Am 15. März veröffentlichte die Sächsische Staatskanzlei die ersten Zahlen aus ihrer neuesten Umfrage, die sie bei TNS emnid in Auftrag gegeben hatte. Es waren die Zahlen zu den möglichen Wahlergebnissen in Sachsen. Ein bisschen reduziert in der Botschaft. War ja auch zu schön, die CDU noch einmal bei 43 Prozent vermelden zu können.

Am Dienstag, 20. März, lieferte der Chef der Staatskanzlei, Staatsminister Johannes Beermann, den Rest der Umfrage nach, die wie in den Vorjahren die üblichen Fragen nach der Akzeptanz der Regierungsarbeit und dem Empfinden der wirtschaftlichen Lage und ähnliche Weihrauchthemen beinhaltete. Was Beermann nicht unbedingt wissen muss, weil er’s nicht studiert hat, er ist ja studierter Jurist, müssten aber die Spezialisten von TNS emnid wissen, die auf ihrer Website das Wort “Transparenz” extra betonen: Eine intransparente Umfrage ist das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt wird.

TNS emnid zählt auch die eigenen Kriterien dazu auf: Angegeben sein müssen die Fallzahl, der Erhebungszeitraum, die exakte Definition der Zielgruppe, Erhebungsmethodik, die Fehlertoleranzen und der exakte Fragenwortlaut.

Und da wird es schon interessant, wenn die Staatskanzlei so eine Wertung in die Welt posaunt: “Die Sachsen befürworten das Prinzip der soliden Finanzpolitik. Vor dem Hintergrund zurückgehender Solidarpakt- und EU-Fördermittel halten 79 Prozent eine Senkung der Staatsausgaben für den richtigen Weg. Nur 9 Prozent sprechen sich für neue Schulden aus. 6 Prozent sind für höhere Steuern und Abgaben.”

Wenn dem zuständigen Sachbearbeiter bei TNS emnid da nicht der Bauch grummelte, als er die Frage weitergab. Denn was gefragt wurde, läuft schlichtweg unter Suggestivfrage. Den Befragten wurde ein enges Bündel von Alternativen vorgeschlagen, das suggerierte, es ginge in der Finanzpolitik nur um Hü oder Hott.

Die Frage: “In den nächsten Jahren werden die Einnahmen des Freistaats Sachsen weiter zurückgehen. Was denken Sie, wie die Staatsregierung darauf reagieren sollte? Sollte sie die Steuern und Abgaben erhöhen, die Ausgaben senken oder neue Schulden aufnehmen?”

Das Dumme: Auswertungen dieser Art geben nie an, wie viele Leute den Befrager an dieser Stelle einfach empört haben stehen lassen. Denn die Frage spiegelt genau den engen Lösungshorizont, den die Staatsregierung bei den Finanzen verfolgt: Gegen das “Sparen um jeden Preis” steht als suggerierte Alternative nur das Schuldenmachen. Und dann aus 79 Prozent Zustimmung zur Aussage “Ausgaben senken” eine Befürwortung der in Sachsen gepflegten Finanzpolitik zu machen, das geht schon sehr weit. Denn Ausgaben senken kann man auf vielerlei Weise, unter anderem auch verantwortlich im Umgang mit Substanz und Personal und vor allem mit einem auch für die Bürger transparenten Konzept. Das hat die Staatsregierung bis heute nicht vorgelegt.

Ein Rasenmäher ist kein KonzeptDas nächste Problem: In der ganzen Präsentation von TNS emnid gibt es keinen Hinweis auf die Fehlertoleranz. Es steht zwar drin, dass im Januar und Februar 2012 TNS emnid 1.040 repräsentativ ausgewählte Bürgerinnen und Bürger in Sachsen vor Ort befragte, also mit Laptop zu ihnen hin ging. Doch es steht weder drin, welchen Altersstufen wie viele angehörten, ob die Mehrzahl auf dem Land oder in der Großstadt wohnte, ob sie erwerbstätig waren, noch ob Schüler oder schon in Rente.

Das hat zum Beispiel starken Einfluss auf die Frage, ob die Befragten das sächsische Bildungssystem positiv beurteilen. Denn Leute, die seit zehn Jahren in Rente sind, haben dazu eine völlig andere Einstellung als Eltern, deren Kinder die aktuellen Verhältnisse erleben. Selbst wenn nur 30 Prozent der Befragten über 60 Jahre alt sind, verändert sich das Ergebnis deutlich.

Dann würde es nicht, wie die Staatskanzlei verkündet, heißen: “Die Mehrheit beurteilt das Bildungssystem in Sachsen positiv. 59 Prozent sagen, dass das sächsische Bildungssystem die jungen Menschen in Sachsen gut auf die Zukunft vorbereitet. Jeder zweite Sachse glaubt, dass das Bildungssystem im deutschlandweiten Vergleich gut abschneidet.”

Sondern: Die Mehrheit der Betroffenen beurteilt das Bildungssystem negativ. 32 Prozent haben den emnid-Befragern nämlich auf die Frage “Glauben Sie, dass das sächsische Bildungssystem die jungen Menschen in Sachsen gut auf die Zukunft vorbereitet, oder würden Sie das nicht sagen?” geantwortet: “Würde ich nicht sagen.”
Wenn das ausgerechnet die Altersgruppe zwischen 18 und 48 war, dann war die Aussage auf diese Frage eine Klatsche für die sächsische Bildungspolitik. Und das war sie wohl auch. Nicht ohne Grund ist der Kultusminister just an diesem Tag zurückgetreten.

Genauso steht es mit der Frage nach der Stellung des sächsischen Bildungssystems im deutschen Vergleich. “Jeder Zweite glaubt, dass das Bildungssystem im deutschlandweiten Vergleich gut abschneidet”, meint emnid. Aber selbst die dargebotenen Fragen geben das nicht her. Nur 5 Prozent stimmten der Aussage, Sachsen stünde an der Spitze, zu. 46 Prozent rangen sich zur Aussage durch, dass Sachsen “vorn dabei ist” durch, was immer das aus Statisten-Sicht bedeuten mag. Auch zu dieser Grafik gibt es keine Angaben, welche Altersgruppen welche Aussagen gemacht haben. Dass 40 Prozent sagten, Sachsen sei nur noch Mittelfeld, schränkt das Selbstlob der Regierung schon deutlich ein.

Und dann bleibt noch die “Sonntagsfrage”, die eben nicht alle 1.040 Befragten beantwortet haben. Das findet man dann unter der Grafik dazu: Nur 696 Befragte äußerten sich zu ihrer Parteienpräferenz. 304 haben augenscheinlich nicht vor, 2014 zur Landtagswahl zu gehen.

Das verändert zwar nicht die Wahlprozente. Denn wer nicht geht, wird ja auch nicht gezählt. Aber es vergrößert die Unschärfe des erfragten Ergebnisses. Dann haben eben nicht 447 Befragte angegeben, sie würden die CDU wählen (43 Prozent), sondern nur 299. Ganz zu schweigen davon, dass schon bei einer Befragten-Zahl die Unschärfe im Ergebnis bei über + / – 3 Prozent liegen würde. Diese Angabe fehlt hier komplett. Genauso, wie sie bei den anderen Parteien fehlt. 2 Prozent für die FDP bedeuten in diesem Fall 14 Befragte, die sich äußerten, diese Partei wählen zu wollen, wenn am Sonntag Wahl wäre. 14 Prozent für die SPD – das wären dagegen schon fast 100 (97) Menschen, die sagten, sie würden hier ihr Kreuzchen machen.

Und das alles, ohne dass die Grafiken verraten, wie die Zusammensetzung der Befragtengruppe tatsächlich war.

Die Umfrage als PDF zum download.

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