Eigentlich von Beginn an stand bei den montäglichen Mahnwachen in Leipzig die Frage im Raum, inwieweit diese aus Berlin zentral gesteuert seien oder unabhängige Veranstaltungen mit teils regionalen, lokalen Bezügen. Die Redebeiträge der vergangenen Wochen drehten sich zunehmend um Lösungen vor Ort, um konkrete Änderungen im eigenen Umfeld und Frieden in der Ukraine. Die Selbstvermarkter wie Compact-Herausgeber Jürgen Elsässer, Andreas Popp und längst auch Lars Mährholz schienen fern. Einzig Ken Jebsen tauchte von sich aus auf und debattierte nahezu ausschließlich mit der anwesenden AntiFa über seine Person. Nun beginnt sich die Bewegung in Leipzig zu spalten.

Den eigentlichen Konflikt gibt es bereits länger. Bereits mit den ersten Mahnwachen in Leipzig wurde klar, dass sich hier neben weitgehend unbekannten Rednern auch attac-Mitglieder, Mitglieder des Friedensweg e.V. bis hin zu Ostermarschteilnehmern und Vertretern von Flüchtlingsrat und anderen Leipziger Organisationen engagieren würden. Die Rufe der Gegner wurden leiser, irgendwie sah das nun gar nicht nach der teils herbeiphantasierten Unterwanderung von Rechtsesoterikern und Reichsbürgern aus.

Auch die Bandbreite der empfohlenen Medien seitens der Macher wuchs, so dass beim kritischen Blick auf die Welt auch Webportale wie die “Nachdenkseiten” einbezogen wurden – es wurden also auch kritische Medien in breiterer Front, als immer nur die der vorgeblichen Besitzer der alleinigen Wahrheit, wie KenFM oder Elsässers Compact-Magazin wahrgenommen. Ein Schneeberger Funktionär der sächsischen NPD wurde auf einer Demonstration durch die uneingeladen anwesende AntiFa erkannt und zum Gehen bewegt.

Nun geistert seit dem 2. Juni ein Aufruf zu einer weiteren Veranstaltung auf Facebook herum, in welchem zu einer Teilnahme am Sonntag, den 15. Juni ab etwa 15, 15:30 Uhr geworben wird. Die Ansage dazu lautet, ab dann jeden Sonntag. Alles sei angemeldet, versichern die Macher, man würde das durchziehen. Der Aufruf dockt an die Montagswachen an und nennt sich im Beinamen “Sonntagsausflug”. Scheinbarer Zufall dabei – Lars Mährholz wird erstmals in Leipzig als Redner aufgeboten, von Überraschungen wird orakelt. Ein Blick, eine Seite weiter zeigt sich dann das eigentliche Problem mit den Sonntagsausflüglern.

Die offizielle Facebookseite der Montagsmahnwache wirbt nicht für das Zusammenkommen am Sonntag, kein Hinweis auf die angebliche Veranstaltung der Montagsdemonstranten, die hier einen Tag früher vor der Oper auftreten wollen. Ganz einverstanden ist man jedenfalls mit dieser Aktion nicht – die Ziele der Sonntagsausflügler scheinen nicht mehr mit denen der Leipziger Montagsmahnwache überein zu stimmen. Die Gruppe ist mit angeblich rund 80 Teilnehmern noch sichtbar klein, doch erhält umgehende Unterstützung aus Berlin. Doch schon jetzt wird dort von anderen von einer Abspaltung und damit der Vernichtung des gemeinsamen Weges gesprochen.

Erste Anzeichen einer Auseinandersetzung um die eigentliche Hoheit bei den meist noch dezentral agierenden Mahnwachen war in Leipzig hinter den Kulissen bereits seit etwa zwei Wochen zu beobachten. Immer öfter scheinen die Berliner Macher in die Entwicklungen vor Ort eingreifen zu wollen und versuchen, diese in ihrem Interesse zu beeinflussen. Mindestens ein Telefonat zwischen den Leipziger Veranstaltern und Lars Mährholz gab es laut L-IZ-Informationen, in welchem Mährholz verlangte, die Mahnwache müsse sich nunmehr von Links distanzieren, nachdem man dies deutlich gegen Rechtsradikalismus getan habe.

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Offenkundig gefällt es nicht allen Friedensdemonstranten, wenn die AntiFa in Leipzig eher als stille Beobachter am Rande agieren und ein sehr genaues Auge darauf werfen, ob nicht doch rechtsradikale Tendenzen erkennbar werden.

Beleg für die These der leisen Beeinflussung im Sinne einer Dominanz an den Verläufen der Demonstration durch die Berliner, dass mit Dieter Dehm am 9. Juni ein Bundestagsabgeordneter der Linkspartei einen Auftritt auf der dortigen Mahnwache absolvierte und ein paar Lieder sang. Und man dennoch versucht, in Leipzig die Entwicklung zu beeinflussen.

Weitere Mitglieder der Leipziger Organisation beklagten sich bereits vor einer Woche über das vermehrte Agitieren seitens stark von den Theorien Elsässers beeindruckten Teilnehmern auf den Mittwochstreffen, auf welchen die Leipziger Veranstaltung geplant und vorbereitet werden.

Einer, der sich bereits vor Tagen gegen die mitgebrachten Ideen beispielsweise einer neuen Verfassung und ähnlichen kruden Zielsetzungen auflehnte, schreibt, wo er die Zukunft der Montagsmahnwachen sieht: “Wer von den Demonstranten ist in das globale Netzwerk von Ökodörfern (Global Ecovillage Network) eingebunden oder lebt autark im Bauwagen? Wer ist an der quell-offenen Entwicklung von Wissen und Produkten (Open Source Ecology) beteiligt und treibt die Vernetzung voran? Wer von euch ernährt sich aus einem gemeinschaftlich organisierten Permakulturgarten? Das letzte was wir brauchen, ist eine neue Verfassung. Wir brauchen friedliche Anarchisten, keinen Anarchismus! Globale Impulse und lokale (Stadt)Projekte.”

Da ist offenbar jemand weiter bei den konkreten Handlungsansätzen, als der indifferente Mährholzsche Ruf “Gegen die Fed”. Der Rest wird wohl am Sonntag zu beobachten sein, wenn sich die Opposition der Opposition vor der Oper trifft. Fast schon ein Symbol vorab: Dann nicht mehr in der Tradition der Leipziger Montagsdemonstrationen. Die findet weiterhin Montag ab 18 Uhr an gleicher Stelle statt.

Zum Artikel vom 16. Juni 2014 auf L-IZ.de
Montagsdemo: Wenig Frieden auf dem Sonntagsausflug

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