Die vergangenen zehn Jahre waren auch in der Leipziger Stadtpolitik Jahre der Enttäuschungen und Frustrationen – jedenfalls für alle, die wissen, wie spät die Welt mit der Klimawende dran ist. Und wie schwer sich Leipzigs Verwaltung tat, auch nur die eigenen Klimaziele ernst zu nehmen. Der Umsetzungsbericht zur Europäischen Klimaschutzkommune war für die Leipziger Klima-Aktivisten der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Sie haben sich zum Bündnis zusammengetan und OBM Burkhard Jung einen Offenen Brief geschrieben.

Unter dem Namen „Leipzig fürs Klima“ haben sich mehr als 20 Leipziger Klimagruppen zusammengeschlossen und jetzt einen Offenen Brief an Oberbürgermeister Burkhard Jung und die Vorsitzenden der Ratsfraktionen verfasst. In dem „Forderungsschreiben der Leipziger Klimagruppen“ fordert das Bündnis deutlich mehr Engagement im Klimaschutz und die Einhaltung des Pariser Abkommens durch die Stadt.

Angesichts des bereits im Oktober 2019 ausgerufenen Klimanotstands stehe „das bisherige Tempo, in dem die Stadtverwaltung die Ratsbeschlüsse umsetzt, in keinem angemessenen Verhältnis zur Dringlichkeit des Handelns, das die Klimakrise erfordert“, so die Grundaussage des Offenen Briefs.

Anlass für das Forderungsschreiben waren die aus Sicht der Klimaschützer/-innen enttäuschenden Ergebnisse im Umsetzungsbericht 2018 zum Energie- und Klimaschutzprogramm 2020 und der 3. Leipziger Klimakonferenz. In der Konferenz, die am 23. November 2020 unter der Leitung des zuständigen Fachbürgermeisters Heiko Rosenthal als Online-Veranstaltung stattfand, hatten städtische Mitarbeiter/-innen die geplanten Ziele und Maßnahmen für das neue Programm 2030 vorgestellt.

Das Forderungspapier findet man hier.

„Wir Leipziger Klimagruppen haben ein gemeinsames Forderungspapier verfasst, weil wir mit dem, was die Stadtverwaltung, insbesondere seit dem Klimanotstand, präsentiert, nicht zufrieden sind. Weder laufen wir beim Klimaschutz in die richtige Richtung, noch in angemessenem Tempo“, erklärt Steffen Peschel, der sich bei den Parents for Future Leipzig engagiert und die Zusammenarbeit der Klimaschutzgruppen in Leipzig mit koordiniert hat.

„Die Ziele, die im Maßnahmen-Programm für 2030 formuliert sind, reichen bei weitem nicht aus, um auf kommunaler Ebene das Pariser Abkommen einzuhalten. Auch können wir nicht erkennen, dass die Stadt bei der finanziellen und personellen Ausstattung der Bereiche Klimaschutz und Klimaanpassung die richtigen Prioritäten setzt.“

Das Bündnis „Leipzig für’s Klima“ fordert daher in dem Offenen Brief die Verantwortlichen auf, schneller und mit deutlich mehr Krisenbewusstsein zu agieren und das städtische Handeln auf die Ziele des Pariser Abkommens auszurichten. Auch soll Klimaschutz als transparenter Prozess mit sichtbar mehr Bürgerbeteiligung ausgestaltet werden.

„Wir sind in einer Krise. Und in einer Krise muss man auch so handeln. Deshalb fordern wir in unserem Offen Brief den Oberbürgermeister expliziert auf: Machen Sie Klimaschutz endlich zur Chefsache!“, unterstreicht Dr. Heike Wex. Die Physikerin und Wissenschaftlerin am Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig engagiert sich ehrenamtlich für die Scientists for Future Leipzig.

In Abstimmung mit vielen Initiativen der Leipziger Klima- und Umweltschutzbewegung hatte sie bei der 3. Klimakonferenz einen leidenschaftlichen Vortrag gehalten, der die Stadt zu mehr Krisenbewusstsein, Transparenz, Verantwortung und Bürgerbeteiligung mahnte. Diese Präsentation ist nun in das Forderungspapier eingeflossen.

„Wir möchten mit unserem Forderungsschreiben auch ausdrücklich die Stadträt/-innen in die Verantwortung nehmen. Schließlich entscheiden diese in den kommenden Wochen über den zukünftigen Haushalt“, sagt Martin Rebmann, Vorstandsmitglied des BUND Leipzig. „Wir erwarten von unseren gewählten Vertreter/-innen, dass in den kommenden Jahren mehr Wert auf Klimaschutz und Klimaanpassung gelegt wird und die Bürger/-innen von Leipzig in diese Prozesse und Maßnahmen enger und transparenter eingebunden werden. Dafür haben wir Leipziger Klimagruppen fünf Bürgereinwände erhoben.“

Dem Forderungspapier sind als Anlage die fünf Bürgereinwände des Bündnisses beigefügt. Rund 300 Leipziger/-innen haben diese bereits unterstützt. Damit gehören sie zu den Einwänden mit dem größten Rückhalt in der Leipziger Bevölkerung.

„Es wäre ein wichtiges Signal, wenn die Ratsfraktionen diese Bürgereinwände auch als eigene Anträge übernehmen würden“, betont Rebmann.

Leipziger Ratsbeschlüsse bekommen endlich ein Prüfschema zur Klimawirkung

Leipziger Ratsbeschlüsse bekommen endlich ein Prüfschema zur Klimawirkung

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten unter anderem alle Artikel der LEIPZIGER ZEITUNG aus den letzten Jahren zusätzlich auf L-IZ.de über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall zu entdecken.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 7 Kommentare

Der Bausektor ist für 40% der CO2-Emissionen verantwortlich.* Wenn wir wirklich einen Klimanotstand hätten, müsste der Klimaschutz bei allen Genehmigungen immer zuerst abgefragt werden. Das heißt, Bauvorhaben dürften nicht genehmigt werden. Der jetzige “Klimanotstand” ist ein Etikett ohne Wert.

Ich spreche dem Stadtrat (bzw. manchen Person darin) den guten Willen nicht ab, aber aktuell ist das zu wenig. Und die Verwaltung scheint der noch größere Bremsklotz zu sein, wenn man sich z.B. die Rodung am Leuschnerplatz oder die Neuplanung der Brücke am S-Bhf. Leutzsch anschaut.

*https://twitter.com/architects4f/status/1343885051268837377

Bin wirklich gespannt auf die nächsten Anträge und Beschlüsse im Stadtrat, lange werden die BürgerInnen sich das WOLLEN nicht mehr angucken/anhören wollen. Vom Wollen zum Handeln. Wie vom Wissen zum Handeln! Wir haben keine Zeit mehr, sagen meine Kinder. Die sind ziemlich knorke, was?

Bin gespannt, wie schnell das fruchtet. Am 19. März gibt es den nächsten globalen Klimastreik und das ist vom Datum her vor dem 21. und 31.03., wo der Haushalt abschließend beraten und beschlossen werden soll.

War es so schwer zu verstehen, dass ich einwarf, dass der Spruch “bauen, bauen, bauen” weniger Jung, sondern mehr Gemkow zuzuordnen ist? Nun gut 😉 …

Michael Freitag@ was hat das jetzt mit Gemkow zu tun. Darum ging es gerade nicht.

Das ist ja sicherlich alles sehr gut und lieb gemeint. Aber mal ehrlich: Was können sich Natur- und Klimaschützer denn wirklich erwarten, wenn der OBM sich die Thematik zur Chefsache machen sollte? Indirekt hat er das ja auch schon seit langem…, denn es geht ihm doch um bauen, bauen und bauen, getreu der kapitalistischen Grundideologie des Wirtschaftswachstums. Also das Gegenteil von Klimaschutz…(da helfen auch ein paar E-Autos nicht…)

Ich denke, schöne Worte, regelmäßige Berichte (wer wird diese dann schreiben…) helfen da wenig. Der Klimanotstand wurde wohl offensichtlich eher als green Showelement eingeführt. Haben Stadträte (egal welcher couleur) danach gegen irgendwelche Bauprojekte gestimmt? Nicht das mir bekannt wäre…

Ich denke, letztendlich helfen nur Klagen anerkannter Naturschutzverbände, um dem Klimaschutz auf die Sprünge zu helfen, zumindest als Fundament des Agierens.
Immerhin: Einen Erfolg für den lokalen Klimaschutz gibt es seitdem: 3 Jahre Hiebsruhe im städtichen Teil des Leipziger Auwaldes und auch ein Stop forstlicher Verwüstungen (genannt Waldbau) durch Sachsenforst, dank der erfolgreichen Klage (OVG Bautzen) sowie der Umweltschadensanzeige durch NuKLA. Danke!

Schreiben Sie einen Kommentar