Eigentlich bekleckert sich die angeblich so weltoffene Stadt Leipzig nicht wirklich mit Ruhm. Wenn an den Pforten des Rathauses für durchaus berechtigte Anliegen demonstriert wird, zieht man sich in die Räume des Ratsaales zurück, anstatt einmal vor die Menge zu treten, um zu diskutieren. So empfanden es die Schüler, Lehrer und Elternvertreter der Max-Klinger-Schule am Mittwoch, den 8. Juli. Lautstark und bunt wurde hier für die Sanierung des maroden, letzten Gymnasiums in Grünau demonstriert. Einzig Burkhard Jung hatte für einen kurzen Wortwechsel Zeit.

Hat ein OB Jung etwa “Schiss” vor ein paar hundert Schülern? Manchmal möchte es so scheinen. Schließlich weihte er eine Stunde zuvor mal wieder ganz “staatstragend” eine sogenannte Mobilitätsstation ein. Sperriges Wort und dazu passendes Gedöns, wie Enthüllung via weißem Tuch, Büfett und so weiter. Da muten die Sorgen der Demonstranten vor dem Rathaus doch ganz anders an. Schließlich müssen Schüler und Lehrer des Max-Klinger-Gymnasiums schon seit Jahrzehnten in einem maroden Plattenbau Freude am Lernen entwickeln. Eigentlich bewundernswert, unter diesen Umständen. Nur, dass man davor bei Stadt, Land und Bund geflissentlich die Augen verschließt. Irgendwann ist dann das Vertrauen verloren, irgendwann ist es dann eben an der Zeit, auf die Straße zu gehen, um den Frust an die dicken Rathauswände zu schmettern.

Letztes Grünauer Gymnasium steht vor dem Verfall

Irgendwie ist es halt nicht wirklich zu erklären (von finanziellen Gründen mal ganz abgesehen), dass man dem letzten verbliebenen Gymnasium Grünaus eine Sanierung schlicht verweigert. Ein Stadtteil, der sich in den letzten Jahren zum Positiven entwickelt und eine erstaunliche Entwicklung hingelegt hat. Auch hier lässt es sich mittlerweile sicher und modern wohnen. Nur Kitas und Schulen scheinen da vom Entwicklungszug abgekoppelt worden zu sein. Wird hier nach dem Verfahren gehandelt: “Alle sind gleich, nur manche sind gleicher?” So ähnlich jedenfalls drückte es GEW-Vertreter Uwe Preuss vor den versammelten Demonstranten aus, als er darauf hinwies, das nur einen Kilometer vom Rathaus ein nagelneues Gymnasium aus dem Boden gestampft wird, in dem dann die Kinder der Südvorstadt zum Unterricht gehen könnten. Das rief heftige Buhrufe hervor. Mit seiner Rede erntete Uwe Preuss naturgemäß Erfolg.

Es ein Skandal, dass das einzig übrig gebliebene Gymnasium in einem solch miserablen Zustand ist, prangert Uwe Preuss an. Foto: Matthias Weidemann
Es ein Skandal, dass das einzig übrig gebliebene Gymnasium in einem solch miserablen Zustand ist, prangert Uwe Preuss an. Foto: Matthias Weidemann

Klientelpolitik der Stadt soll am Zustand Grünauer Schulen und Kitas schuld sein

Dabei ließ er an den Verantwortlichen so gut wie kein gutes Haar: “Die Stadt argumentiert damit, dass die Sanierung der MKS (Max Klinger Schule) teurer würde als ursprünglich geplant. Nun ist das in Deutschland ja so üblich. Aber es kann doch nicht sein, dass bei Altbauschulen die Turmuhren saniert werden, während die meisten Schulen in Grünau aussehen wie nach dem II. Weltkrieg. Oder liegt es vielleicht am Standort Grünau? Aber das wäre erst recht ein Skandal. Wir alle wissen genau, dass Grünau völlig zu unrecht einen schlechten Ruf genießt. Als angeblich sozialer Brennpunkt. Dann aber müssten Orte wie Grünau, in der die Jugend auf die berufliche Zukunft vorbereitet werden soll, in einem besonders guten Zustand sein. Ich finde, es wäre eine gute Entscheidung, dort ein komplett neues Gymnasium zu bauen, um zu zeigen: dieser Teil unserer Stadt ist uns diese Investition wert.”

Einmal in Rage, geriet die Rede zum Rundumschlag. Uwe Preuss weiter: “Von so was palavern unsere Politiker doch so gern. Aber sie investieren nicht in die Zukunft sondern in Klientels. Knapp einen Kilometer von hier entsteht ein nagelneues Gymnasium. Das ist für mich Klientelpolitik, dorthin gehen dann die Kinder der Südvorstadt, für Grünau reichen offenbar Plattenbauten. Vier Gymnasien gab es in Grünau. Drei davon sind Geschichte und ihr seid nach langem, zähem Kampf übriggeblieben. Schon deshalb ist es ein Skandal, dass das einzig übrig gebliebene Gymnasium in einem solch miserablen Zustand ist. Das gilt auch für alle anderen Grünauer Schulen, die fast alle in einem ähnlich bedauernswerten Zustand sind. Und deshalb solltet ihr euch, wenn sich nichts bewegt, bei euren nächsten Aktionen mit den anderen Betroffenen zusammentun. Immer mehr Menschen erkennen, dass man auch in Grünau modern und sicher wohnen und leben kann. Dazu gehören auch moderne Kindergärten und Schulen.”

Soviel Lehrer wie möglich einsparen – die Folgen sind jetzt zu spüren

Doch damit war bei Preuss noch lange nicht Schluss: “Seit 1990 schwanken die Schülerzahlen dramatisch. Das Kultusministerium rechnete damals immer mit den niedrigsten Quoten; dafür gab es nur einen einzigen Grund: Man wollte so viel wie möglich Lehrer einsparen. Die GEW hat immer davor gewarnt, am unteren Ende zu planen, und so wurden reihenweise Schulen in Sachsen und in Leipzig geschlossen. Heute sehen wir uns bestätigt, es gibt zu wenig Schulen in Leipzig und massenweise zu wenig Lehrer. Lange Zeit wurden in Leipzig notwendige Sanierungsmaßnahmen verschoben oder einfach verpennt. Und ihr seid eines der Opfer dieser kurzsichtigen Politik. Aber jetzt sind Leipzig, das Land Sachsen und der Bund in der Pflicht. Doch die Bundesregierung gibt jedes Jahr 25 Milliarden weniger für Bildungsinfrastruktur aus als vergleichbare Industrieländer. Die Folgen sehen wir ja nun.”

Dabei träfe es andere Kommunen nicht weniger hart. “Fairerweise muss man natürlich sagen, dass die aktuellen Entwicklungen die Kommunen finanziell stark in Bedrängnis bringen. Aber dass die Schulen in marodem Zustand sind, weiß man seit vielen Jahren. Hier wurde einfach geschlafen oder die Prioritäten falsch gesetzt. Ihr habt einen Anspruch auf gute Bildung. Und gute Bildung gibt es nur in gut eingerichteten, modernen und funktionierenden Schulen.” so der Gewerkschafter.

Alle sind schockiert über den Zustand des Gebäudes, stellt Marc Püschel, Schülersprecher am Max-Klinger-Gymnasium, fest. Foto: Matthias Weidemann
Alle sind schockiert über den Zustand des Gebäudes, stellt Marc Püschel, Schülersprecher am Max-Klinger-Gymnasium, fest. Foto: Matthias Weidemann

Dem schloss sich auch Marc Püschel an, Schülersprecher am Max-Klinger-Gymnasium, der mit der L-IZ über die Problematik sprach.

Herr Püschel, wie ist die Sicht aus Ihrer Lage?

Unsere Schule gibt es ja seit 1983, es gab vielleicht kleinste Bauveränderungen, aber der Zustand ist schon sehr bedenklich, geradezu dürftig. Die Veränderungen waren meiner Meinung nach nur ein Trostpflaster, um über den wahren Zustand der Schule hinwegzutäuschen. Aktionismus eben.

Was ist das für ein Gefühl, in so eine Schule zu kommen?

Also ich frage immer Leute, die zu uns kommen, wie sie unsere Schule finden. Die sind alle schockiert über den Zustand des Gebäudes. Viele Eltern und Lehrer sagen, dass das vor 20 oder 30 Jahren schon genauso ausgesehen habe. Bei uns bröckelt der Putz schon von der Decke. Trotzdem bin ich gerne in der Schule, was vielleicht auch daran liegt, dass ich schon lange im Schülerrat bin, dennoch bin ich vom Zustand tief enttäuscht.

Was erhoffen Sie sich von der Demo, glauben sie wirklich etwas bewegen zu können, dass etwas Konkretes geschieht?

Ich muss sagen, dass unsere Lehrer schon im Grünauer Stadtteilmagazin “Grün-As” gesagt haben, dass sie und die Schüler das Vertrauen in die Verwaltung verloren haben. Das Vertrauen ist immer noch nicht da, wir werden jetzt natürlich kämpfen, damit es eine Kernsanierung gibt. Uns ist auch klar, dass das nicht von heute auf morgen gehen kann. Die Stadt Leipzig hat kaum Geld und muss dies auch anderweitig investieren, dennoch ist unser Ziel die Kernsanierung des Objektes. Wir wollen ein klares Konzept, das vorsieht, dass die Schule nachhaltig und auf lange Zeit saniert wird.

Die Ratssitzung begann fast pünktlich um 14:05 Uhr. Wenigstens ein Schüler war in der Wandelhalle vor dem Saal dann doch noch kurz mit dem Oberbürgermeister ins Gespräch gekommen.

Ein Schüler der MKS erwischte den OBM noch vor dem Ratssaal, wo einige Schüler ausgeharrt hatten. Foto: L-IZ.de
Ein Schüler der MKS erwischte den OBM noch vor dem Ratssaal, wo einige Schüler ausgeharrt hatten. Foto: L-IZ.de

 Das Audio aus dem Stadtrat vom 8. Juli 2015 zum Nachhören

In der Ratsversammlung gab es dann im Rahmen der Bürgerfragestunde Ausführungen zu den Sanierungen an der Max Klinger Schule. Es fragte der Elternvorstand. Es antwortete Thomas Fabian, Sozialdezernent.

Die Fragen

Ist es zutreffend, dass die beiden Gebäude der Max-Klinger-Schule im Miltitzer Weg 4 bis 2020 nicht komplettsaniert werden?
Anmerkung: Eine energetische Sanierung ist keine Komplett-Sanierung.

Unterfrage 1: Laut Antwort auf Einwohneranfrage V/EF 258 soll die brandschutztechnische Ertüchtigung von Haus 2 bis 2020 abgeschlossen sein, laut Austausch- und Ergänzungsseiten Doppelhaushalt soll die energetische Sanierung Haus 2 bis 2019 abgeschlossen sein – ist es geplant, die Maßnahmen parallel laufen zu lassen oder haben sich betr. der brandschutztechnischen Ertüchtigung Haus 2 neue Erkenntnisse in Bezug auf die Zeitplanung ergeben?

Unterfrage 2: Wofür konkret werden im Jahr 2016 die Mittel in Höhe von 80.000 Euro unter dem Stichwort M.-Klinger-Schule H1 energ. Sanierung (A-065/15/16) eingesetzt – für die Erstellung eines Gutachtens oder wofür konkret?

Unterfrage 3: Ist es geplant, die Sanitäranlagen in der Turnhalle des Max-Klinger-Gymnasiums ebenfalls zu sanieren, wenn ja, wann?

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