Karten sind etwas Feines. Man kann in bunten Farben alles Mögliche sichtbar machen - Bevölkerungsdichte, Autodichte, Einkommenshöhen, Schulabschlüsse. Jedem Niveau kann man eine Farbe zuweisen. Und siehe da: Auf einen Blick sieht man, welche Unterschiede zwischen Bundesländern, Kreisen und Städten existieren. Die Wahrheit für 2013 lautet: Deutschland ist noch immer genau so ein Flickenteppich wie 1813 oder 1713. Als wäre Napoleon nie da gewesen.

Seit Montag, 8. April, bieten die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder unter www.statistikportal.de ihren neuen Regionalatlas mit moderner Technologie
an. Der kostenlose Regionalatlas stellt in Form von thematischen Karten über 80 Indikatoren, die sich an aktuellen Fragestellungen orientieren, für alle Bundesländer, Regierungsbezirke/Statistische Regionen, Landkreise und kreisfreien Städte Deutschlands dar. Die erforderlichen Ausgangsdaten werden direkt aus der Regionaldatenbank Deutschland abgerufen und für die Darstellung im Regionalatlas bereitgestellt.

Das interaktive Informationsangebot erstreckt sich über eine Vielzahl von Themenbereichen. Mit Hilfe der thematischen Karten ist beispielsweise zu erkennen, dass die Arbeitslosenquoten 2011 in den Kreisen Bayerns und Baden-Württembergs bundesweit zu den niedrigsten gehören oder dass es in der Stadt Wolfsburg die meisten Personenkraftwagen je 1.000 Einwohner gibt (990), während es in der Hauptstadt Berlin die wenigsten sind (324).

Berlin liegt dafür mit 3.927 Einwohnern/km² auf dem 2. Platz bei der Einwohnerdichte. Hier nimmt München mit 4.436 Einwohnern/km² Platz 1 ein.Aber dadurch, das 80 Indikatoren verfügbar sind, werden auch Vergleiche möglich. Man sieht, welche Indikatoren direkt miteinander in Beziehung stehen. Das kann auch entlarvend sein. Denn es macht auch sichtbar, wo regionale Politik versagt oder bremst. Etwa beim Bildungsabschluss. Höhere Bildungsabschlüsse erhöhen die Karrierechancen, bringen auch der regionalen Wirtschaft das nötige Knowhow, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Aber das Bundesland Sachsen gehört mit seiner Quote von 29,7 Prozent Schulabgängern mit allgemeiner Hochschulreife zu den Schlusslichtern in Deutschland – und bekam nur den etwas dunkleren Grünton, weil die Statistiker genau bei 29,7 Prozent den Farbwechsel angesetzt haben.

Unter dem Button “Weitere Karten” sind die ganzen Indikatoren zu finden – von Gebiet und Fläche bis zum BIP. Und gerade beim Bruttoinlandsprodukt klaffen gewaltige Lücken zwischen den östlichen Bundesländern und dem produktiven Südwesten der Republik. Sachsen ist, was die Wertschöpfung betrifft, nicht mal im Osten ein Vorreiter. Was sich auch beim Durchklicken bis auf die Kreisebene nicht ändert. Da tauchen dann zwar in Sachsen-Anhalt und Brandenburg einige Regionen mit starker Rotfärbung auf. Im südlichen Sachsen-Anhalt ist hier die Chemieindustrie der Wertschöpfer Nr. 1. Doch es ist zu wenig, um die gesamte Region auch nur auf den Weg hin zum bundesdeutschen Durchschnitt zu hieven. Was man dann in der Karte mit den Einkommen sehen kann – wieder im bekannten Blassgrün.Es sind zwar hier nur die Werte für 2009. Davon, die aktuellsten Entwicklungen sichtbar zu machen, sind die bundesdeutschen Statistiker trotz modernster Digitaltechnik noch weit entfernt. Einige Daten – etwa beim Bevölkerungsbestand – stammen zumindest von 2011. Da sieht man auch, dass Sachsen für ostdeutsche Verhältnisse noch immer recht dicht besiedelt ist. Man sieht aber auch, wenn man die Karte mit dem Wanderungssaldo aufruft, wie eine Metropole wie Berlin auch die Bevölkerungsentwicklung in einem kompletten Bundesland wie Brandenburg positiv beeinflusst.

Eigentlich ein Fall für Forscher, denn das stets so harsch kritisierte Berlin ist längst die dynamischste Stadt in Ostdeutschland geworden – und es zieht das ganze Umland mit.

Man darf durchaus fragen: Was würde eigentlich in Mitteldeutschland passieren, wenn die wichtigsten Metropolen genauso unterstützt würden? Wenn die Landesregierungen sie als Motor der Entwicklung begreifen und entsprechend stärken würden?

Es gibt zwar keine Karte zu den speziellen Infrastrukturförderungen. Aber es gibt eine zu den Beschäftigten im öffentlichen Bereich. Und da fällt einem die wilde Sparrede des gerade gewählten Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich von 2009 ein und das ewige Gerede von einem “vergleichbaren Flächenland” im Westen, auf dessen Niveau man die Beschäftigtenzahl im öffentlichen Dienst absenken wolle. Die Karte mit den Daten von 2011 zeigt: Sachsen gehört schon jetzt zu den drei Bundesländern mit der geringsten Quote öffentlich Bediensteter. Weniger hat nur noch Nordrhein-Westfalen mit 40 Beschäftigten je 1.000 Einwohner. Sachsen hat 40,7 Beschäftigte je 1.000 Einwohner gehabt, Hessen kommt dann mit 42,9. Die meisten Bundesländer haben zwischen 46 bis 50.

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Die Zielvorgaben in den sächsischen Sparpaketen erweisen sich immer mehr als Fiktion. Teilweise auch als Kapitulation. Da wird nur noch gespart um des Sparens willen, die realen Auswirkungen in Schule, Polizei, Justiz … werden einfach ignoriert.

Schön wäre hier auch eine Karte mit Schulausfallzeiten, Krankenstand im öffentlichen Dienst, Interventionszeiten der Polizei oder Verfahrensdauer an Gerichten gewesen …

Aber so schön detailliert ist der Atlas dann leider doch nicht.

Der neue Regionalatlas ersetzt die bisher verfügbaren Regionalkarten, teilt das Statistische Landesamt noch mit. Alle bisherigen Funktionen stehen weiterhin zur Verfügung. Neu hinzugekommen sind insbesondere die Darstellung der Karten auf den Raumebenen der Bundesländer und Regierungsbezirke/Statistische Regionen. Zusätzlich ist es nun auch möglich, die Einteilung der Größenklassen der Legende selbst zu bestimmen oder die Karten im pdf-Format auszudrucken. Das Angebot wird ergänzt durch eine ausführliche Beschreibung der einzelnen Indikatoren.

Man findet den Regionalatlas unter: www.statistikportal.de/Statistik-Portal/Regionalatlas

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