufs Niveau der Burgaue, soll auch hier ein kleines Sperrwerk dafür sorgen, dass sich der Wasserspiegel etwas anhebt.

Der Rundbrief zum Projekt Lebendige Luppe.

Die neue LZ Ausgabe Juni 2017, ist seit Freitag, 16. Juni 2017 im Handel

Die Leipziger Zeitung Nr. 44: Über die Grenzen hinaus

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