Der Stadtrat hat jetzt mal wieder die Informationsvorlage zur Zielerreichung des Jobcenters Leipzig vorliegen. Ein Zahlenwerk mit Tücken, das eher verschleiert, was das Jobcenter eigentlich getan und erreicht hat. Die L-IZ hat am 20. April schon eine erste Auswertung des Papiers vorgenommen, die zeigt, wie deutlich die Ziele der Stadt Leipzig 2014 wieder verfehlt wurden. Aber mit den Bundeszielen sieht es nicht besser aus.

Auch wenn da forsch steht “Das Ziel wurde erreicht”. Etwa Ziel Nummer 2: “Verbesserung der Integration in Erwerbstätigkeit”. Die Mauschelei fängt schon damit an, dass den Stadträten, die das Papier vorgelegt bekommen, die Tücken der Zählweise vorenthalten wird: “Gemessen wird das Ziel über die Integrationsquote. Hier wird die kumulierte Anzahl aller Integrationen 2014 ins Verhältnis zur durchschnittlichen Anzahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (eLb) 2014 gesetzt.” So weit stimmt das auch. Nur die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen  Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt, einer vollqualifizierenden   Ausbildung oder einer selbständigen Tätigkeit werden als Integration gewertet. Tätigkeiten im zweiten Arbeitsmarkt (Arbeitsgelegenheiten  –  AGH oder Förderungen eines Arbeitsverhältnisses – FAV) werden nicht als Integration gezählt.

So weit so gut. Der Laie denkt dabei: Oha – wenn auf 100 Erwerbslose 28,9 “Integrationen” kommen, dann ist die Stadt doch in vier Jahren die Arbeitslosigkeit los. Dann sind sämtliche Arbeitsuchenden “integriert”. Prima.

Dem ist aber nicht so, wie Paul M. Schröder vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung  und Jugendberufshilfe e. V. (BIAJ) aus aktuellem Anlass mal wieder feststellt, weil nicht nur Kommunalpolitiker sich vom Schein der Zahlen trügen lassen, sondern auch Journalisten.

So heißt es im beeindruckenden Regelwerk für die zumeist gründlich ins Leere laufende Hartz-IV-Verwaltung: “Für jeden erwerbsfähigen Leistungsberechtigten kann pro Bezugsmonat eine Integration gezählt werden. Deshalb ist es denkbar, dass – statistisch betrachtet – ein und dieselbe Person bis zu zwölf Mal pro Jahr in ein Beschäftigungsverhältnis  integriert wird. Die Kennzahl gibt also nicht wieder, wie viele  verschiedene Personen im vergangenen Jahr in ein  Beschäftigungsverhältnis integriert wurden, sondern die Anzahl der Integrationen bezogen auf den durchschnittlichen Bestand an erwerbsfähigen Leistungsberechtigten.”

Und so klingen 15.254 “Integrationen” auf 52.768 erwerbsfähige Leistungsberechtigte erst einmal mächtig gewaltig. Das hätte eigentlich übers Jahr zu einem Abschmelzen der Zahl der als erwerbsfähig gezählten Leistungsbezieher im Leipziger Jobcenter auf ungefähr 40.000 führen müssen, hat es aber nicht.

Die Zahl ist tatsächlich nur von 54.089 abgeschmolzen auf 52.768. Wenn man gutwillig ist, dann sind rund 1.300 dieser Personen (wieder) in den Arbeitsmarkt integriert worden.

Mindestens 14.000 “Integrationen” haben also noch innerhalb des Erfassungsjahrs dazu geführt, dass die Betroffenen entweder nach einem kurzfristigen Arbeitsverhältnis wieder stantepede zum Jobcenter zurückkehrten – die “Integration” war also nichts anderes als die Belieferung des Arbeitsmarktes mit kurzfristig einsetzbaren Saisonarbeitskräften.

Oder die “Integration” führte zwar in ein längerfristiges Arbeitsverhältnis, beendete aber nicht die Abhängigkeit von den Unterstützungsleistungen vom Jobcenter, weil es eines der unzähligen Niedriglohnarbeitsverhältnisse war.

Egal, welcher Variante man den Vorzug gibt, beide erzählen davon, dass das Jobcenter bei der nachhaltigen und dauerhaften Vermittlung in eine Erwerbstätigkeit, die auch den Lebensuntehalt für den Arbeitenden und seine Familie sichert, praktisch keine Rolle spielt. Sie grabbelt am Rande des Arbeitsmarktes herum, wo Unternehmen die Dienstleistungen des Jobcenters als Personalvermittler sehr wohl zu schätzen wissen, ohne dass die vermittelten Jobs auch nur ansatzweise das sind, was man so amtlicherseits gern das “Fußfassen auf dem 1. Arbeitsmarkt” nennt. Man hat mit dem SGB II tatsächlich ein Heer leicht verfügbarer preiswerter Arbeitskräfte geschaffen, die gern mit Saisonverträgen eingestellt werden. Doch diesen Personen fehlen oft die nötigen Qualifikationen, um tatsächlich wieder langfristig in einem Unternehmen angestellt zu werden.

Hinter der leicht gestiegenen Zahl von “Integrationen” (von 15.195 auf 15.254) steht im Grunde keine orginäre Vermittlungs- und Qualifizierungsleistung des Jobcenters, sondern ein zumindest 2014 noch immer wachsender Bereich von Dienstleistern, die mit kurzfristig eingestellten Arbeitskräften die Lohnkosten niedrig halten und dabei von der besonderen Statistik im Reich von “Hartz IV” profitieren.

In Sachsen ist übrigens die Zahl der Integrationen von 2013 auf 2014 gesunken – von 77.877 auf 75.460. Ein Trend, der seit Jahren anhält und parallel mit dem Abschmelzen der Erwerbslosenzahl einher geht. Da fällt es schon auf, dass im Leipziger Jobcenter (trotz ebenfalls sinkender Arbeitslosenzahl) die Zahl der “Integrationen” anstieg. Oder angestiegen sein soll. Denn auch die Leipziger Zahlen scheinen nicht so recht zu stimmen. Aus der Statistik der Arbeitsagentur las Paul M. Schröder für Leipzig im Jahr 2013 insgesamt 15.784 “Integrationen” heraus, für 2014 dann 15.755.

“Trotz geringerer Anzahl erwerbsfähiger Leistungsberechtigter (eLb)  konnte die Zahl der Integrationen gegenüber 2013 um 59 gesteigert werden”, suggeriert das Jobcenter in der Vorlage pure Freude. Auch so kann man Menschen auf Trab halten, ohne ihnen tatsächlich eine Chance zu bieten, wieder eine ordentlich bezahlte Stelle auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen.

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…”Auch so kann man Menschen auf Trab halten, ohne ihnen tatsächlich eine Chance zu bieten, wieder eine ordentlich bezahlte Stelle auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen.”…. Und wie gänge das besser als bisher getan? Das eine Behörde ihre Erfolge kommuniziert und nicht ihre Misserfolge ist für mich nachvollziehbar. Arbeit und Arbeitsfähige/Willige zusammenzubringen ist Aufgabe der Agentur. Den Arbeitswillen/die Arbeitsfähigkeit (wieder)herzustellen muss in vielen Fällen eine gesamtgesellschaftliche (generationenübergreifende) Aufgabe sein. Dies betrifft ganz aktuell in großem Umfang die nun Arbeitsberechtigten Asylbewerber in Leipzig die aufgrund fehlender Sprachkompetenz viel zu oft keine reale Vermittlungschance haben. Und wieso die Sprachkompetenz trotz oft mehrjährigem Aufenthalt in Leipzig fehlt und wie das geändert werden kann – das wäre mal eine Fragestellung!

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