Mittlerweile hat man es selbst bei der "Süddeutschen" gemerkt, dass der deutsche Arbeitsmarkt so geteilt ist, wie er es 2005 auch schon war. Wer damals keine Chancen hatte, einen richtigen Job zu bekommen, hat 2015 auch keine. Und das wird selbst im Februar sichtbar. Während Bund und Land sinkende Arbeitslosenzahlen feiern, gab's in Leipzig wieder einen Anstieg. Was für eine Überraschung.

„Der geringe Anstieg der Arbeitslosigkeit um 217 Menschen im Februar ist saisonal bedingt und kommt nicht überraschend”, meint Nadia Arndt, die Geschäftsführerin Operativ der Agentur für Arbeit Leipzig, zur jüngsten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in Leipzig. “In den zurückliegenden Jahren lag der Zuwachs in vergleichbaren Größenordnungen. Diese Entwicklung ist typisch für den Monat Februar. Im Vergleich zum Februar des Vorjahres gab es 1.923 arbeitslose Menschen weniger in der Stadt Leipzig. Das ist eine erfreuliche Entwicklung. Die Arbeitslosigkeit sinkt in den Jahresvergleichen kontinuierlich weiter.”

Wäre es nur das, man könnte ja beruhigt sein.

Aber gleichzeitig melden Bund und Land für den Februar sinkende Zahlen.

„Der sächsische Arbeitsmarkt entwickelt sich weiter positiv. Die Arbeitslosigkeit und die Arbeitslosenquote blieben im Februar auf dem Niveau vom Januar. Der für den Monat Februar übliche Anstieg ist auf Grund der milden Witterung ausgeblieben”, sagte Dr. Klaus Schuberth, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit (BA), am Donnerstag, 26. Februar. “Denn es haben sich deutlich weniger Menschen aus den typischen Saisonberufen arbeitslos melden müssen. In der Folge könnte in den kommenden Monaten die Frühjahresbelebung leicht geringer ausfallen. Im Vergleich zum Februar des Vorjahres sind in Arbeitsagenturen und Jobcentern weniger Menschen arbeitslos gemeldet. Auch die Einstellungsbereitschaft der sächsischen Unternehmen nimmt in einem jahreszeitlich üblichen Niveau wieder zu. Insgesamt sind die Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt recht gut und lassen auf die kommenden Monate optimistisch blicken.”

Das Wetter also? Das glauben wir schon lange nicht mehr, obwohl diese saisonalen Einflüsse natürlich da sind und die Jahreskurven bestimmen.

Liegt es am Wetter?

Das wirkt sich auch in Leipzig aus. Aber nur in einem Segment: die Kurzzeitarbeitslosen, die in der Regel ALG I bekommen und direkt von der Arbeitsagentur betreut werden. Diejenigen aber, die mit großartigen Versprechungen 2005 über “Hartz IV” in den so gefeierten ersten Arbeitsmarkt zurückgeholt werden sollten, die profitieren davon nicht.

Von der saisonbeeinflussten Arbeit sowieso nicht. Auch bei den Freiluftberufen werden keine ungelernten Arbeitskräfte gesucht, sondern Fachleute. Ein Fakt, den auch die “Süddeutsche” beleuchtet.

Und was bei der Auswertung für den Februar hinter dem Wörtchen “saisonal” verschwindet, ist die Tatsache, dass dem deutschen Arbeitsmarkt die Fachkräfte immer mehr zur Neige gehen. Die Beschäftigtenzahlen steigen, die Angebote von Unternehmen nehmen zu, selbst die Jugendarbeitslosigkleit und die Unterbeschäftigung nehmen ab.

Ãœberall wird sichtbar, dass es in den Zahlen eine Widerstandszone gibt. In Leipzig mittlerweile ganz deutlich spürbar, denn die saisonalen Einflüsse sind auf die Leipziger Arbeitslosigkeit deutlich geringer als in anderen Städten. Hier dominiert der Dienstleistungsbereich – vor dem Gesundheits- und Sozialwesen und erst an dritter Stelle folgt das Verarbeitende Gewerbe (zu dem der Bau gehört). In den dominierenden Branchen dominieren zwar auch die nicht allzu üppig bezahlten Jobs, was trotzdem nicht heißt, dass es unqualifizierte Jobs sind. Sind sie nicht.

Doch auch für diese Arbeiten braucht man Menschen, die leistungsfähig und qualifiziert sind. Oder qualifiziert werden können. Und das trifft auf viele, die in ALG II gestrandet sind, eben nicht (mehr) zu. Auf Langzeitarbeitslose, die in den letzten Jahren oft noch eine gewisse Chance auf die mittlerweile stark eingeschränkten “Arbeitsmarktinstrumente” hatten, genauso wie auf die jungen Leute, die keinen Schul- und keinen Berufsabschluss haben. Nur wenige von ihnen bekommen überhaupt noch einen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt angeboten. Und wenn, dann ist es zumeist ein befristeter für 3, 6 oder vielleicht auch mal 12 Monate.

Und so hat das milde Wetter nur einen geringen Einfluss auf die Leipziger Arbeitslosenzahlen im Februar.

Die Leipziger Zahlen

Insgesamt waren 28.727 (Vormonat 28.510) Männer und Frauen in der Stadt Leipzig arbeitslos. Der Anstieg im Vergleich zum Januar 2015 betrug 217 Personen. Im Vergleich zum Februar des Vorjahres ist die Zahl der Arbeitslosen um 1.923 zurückgegangen. Das ist die niedrigste Arbeitslosigkeit in einem Februar seit Anfang der 1990er Jahre, freut sich die Leipziger Arbeitsagentur.

Das wird so weitergehen. Das ist jetzt schon sicher.

Aber das liegt nicht an der emsigen Arbeit der Vermittlerinnen, sondern an der demografischen Entwicklung: Die geburtenschwachen Jahrgänge sind seit drei Jahren in der Berufsausbildung angekommen. Damit wächst die Lücke zwischen Fachkräftenachfrage und Nachwuchs jedes Jahr weiter.

Und der Ärger bei den Unternehmen natürlich, die mit vielen jungen Bewerbern nichts anfangen können, weil diese die Grundlagen für eine Ausbildung nicht mitbringen. Und so wächst die Jugendarbeitslosigkeit im Februar sogar wieder: Bei den jungen Menschen bis 25 Jahren stieg die Zahl der Arbeitslosen um 152 auf 2.265 (Vorjahr: 2.977).

Die langjährige Entwicklung der Arbeitslosenzahlen in Leipzig. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig
Die langjährige Entwicklung der Arbeitslosenzahlen in Leipzig. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig

Bei den Lebensälteren in der Altersgruppe ab 50 Jahren sank die Arbeitslosigkeit um 78 auf 8.743 Personen (Vorjahr: 9.243). Was aber nichts bedeutet. Das ist die Größenordnung der ganz normalen Altersabgänge.

Dasselbe gilt für die Zahl der Langzeitarbeitslosen: Gegenüber dem Vormonat fiel sie um 63 auf 9.044. Im Vergleich zum Februar 2014 gab es 448 Langzeitarbeitslose weniger.

Beim Zugang an offenen Arbeitsstellen hingegen verzeichnete die Arbeitsagentur Leipzig im Februar einen Anstieg gegenüber dem Vormonat. Die Wirtschaft und die Verwaltung haben in den letzten vier Wochen 1.560 freie Stellen, das waren 195 mehr als im davor liegenden Monat (1.365) und 64 weniger als vor einem Jahr, zur Besetzung gemeldet.

Die Wirtschaft sucht also. Und findet in einigen Segmenten immer seltener.

Im Januar waren 6.761 Menschen im Rechtskreis SGB III – ALG-I-Empfänger in der Betreuung der Arbeitsagentur – arbeitslos gemeldet. Das waren 31 weniger als im Vormonat und 529 weniger als im Februar 2014.

Im Rechtskreis SGB II hingegen – im Leipziger Jobcenter – waren 21.966 Menschen als arbeitslos registriert. Das waren 248 mehr als im Januar 2015 und 1.394 weniger als vor einem Jahr.

76,5 Prozent aller arbeitslosen Leipziger wurden vom Jobcenter und 23,5 Prozent von der Arbeitsagentur Leipzig betreut. In Leipzig gab es im Februar 41.873 Bedarfsgemeinschaften. Das sind 243 mehr als im Vormonat, aber 1.277 weniger als im Februar des Vorjahres.

Und innerhalb dieser Bedarfsgemeinschaften betreut das Jobcenter Leipzig 52.025 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Im Vergleich zum Vormonat betrug der Anstieg 305. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl um 1.663 Personen.

Die Entwicklung der sv-pflichtigen Beschäftigung in Leipzig

Die andere Seite der Statistik ist natürlich der Anstieg der Beschäftigtenzahlen. Diese Meldungen gibt es immer mit einem halben Jahr Verspätung.

Die Entwicklung der sv-pflichtigen Beschäftigung in Leipzig seit 2009. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig
Die Entwicklung der sv-pflichtigen Beschäftigung in Leipzig seit 2009. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig

Allein von Juni 2013 bis Juni 2014 stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Leipzig von 229.832 auf 241.065. Es entstanden also binnen eines Jahres über 11.000 neue Arbeitsplätze. Seit 2006 sind es sogar über 35.000.

Und wo werden nun eigentlich Leute gesucht in Leipzig?

In der Produktion (917), im Bereich Logistik und Sicherheit (637), in Verwaltung und Buchhaltung (529), Handel und Vertrieb (474) und natürlich im wachsenden Feld von Gesundheit (Pflege) und Erziehung (454).

Und ein Fakt macht deutlich, was für schlechte Chancen Langzeitarbeitslose ohne die richtige Berufsqualifikation tatsächlich haben: Die meisten Stellengesuche laufen noch immer über Zeitarbeit – 1.727 im Februar, also ungefähr die Hälfte aller Angebote. Viele Firmen versuchen also ihren Bedarf nach wie vor über Dienstleister aus der Leiharbeitsbranche abzudecken. Und das sind auch nicht nur Firmen aus der Region. Zeitarbeiter müssen einsatz- und reisefreudig sein. Und dieses Phänomen wird wohl noch eine Weile so erhalten bleiben, denn in Süddeutschland ist der Hunger nach Fachkräften noch viel größer als in Sachsen.

Lösungen?

Naja: Ein echtes Qualifizierungs- und Schulungsprogramm für die schwer vermittelbaren 2.200 Jugendlichen im Register der Arbeitsagentur wäre ein Anfang. Sinnvoll wäre es auch. Nur das Programm fehlt.

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