So richtig ist die Botschaft bei Leipzigs Veraltungsspitze noch nicht angekommen, was es eigentlich heißt, Mitglied im weltweiten Städtebündnis „Mayors for Peace“ zu sein. Das ist mit dem Raushängen einer Fahne nicht getan. Das nimmt von den Staatsmännern, die ihre Armeen mit Atomwaffen bestückt haben, keiner ernst. Das braucht deutlich mehr, kritisiert jetzt die Grünen-Fraktion den Leipziger OBM.

Seit Jahren dränge die Fraktion auf ein klares Bekenntnis der Stadt und seines Oberbürgermeisters innerhalb der Leipziger Mitgliedschaft im Städtebündnis „Mayors for peace“.

„Mit Anfragen im Stadtrat, Briefen und konkreten Vorschlägen engagieren wir uns hier seit Jahren“, meint Norman Volger, Vorsitzender der Grünen-Fraktion. „Obwohl Herr Jung persönlich und mit erkennbarem Engagement auf unsere kritischen Anfragen im Stadtrat reagierte, wird leider davon am ‚Tag der Wahrheit‘ kaum etwas spürbar sein. So wird wenigstens in diesem Jahr durch die Stadt Leipzig die Flagge am Samstag von 7:00 bis 21:30 Uhr vor dem Neuen Rathaus gehisst, allerdings ohne einen würdigen protokollarischen Rahmen, nicht einmal mit einem wahrnehmbaren Fototermin. Und das, obwohl die weltweite Bedrohung durch Atomwaffen durch die sich verändernden Kräfteverhältnisse in der Welt nicht kleiner, sondern eher sehr viel realer geworden ist.“

Wobei ein Fototermin nicht das Wichtigste ist. Eigentlich braucht es deutlichere Zeichen aus Leipzig, dass man von den Atommächten eine ehrliche Abrüstung fordert. Doch seit dem „Ende der Geschichte“ (F. Fukuyama) tun die großen Mächte so, als brauche man nicht mehr miteinander zu reden und etwas zu tun, den Frieden weltweit durch eine bessere Kooperation zu sichern. Man provoziert wieder fleißig – nicht nur in Nordkorea, auch in Syrien, in der Ukraine, über der Ostsee – augenblicklich sind überall Staatsmänner im Amt, die lieber weitere Billionen ausgeben wollen, um ihr Atomwaffenarsenal aufzustocken und zu erneuern.

Sie sind ohne viel Federlesens zurückgerutscht in ein Politikverständnis, das im 20. Jahrhundert mehrfach die Welt an den Rand eines Atomkriegs gebracht hat. Und fast vergessen scheint, dass es die großen Städte der Welt sind, die als erstes Ziel möglicher Atomwaffenangriffe anvisiert werden. Hiroshima und Nagasaki waren nur kleine Varianten dessen, was heutige Atomwaffen anrichten können.

Aber ein Umdenken in der Staatspolitik erreicht man nur, wenn man auf Städteebene wirklich aktiv wird. Manchmal hat man in Leipzig das Gefühl, die Mitgliedschaft in all den Bündnissen und Netzwerken hat nur rein  symbolischen Charakter. Man ist drin – und das war’s. Wenn es aber ans wirklich ernsthafte Umsetzen geht, fehlt der Wille.

„Man muss sich schon fragen, warum das konkrete Angebot gesellschaftlich engagierter Gruppen, eine kleine Gedenk- und Festveranstaltung zu organisieren, von der Stadtverwaltung nicht konstruktiv aufgegriffen wurde“, fragt Volger den OBM. „Hier hätte man neben den dortigen Initiatoren des Friedenszentrum Leipzig e. V., des Erich-Zeigner-Haus e. V. auch die Deutsch-Japanische Gesellschaft und sicher noch weitere Akteure der Zivilgesellschaft und interessierte Bürgerinnen und Bürger sehr gut und würdevoll mit einbinden können.“

Augenscheinlich hat der OBM vergessen, das Thema weiterzugeben, damit was draus gemacht wird. Oder so viel Aufmerksamkeit war nicht gewollt.

Beides wäre peinlich.

„Wo sind die von Herrn Jung angekündigten begleitenden Projekte und Aktionen z. B. von Jugendlichen zur Friedensarbeit? Sind diesen Ankündigungen überhaupt Taten gefolgt?“, fragt Volger. „Und nicht zuletzt stellt sich die Frage, warum es Herr Jung versäumt hat, persönlich ein klares Bekenntnis mit eigenen Worten in der Stellungnahme der Stadt im Engagement für eine atomwaffenfreie Welt einfließen zu lassen und sich z. B. für den Abzug der auf deutschem Boden (in Büchel/Eifel) lagernden 20 US-amerikanischen Atombomben einzusetzen?“

Ein ganz heikles Thema.

Während mit den sowjetischen Besatzungstruppen 1990 auch die im Osten stationierten SS-20-Raketen samt Atomsprengköpfen abzogen (bzw. in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus dem Land geschafft) wurden, haben die US-Amerikaner ihr ganzes Droh-Potenzial auf deutschem Boden aufrechterhalten. Obwohl Anfang der 1980er Jahre stets behauptet wurde, die Pershing-II-Raketen seien eine Antwort auf die Raketen der Sowjetunion.

„Alles in allem hat uns Herr Jung leider auch in diesem Jahr wieder enttäuscht“, stellt Norman Volger fest. „Man muss sich fragen, ob ihm diese Angelegenheit wirklich eine des Herzens ist, wie er uns vollmundig im Stadtrat berichtet hat. Für uns ist dieses neuerliche mangelhafte Engagement nur noch mehr Ansporn, weiter auf die vollumfängliche Erfüllung unserer Verpflichtungen aus dem Städtebündnis zu setzen.“

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