Einstimmig stimmten die Leipziger Grünen in ihrer Mitgliederversammlung am Montag, 30. März, für die Einrichtung eines Willkommenszentrums für Geflüchtete und Migranten in Leipzig. Das heißt zwar noch nicht, dass es sofort gebaut wird. Jetzt müsste die Grünen-Fraktion im Stadtrat das Anliegen übernehmen und einen entsprechenden Antrag schreiben. Aber gebraucht wird es dringend.

Christin Melcher, Vorstandssprecherin der Leipziger Grünen, zu diesem Beschluss: “Wir stehen für eine echte Willkommenskultur. Immer mehr Menschen kommen nach Leipzig und suchen Zuflucht. Die Arbeit, die der Flüchtlingsrat und die vielen ehrenamtlichen Initiativen in Leipzig leisten, müssen vernetzt und koordiniert werden, damit die Hilfe da ankommt, wo sie gebraucht wird.”

Der am 25. Februar durch den Stadtrat beschlossene Runde Tisch “Asylunterbringung” soll im Vorfeld der Einrichtung eines Willkommenszentrums eine Bedarfs- und Handlungsanalyse erarbeiten, fordert der jetzt von der Grünen-Versammlung verabschiedete Antrag. Das Willkommenszentrum soll dabei als Schnittstelle zwischen Verwaltung, Politik, Migrantenbeirat, Initiativen, BürgerInnen und Zufluchtsuchenden dienen, die in der Erarbeitung mit einbezogen werden sollen.

“Wie viele andere Kommunen steht auch Leipzig vor der Herausforderung, für Zufluchtsuchende und Ankommende Unterbringung sicherzustellen, aber auch soziale und integrative Rahmenbedingungen zu schaffen. Nur dann können sich Menschen, die aus Not und Flucht zu uns kommen, willkommen fühlen in unserer Stadt”, kommentiert Melcher das Anliegen. Denn die sozialen Konflikte für Asylbewerber und ihre Umgebung beginnen in der Regel dann, wenn die Betroffenen von ihrer Gastgesellschaft isoliert sind und keine Gelegenheit zur Integration und Kommunikation haben.

Enorme Defizite sieht Melcher beispielsweise in der Sozialberatung: Für alle Zufluchtsuchenden, die dezentral untergebracht werden, stünden in Leipzig ganze vier SozialberaterInnen zur Verfügung. „Das reicht hinten und vorne nicht. Wir brauchen funktionierende finanzielle und strukturelle Rahmenbedingungen. Nur so können wir auch den vielen Ehrenamtlichen die notwendige Unterstützung geben. Statt bloßer Verwaltung von Asylsuchenden und Migrant_innen fordern wir die Vernetzung, Kooperation und Kommunikation zwischen allen Akteuren der Asyl- und Zuwanderungspolitik.”

“Eine verantwortungsvolle Willkommenskultur beginnt mit der Vernetzung der verschiedenen Akteure und Nutzer_innen”, stellen die Grünen nun fest. “Das Willkommenszentrum kann ein wesentlicher Baustein für die Vernetzungsleistung und der erste zentrale Anlaufpunkt für alle Aktiven sein. Ein Klein-Klein hilft nur bedingt und führt dazu, dass die Hilfe nicht da ankommt, wo sie gebraucht wird. Ehrenamt braucht einen professionellen Unterbau, der vernetzt und koordiniert. Beispielsweise wäre eine Koordination von Spenden zielführend. Viele Menschen zeigen sich gerade in diesen Tagen hilfsbereit, wissen aber nicht, an wen sie sich wenden sollen oder ob ihre Hilfe gebraucht wird. Ein Willkommenszentrum kann hier Abhilfe schaffen. Gleiches Defizit zeigt sich bei der Koordinierung von Sprachmittlern oder Sprachkursen; hier besteht Handlungsbedarf, allen Akteuren Möglichkeiten der Verständigung zur Verfügung zu stellen.”

Und eine solche zentrale Einrichtung könnte auch helfen, die Unfähigkeit von Ämtern und Behörden, miteinander und mit den Betroffenen zu kommunizieren, zu mindern.

Exemplarisch steht da auch für die Grünen der Fall der 18-jährigen Tschetschenin, die vor Weihnachten aus Leipzig abgeschoben wurde. Sie sprechen von einer Lücke in den Beratungsstrukturen für Asylsuchende. Die ist zwar vom sächsischen Abschiebeminister so gewollt. Aber das heißt ja nicht, dass eine Stadt wie Leipzig, die durchaus das Potenzial hat, Asylsuchende in ihre Gesellschaft einzubinden, hier nicht selbst auf humanitäre Weise tätig wird und Unterstützungsangebote unterstützt. Die Grünen: “Hier muss eine Willkommenskultur ansetzen. Neben den Beratungsangeboten in den Unterbringungen braucht es eine zentrale Anlaufstelle, die für alle, Migranten wie Asylsuchende, leicht und niedrigschwellig zugänglich und kommunizierbar ist. Dies betrifft nicht nur die Beratung rund um die Antragstellung und Bürokratie, dies betrifft auch die Vermittlung von psychologischen Beratungsangeboten, ärztlicher Versorgung, Sprachmittlern und einfach nur kulturellen Austausch. Hier muss ein Willkommenszentrum neben dem Angebot an professioneller und ehrenamtlicher Beratung auch Räumlichkeiten zur Verfügung stellen.”

Oder mal so formuliert: Die Stadt hätte bei diesem Thema die Chance, einer ganzen beratungsunfähigen Regierung zu zeigen, dass man Gastfreundschaft auch leben kann. Aktiv und offen für Menschen, die in unserer Gesellschaft eine Chance suchen, ein selbstbestimmtes Leben zu leben.

Der Grünen-Beschluss zum Willkommenszentrum.

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