Am 17. Juni wurden auch in Leipzig wieder die Opfer des 17. Juni 1953 gewürdigt. Mit einem kleinen Misston, der am Vortag in der Zeitung gestanden hatte. Da ging es um die Gedenkanlage für die Opfer des 17. Juni, die auf dem Südfriedhof liegt und endlich aufgewertet werden soll. Was auch die Frage einschließt, was aus der Prachtanlage für die Funktionäre der DDR-Zeit werden soll. Fehlte da nicht etwas?

Schon Tobias Hollitzer, Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“, stutzte, als er den Beitrag dazu in der LVZ las.

In seiner Rede am 17. Juni ging er darauf ein.

„Im Leipziger Stadtrat war im letzten Jahr ein Antrag zur ‚Würdigung der Opfer des 17. Juni 1953 im Bezirk Leipzig auf dem Südfriedhof‘ gestellt worden. Noch immer offen ist die darin neben dem früheren sozialistischen Ehrenhain geforderte ‚künstlerische Würdigung der Opfer der ersten Demokratiebewegung der DDR‘, wie es im Antrag heißt. Gestern war in der Zeitung zu lesen, dass die Stadt Leipzig stattdessen prüft, ob die Grablagen der SED-Funktionäre als Denkmal anzusehen und damit dauerhaft zu erhalten wären“, so Hollitzer.

Dafür liegt der Gedenkort für die Opfer des 17. Juni sehr abgelegen.

Tobias Hollitzer: „Der Gedenkort liegt leider völlig unscheinbar am äußersten Rande. Gleichzeitig findet sich an zentraler Stelle auf demselben Friedhof noch heute der ehemalige sozialistische Ehrenhain, in dem an SED-Funktionäre erinnert wird, darunter auch die ersten beiden Stasi-Chefs von Leipzig. Die Etablierung eines würdigen Gedenkortes für die Toten des Volksaufstandes ist gerade in Leipzig, der Stadt der Friedlichen Revolution, leider noch immer mehr als überfällig.“

Deshalb hatten die Fraktionen von CDU, SPD und Grünen und die beiden FDP-Stadträte Sven Morlock und René Hobusch im September ihren Antrag gestellt, diesen Zustand endlich zu ändern, Mittel für eine Aufwertung des Gedenkorts bereitzustellen und „eine künstlerische Würdigung der Opfer der ersten Demokratiebewegung der DDR“ in den Ehrenhain einzufügen.

Gut möglich, dass man vergessen hat, was der Stadtrat schon längst dazu beschlossen hat.

Denn der war einmal richtig tapfer und beschloss schon Anfang der 1990er Jahre, genauer: am 21. Oktober 1992, diesen Ehrenhain, an dem in DDR-Zeiten auch zahlreiche Appelle von Staat und Partei stattfanden, abtragen zu lassen. Dazu aber war Leipzigs Verwaltung schon damals schwer zu bewegen. Erst nach aufsehenerregenden Artikeln in „Die Zeit“ und „Die Welt“ im Jahr 1995 wurden wenigstens die Namenswand und der Appellplatz abgebaut. Die Gräber der Funktionäre aber blieben an gleicher Stelle.

Und Roland Mey, damals Stadtrat der SPD, hat so eine arge Vermutung, dass hier die ganze Zeit auf Zeit gespielt wurde und der Ehrenhain jetzt sogar zum Denkmal erhoben werden soll, womit ein eigentlich unaushaltbarer Zustand für alle Zeiten manifest gemacht werden soll.

Das, so Roland Mey, wäre dann wohl eine „politische Blamage“.

Dass sich die Allee für ein wirklich kluges historisches Gedächtnis der Stadt eignet, liegt nahe. Kurz vorm Krematorium beschließen ja die Gräber der 1945 ermordeten Häftlinge aus Abtnaundorf die Reihe. Daran braucht niemand zu rütteln. Ein Denkmal für die Opfer von 1953 würde das Gedächtnis erweitern.

Aber die nach wie vor existierende Reihe der SED-Ehrengräber wirft mehr als nur Fragen auf. Auch nach der Sonderrolle, die diesen Gräbern nun zugestanden wird.

Dass der ursprüngliche Stadtratsbeschluss nur zaghaft umgesetzt wurde, ist für Roland Mey nicht nachvollziehbar.

Da hilft dann auch keine Erklärungstafel.

Der Antrag zur „Würdigung der Opfer des 17. Juni 1953 im Bezirk Leipzig auf dem Südfriedhof“.

Die neue LZ Ausgabe Juni 2017 ist seit Freitag, 16. Juni 2017, im Handel

Die Leipziger Zeitung Nr. 44: Über die Grenzen hinaus

 

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