Frag nur, dann wirst du klüger. Auch wenn es am Ende frustriert. So ungefähr geht es Dr. Dietmar Pellmann, Landtagsabgeordneter der Linken in Sachsen. Er fragt beharrlich nach den Dingen, die in den schönen Hochglanzprospekten zur sächsischen Wirtschaft nicht auftauchen: Billiglöhnern, arbeitenden Senioren, Mini-Jobbern, Alleinerziehenden ... Zu Letzterem bekam er jetzt wieder einmal Zahlen von Sachsens Sozialministerin Christine Clauß.

Er hatte eine dieser kleinen grimmigen Anfragen zu “Alleinerziehende mit Arbeitslosengeld II in Sachsen 2012/2013” (Drucksache 5/12600) gestellt. Und auch wenn die Ministerin einschränkte, die Zahlen könnten nicht ganz komplett sein, ist das Ergebnis deutlich. Auch und erst recht für Leipzig mit seinem wachsenden Problem der Kinderbetreuung.

“Die aktuellen Daten bestätigen ohne Wenn und Aber: Alleinerziehende gehören auch in Sachsen weiterhin zu den Verliererinnen von Hartz IV”, stellt Pellmann fest. “Während es bei den Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften und deren Mitgliedern insgesamt seit einigen Jahren zu einem zumindest statistisch ausgewiesenen Rückgang kam, trifft das auf Alleinerziehende nicht zu. Ende 2012 waren in Sachsen 39.179 Alleinerziehende auf Arbeitslosengeld II angewiesen, nur geringfügig weniger als Ende 2009. Ende Mai 2013 war die Zahl sogar um fast 1.000 auf 40.148 angestiegen. Das waren fast 60 Prozent aller Alleinerziehenden in Sachsen.”

Womit unübersehbar die Bedürftigenquote unter Alleinerziehenden alles sagt. “Da 93 Prozent der Alleinerziehenden Frauen sind, bestätigt die Statistik erneut: Frauen sind viel mehr als Männer im Niedriglohnsektor beschäftigt oder haben lediglich einen Minijob”, stellt Pellman fest. “Denn 36 Prozent der Alleinerziehenden mit Arbeitslosengeld II waren erwerbstätig und mussten wegen zu niedriger Einkünfte beim Jobcenter ergänzende Leistungen beantragen.”
Womit sich die Legende, Frauen würden solche Mini-Jobs bevorzugen, weil damit der Familienalltag besser zu bewerkstelligen wäre, als das entlarvt ist, was sie ist: eine Legende, mit der Mini-Jobs als Wohltat angepriesen werden.

Damit werden Frauen und vor allem auch junge Mütter zwar zur flexiblen Reserve für allerlei Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle genau auf diese Bedürftigkeit aufgebaut haben, sie haben nur in der eigenen beruflichen Stabilisierung, von beruflichem Fortkommen ganz zu schweigen, nichts davon.

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Pellmann: “Diese Daten belegen: Alleinerziehende im Hartz-IV-Bezug sind in Sachsen weiterhin vom zwischenzeitlichen wirtschaftlichen Aufschwung ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund erwarten wir endlich ein spezielles arbeitsmarktpolitisches Förderprogramm für Alleinerziehende, an dem sich der Freistaat Sachsen aktiv beteiligen muss, anstatt das Schicksal dieser Familien weiterhin dem Selbstlauf zu überlassen.”

Und wer jetzt vermutet, die viel gepriesene Dienstleistungsstadt Leipzig spiele hier eine für Sachsen bedeutsame Rolle, der sieht sich bestätigt: Mit 7.086 auf ALG-II angewiesenen Alleinerziehenden, davon 6.520 Frauen, war Leipzig im Dezember 2012 an der Spitze dieser gar nicht so ermutigenden Wertung. Im Mai 2013 waren es sogar 7.216 Alleinerziehende, die auf ALG II angewiesen waren, darunter 6.627 Frauen. Relativ stabil blieb nur die Zahl der Alleinerziehenden, die “nur” aufstocken mussten: 2.489 / 2.488. Was aber wohl auch bedeutet: Selbst auf dem Markt der Mini-Jobs haben Alleinerziehende in Leipzig weniger Chancen. Das hat sehr viel mit der Frage der Flexibilität zu tun – und der von verfügbaren Betreuungsplätzen für die Kinder. Und da es da in der nächsten Zeit in Leipzig noch knapper wird, ist jetzt schon absehbar, dass Alleinerziehende auch unter diesem neuen Leipziger Finanzengpass als Allererste zu leiden haben werden.

Könnte man sagen: “Schöne Familienpolitik!” – Wäre es nur ein Leipziger Thema und nicht ein Versagen der sächsischen Staatsregierung. So weit weg ist Dresden mit 5.046 Alleinerziehenden in ALG II nämlich nicht, auch wenn dort das Kita-System mittlerweile deutlich besser ausgebaut ist als in Leipzig. Aber unübersehbar haben sie auch in der Landeshauptstadt Schwierigkeiten, in einen auskömmlich bezahlten Job zu kommen. Denn Kita-Betreuung ist das eine – das andere sind die Betreuungszeiten und die Wege zur Kita. Und am Ende wie immer: das Geld.

Die Anfrage von Dietmar Pellman und die Antwort der Sozialministerin:

http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=12600&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=2

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