Die Idee lag auf der Hand: Warum nicht die in der ganzen Republik verteilten Stolpersteine mal auf einer Karte sammeln und dann auch den Nutzern von Mobilfunkgeräten praktisch verfügbar machen? Sozusagen als Informationsangebot für unterwegs, sodass man sich direkt am Stolperstein kundig machen kann, an wen hier eigentlich erinnert wird.

Erstmals umgesetzt haben diese Idee die drei Leipziger Peter Nürnberger, Kim-Julian Becker und Alexander Prümm im Jahr 2013 – damals sind sie zunächst mit einer App für iOS und Android gestartet. Doch jetzt haben sie das Projekt neu aufgesetzt.

„Die jetzige Veröffentlichung soll die Biografien mehr Menschen zugänglich machen. Seit dem Start haben sich bereits 30 Stolperstein-Initiativen in ganz Deutschland beteiligt, die Biografien und Bilder zu über 2.200 Stolpersteinen bereitgestellt haben“, sagt Kim Becker

Ab sofort können die Leipziger Stolpersteine auf der neuen Website www.stolpersteine-guide.de angesehen werden. Neben ausführlichen Informationen zu den Personen hinter den Stolpersteinen gibt es auch viele Bilder und Audiobeiträge.

„Wir wollen so die Opfer des Nationalsozialismus wieder präsenter machen und die Auseinandersetzung mit dem Thema fördern“, sagt Becker.

Ansicht via Bildschirm und Smartphone-Display. Foto: Stolpersteine Guide Team
Ansicht via Bildschirm und Smartphone-Display. Foto: Stolpersteine Guide Team

Genutzt wird für die Website die Basis von OpenStreetMap – in diesem Fall in der grafischen Anmutung einer Karte aus den 1930er Jahren, auch wenn tatsächlich die geografischen Strukturen der Gegenwart zu sehen sind. Die verorteten Stolpersteine der 30 sich beteiligenden Initiativen sind mit kleinen, messinggelben Steinen markiert. Man kann sich wie gewohnt hineinzoomen in die Karte und die gelben Steinchen anklicken und bekommt dann die Informationen, die über die einzelnen Stolpersteine verfügbar sind. Das geht auch am PC, sodass man sich auf der großen Karte auch erst einmal orientieren kann. Denn gerade in den beteiligten Großstädten haben die Stolperstein-Initiativen vor Ort schon viele Namen und Schicksale gesammelt – der Einstieg über die Karte kann auch zur Stadt-Erkundungstour werden.

„Nimm deine Freunde, Schüler, Kollegen oder deine Familie mit und entdeckt zusammen die lokale Geschichte!“, fordern die drei Macher der Seite auf. Denn natürlich ist das Geschichte: Hier wird sichtbar, wer einst im eigenen oder im Nachbarhaus lebte, welcher Arbeit er nachging, wie die Kinder hießen und wo sie zur Schule gingen – und natürlich auch, wie die mit einer kleinen Biografie, oft auch Fotos gewürdigten Menschen in die Tötungsmaschinerie des NS-Regimes gerieten. Oft sind es nur wenige Meter bis zum nächsten Stolperstein – man kann sich also mit seinem Handy Stück für Stück durch die Stadt bewegen und bekommt so nach und nach ein Bild vom Leben in dieser Stadt, wie es bis 1933 war, als alle diese Menschen noch unbehelligt in der Nachbarschaft lebten – und wie es dann mit der „Machtergreifung“ der Nazis wurde, als sie Gesetz um Gesetz erließen, mit dem immer mehr Menschen entrechtet und die gnadenlose Willkür zum Instrument der Justiz gemacht wurde.

Und da das Stolperstein-Projekt auch in Leipzig weitergeht – die nächste Stolperstein-Verlegung ist am 7. Mai – wird auch diese Karte immer weiter ergänzt werden können. Und allein schon die vielzahl gelber Steinchen macht sichtbar, wie rabiat die Nazis das Leben vieler Menschen auslöschten. Die Karte macht aber auch deutlich, dass abseits der Großstädte ähnliche Stolperstein-Initiativen oft noch fehlen. Hier liegen große, scheinbar leere Räume – aber auch die müssten in Zukunft noch Stück für Stück gefüllt werden.

Die Erinnerung ist bitter nötig.

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