Eine Straße wiederbeleben ist ein bisschen wie Zeitung machen. Am Ende muss es fließen, braucht es markante Geschichte, unverwechselbare Eindrücke und ein paar hübsche Stellen zum Verweilen. An letzteren fehlt es auf der Georg-Schumann-Straße ganz augenscheinlich. So könnte man das Ergebnis eines Real-Labors Leipziger Studierender auf den Punkt bringen.

Denn das, was Städteplaner und Magistralenmanager tagtäglich tun, das wird auch in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen an zwei Leipziger Hochschulen gelehrt: der Universität Leipzig und der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK).

Und beide haben sich in dieser Woche, am Mittwoch, 21. Juni, zusammengetan, um die Georg-Schumann-Straße im Leipzger Norden einmal zum realen Laborraum zu machen.

Die Fragestellung: Wie kann sich die Georg-Schumann-Straße positiv verändern?

Mit dieser Fragestellung beschäftigte sich der Aktionstag „Real.Labor“ am Donnerstag, 21. Juni, entlang der gesamten Georg-Schumann-Straße im Leipziger Norden. Fast 90 Studenten der Fachrichtungen BWL, Wirtschaftspädagogik, Sozialwissenschaften und Architektur stellten im Rahmen eines innovativen Kooperationsprojektes zwischen der Universität Leipzig, HTWK und der Stadt Leipzig ihre Ideen und Konzepte für die nachhaltige Weiterentwicklung von Leipzigs längster Magistrale vor.

Ein Konzept zur interaktiven Kartierung der Nachbarschaft am Möckernschen Markt wird vorgestellt, Foto: Alena Endres, ISB, Universität Leipzig
Ein Konzept zur interaktiven Kartierung der Nachbarschaft am Möckernschen Markt wird vorgestellt, Foto: Alena Endres, ISB, Universität Leipzig

So präsentierten am Möckernschen Markt zwei Gruppen Projekte zur Kartierung interessanter Orte des Viertels. Auch nannten sie Verbesserungsvorschläge, wie Hochbeete oder sprechende Mülleimer, welche den Markt aufwerten können. Denn die Platzgestaltung des Möckernschen Marktes stammt aus einer klassischen Landschaftsplanung. Der Platz wurde architektonisch gestaltet – aber an Möglichkeiten der Anwohner, sich aktiv in die Platzgestaltung einzubringen, wurde nicht gedacht. Logisch, dass viele Leipziger solcherart gestaltete Stadträume nicht als ihre ansehen, sondern als künstliche Räume, in denen wenig bis nichts einlädt, sich dort aufzuhalten.

Die Wiederbelebung leer stehender Gebäude an der langen Magistrale wurde mit unterschiedlichen Nutzungskonzepten thematisiert. Es gibt tatsächlich noch solche Gebäude an der Georg-Schumann-Straße. Der Hauptgrund dafür, dass es so ist, sind in der Regel verhärtete Besitzverhältnisse und keine Möglichkeit von Menschen, die kreative Wohnideen haben, hier in irgendeiner Weise aktiv zu werden.

Dabei gäbe es jede Menge Ideen, die die (Wieder-)Belebung der Georg-Schumann-Straße schon viel früher in Gang hätten setzen können.

So wurden von den Studierenden architektonische Lösungen für Soziales Wohnen, Senioren-WGs und einen Co-Working Space ausgearbeitet. Immerhin alles Ideen, die von mutigen Hausbesitzern auch jetzt noch umgesetzt werden können und lebendige Punkte an der Straße setzen könnten.

Auf Höhe der Gohlis-Arkaden verschönerten Blumenkästen und Sitzelemente die breite Magistrale. Außerdem zeigte eine Schilderlandschaft die Ergebnisse einer Umfrage zum Thema Einzelhandel auf der Georg-Schumann-Straße. Gerade dieses Straßenstück bietet kaum Aufenthaltsqualität. Dafür wird es gern von hochmotorisierten Leipzigern zum rasanten Beschleunigen benutzt. PS-Zahl geht in der Regel mit Eitelkeit einher. Nur die Straße wird dadurch nicht lebenswerter.

Großer Anziehungspunkt war der Fashion-Pop-Up-Store, in dem Leipziger Modelabels bei DJ-Musik ihre Ware vorstellen und verkaufen konnten, teilt das Institut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft (ISB) der Uni Leipzig mit, das für den Labor-Tag die Öffentlichkeitsarbeit übernommen hat.

Am Ende, so betont Alena Endres, war der Tag ein echter Erfolg: Der erfolgreiche Projekttag wurde mit einem sportlichen und kulturellen Abend-Event auf dem Huygensplatz beendet. Mit einer selbst gebauten Boule-Bahn sowie symbolischen Aufstellern stellten Studierende Ideen zur Aufwertung des Platzes vor. Besonders die anschließenden Lichtspiele der neunten, und damit letzten Studenten-Gruppe, zogen bei kulinarischer Verpflegung durch das Café HomeLE zahlreiches Publikum an. Bei Band-Auftritten, Kunstvorträgen und Kerzenschein genossen die Besucher ihr Feierabendbier.

Die leitenden Dozenten Dr. Tanja Korzer der Universität Leipzig und Prof. Dr. Scherzer-Heidenberger der HTWK waren sehr zufrieden mit den innerhalb von acht Wochen erarbeiteten Ideen der Studierenden.

„Es ist beeindruckend, welche kreativen und auch realistisch umsetzbaren Konzepte die Gruppen in einer solch kurzen Zeit auf die Beine gestellt haben“, so Scherzer-Heidenberger. Und noch eine gar nicht beiläufige Einschätzung: Positive Resonanz gab es auch von den Anwohnern der Georg-Schumann-Straße, die sich gefreut haben, dass „endlich mal etwas los ist“ und auch junge Menschen in das Stadtviertel kamen. Was aber wohl eher daran lag, dass ältere Bewohner der angrenzenden Quartiere eher Zeit hatten, ab 14 Uhr, als das Labor-Projekt begann, auch mal stehen zu bleiben und zu plauschen. An jungen Leuten fehlt es an der Georg-Schumann-Straße ganz bestimmt nicht. Der Sozialbürgermeister kann ein Lied davon singen, denn hier fehlen jede Menge Kita- und Schulplätze.

Nur dominiert hier nicht – wie etwa in Lindenau oder Reudnitz – die studentische Jugend, sondern es sind die jungen, schon im Erwerbsleben stehenden Familien. Auch das müsste bei einer Auswertung der Georg-Schumann-Straße zwingend bedacht werden.

Aber die Anwohner, die sich zu Wort meldeten, baten darum, diese Projekte nachhaltig weiterzuführen, um die Georg-Schumann-Straße auch in Zukunft lebendiger zu gestalten. Eigentlich auch ein Signal dafür, dass hier noch einiges zu tun ist, um aus der einst wirklich trostlosen Bundesstraße eine Straße mit Aufenthaltsqualitäten zu machen.

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Die grundlegende Problematik der Schumi im Vergleich zu anderen “Magistralen” wie Karli oder Eisenbahnstraße, ist ihre unverhältnismäßige Breite im Vergleich zu den schmalen Fußwegen, sowie auf weiten Strecken das Fehlen von Bäumen. Da will man einfach nur schnell durch oder wieder weg. da ist auch kein Platz für Freisitze o. ä. Und weil wegen der mangelnden Aufenthaltsqualität kaum Leute da langflanieren, siedeln sich auch kaum Geschäfte, Cafes etc. an, was wiederum keinen Anreiz schafft, die Schumi zu besuchen. Man muss den gordischen Knoten durchschlagen und zum Beispiel die Fußwege vrebreitern und Bäume anpflanzen. Als Verkehrsmagistrale ist die Schumi – zumindest für Autos – sowieso nicht mehr gedacht (siehe Nordtangente). Aber auf Grund des 4spurigen Ausbaus zieht sie immer noch viel zu viele Autos an. Stattdessen sollte sie für Fußgänger und Radfahrer attraktiver werden, dann stellt sich auch ein ganz anderes “Klima” ein…

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