Nicht nur Politiker und Einwohner wundern sich: Leipzig wächst, hält nun seit ein paar Jahren die Spitze in den Wachstumsraten deutscher Großstädte. Auch 2013 wuchs die Bevölkerungszahl um 10.724. Und 2014 wird es ganz ähnlich sein, kündigt Peter Dütthorn, Abteilungsleiter Statistik im Amt für Statistik und Wahlen der Stadt Leipzig an. Am Mittwoch, 17. Dezember, stellte er zusammen mit Amtsleiterin Dr. Ruth Schmidt den neuesten Quartalsbericht der Stadt vor, die Nr. 3 für das Jahr 2014.

Und weil es der Herbstbericht ist, steht auch traditionell wieder der Vergleich der drei sächsischen Großstädte Leipzig, Dresden und Chemnitz drin. Immerhin wachsen alle drei, während die Landkreise nach wie vor Einwohner verlieren. Doch die verlieren sie schon seit einer Weile nicht mehr an die westlichen Bundesländer, wie das rund 20 Jahre lang der Fall war. Die jungen Bewohner der Landkreise wandern vor allem in die Großstädte ab. Und mit ihnen wandern die Arbeitsplätze.

Manchmal sind die Arbeitsplätze auch schon da und ganze Familien packen ihre Sachen, um der Arbeit hinterher zu ziehen. Und Leipzig hat sich dabei augenscheinlich zu einem Standort entwickelt, der ganz ohne die sensationellen Großansiedlungen der Jahre um 2000 trotzdem wächst. Und zwar in allen Branchen. Oder etwas anders formuliert: Wieder in allen Branchen. Denn im Dienstleistungsbereich entstehen seit 2006 kontinuierlich neue Arbeitsplätze. Dieses Wachstum der Dienstleistungsbranche (oder besser: der vielen verschiedenen Dienstleistungsbranchen) hat dazu geführt, dass nach einem Absturz der Leipziger Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von 204.116 im Jahr 2001 auf 188.845 im Jahr 2005 seitdem kontinuierlich neue Arbeitsplätze in Leipzig entstanden. 2007 waren es wieder 200.000, 2010 waren es 211.000. 2013 schnellte die Zahl auf 229.353 hoch.

Die Stadt hat also das Bevölkerungswachstum einfach weggepuffert. Und es sieht noch längst nicht so aus, als dass der Trend vorbei wäre, auch wenn Institutionen wie INSM und ifo Institut mit fetter Teerfarbe das Menetekel “Mindestlohn” an die Wände malen. Die Schwarzmalerei des Dresdner ifo Instituts ist im Eingangsteil des Quartalsberichts noch einmal zitiert. Diese Studie eignet sich gut zum Panikmachen – beschreibt die anstehenden Veränderungen aber nicht im Ansatz – und berücksichtigt vor allen Dingen auch nicht solche Untersuchungen, wie sie in diesem Jahr z. B. das Leipziger Wirtschaftsdezernat in Auftrag gegeben hat: Was sind denn eigentlich die größten Probleme der Leipziger Unternehmen?

Parallel zu ähnlichen Abfragen der IHK kam nämlich diese Befragung im September auch zu dem Ergebnis, dass das Hauptproblem der Leipziger Unternehmen in den nächsten Jahren die Arbeitskräftegewinnung sein wird. Und gerade bei Fachkräften haben die Unternehmen schon jetzt Rekrutierungsprobleme. Der Kampf um den qualifizierbaren Nachwuchs wird also ganz zwangsläufig auch über den Lohn ausgetragen werden. Und trotzdem ist natürlich Wehgeschrei zu erwarten: Von jenen Unternehmen, die da nicht mithalten können.

Es wird nicht zu dem vom ifo Institut proklamierten Arbeitsplatzverlust kommen, doch die Arbeitskräfte werden wandern. Auch das ist ein freier Markt, wenn Beschäftigte sich Jobs mit besserer Vergütung suchen können.
Möglicherweise wird das genau jene Branchen unter Druck bringen, die bis jetzt von Niedriglöhnen profitiert haben – von all den Teilzeitmodellen im Handel bis hin zu den Leiharbeitsfirmen. Denn seit der Einführung von “Hartz IV” im Jahr 2005 ist auch der Anteil der Teilzeitbeschäftigten in Leipzig stark gewachsen: auf 62.798 im Jahr 2013.

Im gleichen Jahr 2013 hat aber auch die Zahl der Beschäftigten im produzierenden Gewerbe (Industrie und Bau) wieder den Stand von 1999 erreicht.

Und noch etwas fällt den Statistikern im Jahr 2013 auf: Der Fachkräftemangel sorgt nicht nur dafür, dass jüngere Arbeitsuchende (unter 25) leichter eine Anstellung finden, sondern auch die älteren Erwerbstätigen profitieren. Die Zeiten, dass über 50-Jährige einfach aussortiert werden, weil sie “zu alt” sind, gehen so langsam zu Ende. Besonders die Arbeitnehmer in der Gruppe der 50- bis 64-Jährigen haben 2013 von der Arbeitsmarktentwicklung profitiert, stellt Lars Kreymann in seinem Beitrag zur Beschäftigungsentwicklung fest. Rund 4.000 Arbeitsplätze wurden in dieser Altersgruppe mehr ausgewiesen als im Vorjahr. Was nicht heißt, dass die Vermittlungspolitik des Jobcenters sich verbessert hätte. Tatsächlich kommt dieser Zuwachs vor allem denen zu Gute, die schon in Lohn und Brot sind und auch in der Firma bleiben können, wenn sie älter sind und nicht mehr ganz so leistungsfähig. Mit ihrer Berufserfahrung erweisen gerade diese älteren Arbeitskräfte sich als der eigentliche Schatz, den es in Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels zu halten gilt. Bis zur Rente oder womöglich auch darüber hinaus.

Aber auch das verändert die Leipziger Arbeitswelten: Sie werden weniger jugend-fixiert und neben einer größeren Familienfreundlichkeit sind immer mehr Unternehmen auch dazu animiert, die Arbeitsbedingungen für ältere Arbeitnehmer zu schaffen. (Was übrigens auch die Zahl der Teilzeitbeschäftigten wieder beeinflusst – Teilzeitbeschäftigung kann auch eine solche Anpassung an die Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer sein).

Aber nicht nur im metallverarbeitenden Gewerbe (+ 8,8 Prozent) und in der Metall-, Elektro- und Stahlindustrie (+ 12 Prozent) wuchs die Zahl der Beschäftigten, gerade auch in den Sozialbereichen der Wirtschaft gab es zwangsläufig Zuwächse: im Bereich Erziehung und Unterricht (+ 4,2 Prozent) und im Gesundheitswesen (+ 8,1 Prozent), letzteres vor allem durch das Wachstum im Pflegebereich dominiert.

Eher erstaunlich, dass 2013 auch das Segment Zeitarbeit noch einmal einen ordentlichen Schub bekam mit einem Plus von 14,5 Prozent. Das kann durchaus mit der Produktionserweiterung in einigen produzierenden Unternehmen im Leipziger Norden zu tun haben. Aber was passiert hier, wenn sich der Fachkräftemangel weiter verschärft?

Denn nicht nur in Leipzig werden ja Arbeitskräfte gesucht. Auch die Region drumherum hat mittlerweile einen wachsenden Bedarf.

Was dann das Thema Pendler in den Blick rückt. Mehr dazu morgen an dieser Stelle.

Der Quartalsbericht ist im Internet unter (http://statistik.leipzig.de) unter “Veröffentlichungen” einzusehen. Er ist für 7 Euro (bei Versand zuzüglich Versandkosten) beim Amt für Statistik und Wahlen erhältlich. Postbezug: Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen, 04092 Leipzig, Direktbezug: Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen, Burgplatz 1, Stadthaus, Zimmer 228.

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