Wie entwickelt sich eigentlich das Jahr 2015? Wohin geht die Reise bei Arbeitslosenzahlen und Beschäftigten in Sachsen? Die Bundesagentur für Arbeit hat ja ein eigenes Institut, das solche Dinge versucht zu errechnen. Das ist das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Und auch für Sachsen verheißt dessen Frühjahrs-Prognose gute Zeiten.

“Im Freistaat Sachsen könnte die Beschäftigung um rund 18.000 höher liegen als im Jahr 2014. Die Arbeitslosigkeit hingegen könnte im Jahr 2015 um rund 10.000 abnehmen und einen neuen Tiefstand erreichen”, liest die Sächsische Arbeitsagentur für sich aus dem Papier heraus.

„Der sächsische Arbeitsmarkt entwickelt sich in diesem Jahr wie erwartet positiv. Die Frühjahresprognose des IAB lässt uns optimistisch auf das Jahr blicken“, sagte Dr. Klaus Schuberth, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit, am Freitag, 24. April.

“Die Forscher des IAB rechnen in diesem Jahr auch mit einem weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit. In Sachsen könnte im Jahresdurchschnitt 2015 die Arbeitslosigkeit um 5,5 Prozent oder rund 10.000 weiter abnehmen. Damit würden durchschnittlich rund 177.100 Menschen arbeitslos gemeldet sein”, nimmt sich die Landesarbeitsagentur wieder den Mittelwert aus der errechneten Prognose. Kann man machen. Auch wenn da “Mittelwert” steht, hat man es trotzdem nur mit einer Prognose zu tun, die zumindest zwei wesentliche Unsicherheitsfaktoren aufweist. Der eine ist die selbst schon auf einer Prognose beruhenden Zahl von 1,9 Prozent Wachstum des bundesweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP). Mittlerweile werden auch schon 2,2 Prozent Wachstum im Jahr 2015 gehandelt, zuvor waren es 1,6 Prozent.

Nur ist es historisch so, das vom BIP-Wachstum vor allem die süddeutschen Bundesländer profitieren. In den ostdeutschen Bundesländern kommt meist nur ein kleiner Teil des Aufschwungs an. Deswegen versucht das IAB dann die regionale Entwicklung durch das Miteinrechnen von “langen Zeitreihen” mit aufzunehmen. Heißt: Man versucht die Zukunft des regionalen Arbeitsmarktes aus seiner jüngeren Entwicklung zu errechnen. Was auch schief gehen kann. Denn was passiert eigentlich, wenn eine wachsende Wirtschaft auf einen zunehmenden Bedarf an Fachkräften stößt, der Nachwuchs aber fehlt? Geht dann die Arbeitslosigkeit trotzdem weiter zurück?

Die Sächsische Arbeitsagentur sieht das so: “Innerhalb der elf sächsischen Arbeitsagenturbezirke geht die Arbeitslosigkeit voraussichtlich in Annaberg-Buchholz am kräftigsten zurück. Mit einem Rückgang um 9,6 Prozent liegt Annaberg-Buchholz nicht nur in Sachsen, sondern auch im Vergleich aller bundesweit 156 Arbeitsagenturen an der Spitze. Der geringste Rückgang innerhalb Sachsens wird für Dresden mit minus 2,1 Prozent prognostiziert.”

Rückgang von Arbeitslosigkeit heißt aber nicht unbedingt Aufbau von Arbeitsplätzen am selben Ort. Der Aufbau von Beschäftigung findet in Sachsen woanders statt.

Im Bereich der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung liegt Leipzig an der Spitze beim Beschäftigungsaufbau und erreicht Platz fünf im bundesweiten Ranking, liest Sachsens Arbeitsagentur aus dem Zahlenwerk, das sich in den letzten Jahren als recht verlässlich erwiesen hat. Man kommt also der tatsächlichen Entwicklung recht nahe in der Prognose. So lange der Laden gut läuft und keine neue Krise dazwischenhaut.

Die Leipziger Arbeitslosenzahl könnte – nach Berechnungen der IAB-Experten – von 28.300 auf 26.900 zurückgehen. Gleichzeitig könnte die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Leipzig von 241.600 auf 248.600 steigen.

Wobei zu berücksichtigen ist: Das IAB konnte die Prognosen nicht auf dem Jahresendwert von 2014 berechnen, sondern nahm den Frühjahrswert von 2014 zur Rechenbasis. Bei den Beschäftigtenzahlen hängt die Statistik stets gewaltig hinterher. Leipzig hätte – wenn das so kommt – trotzdem den höchsten Beschäftigungszuwachs in Sachsen mit 2,9 Prozent. Das ist in etwa das Entwicklungstempo, das derzeit auch Berlin hinlegt mit 2,5 Prozent. Was auch eine Menge darüber erzählt, wie sich Wirtschaft verändert und welche wachsende Rolle Logistik und Dienstleistung heute spielen.

Insgesamt wächst der Westen der Republik nach dieser IAB-Prognose trotzdem schneller als der Osten.

Aber auch dieser Wert könnte mit Unsicherheiten behaftet sein. Denn die IAB-Rechnung beinhaltet nur die sv-pflichtigen Beschäftigungsverhältnisse. Zu den 1,5 Millionen Arbeitsverhältnissen dieser Art kamen in Sachsen bislang immer noch 0,5 Millionen obendrauf, zu denen auch alle freiberuflichen Tätigkeiten zählen. Einige von diesen sind schon in den letzten Jahren in das Heer der SV-Pflichtigen gewechselt. Was dann wieder Statistiker zur Verzweiflung bringt, weil damit Neugründungen von Betrieben weniger werden. Und das ist für die Innovationsfähigkeit eines Landes gar nicht gut.

Andererseits scheint sich nun ausgerechnet der so heftig befehdete Mindestlohn als Konjunkturmotor zu erweisen. Eigentlich kein Grund zum Staunen. Aber einige Vertreter der neoliberalen Wirtschaftstheorien glauben mit aller Inbrunst daran, dass niedrige Löhne eine Wirtschaft voranbringen. Niedriglöhne tun das aber augenscheinlich nicht. Im Gegenteil. Sie bremsen die Kaufkraft.

„Insgesamt erweist sich die Konsumnachfrage als wichtigste Stütze der Konjunktur“, heißt es nun vom IAB. Trotz der Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten sowie der insgesamt schleppenden Entwicklung in der Eurozone habe sich in Deutschland der Export gut entwickelt. Der schwache Eurokurs begünstige den Absatz deutscher Exportgüter im Ausland. Zusätzlich wirke in den ostdeutschen Ländern auch der demografische Effekt. Es treten nämlich nur noch halb so viele neue Fachkräfte in den Arbeitsmarkt ein, wie aus Altersgründen ausscheiden. Was übrigens seit fünf Jahren der Hauptgrund für die sinkende Arbeitslosigkeit in Sachsen ist. Die Arbeitslosenzahl selbst schmilzt nicht wirklich durch verbesserte Chancen auf dem Arbeitsmarkt, sondern dadurch, dass jedes Jahr ältere Arbeitsuchende in die Rente abwandern und die jungen Jahrgänge fast komplett in den Arbeitsmarkt kommen.

Auch wenn man bei der sächsischen Arbeitsagentur glaubt, man könne aus eigenem Fleiß die Entwicklung irgendwie vorantreiben: “Die Prognose des IAB bildet eine gute Grundlage für unsere Arbeit. Wir wollen verstärkt Frauen und Männer unterstützen, die bisher nur wenig von der positiven Entwicklung profitieren konnten. Dazu gehören vor allem Langzeitarbeitslose. Durch zielgerichtete und individuelle Qualifizierung sowie eine intensive Betreuung wollen wir für diese Menschen die Chancen auf eine Beschäftigung erhöhen und damit auch einen Beitrag zur Fachkräftesicherung für die sächsische Wirtschaft leisten“, sagte Schuberth am Freitag.

Wenn es dafür jetzt auch noch echte Qualifizierungs- und Vermittlungsprogramme gibt, könnte das ja funktionieren.

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Es gibt 2 Kommentare

Ich frage mich ernsthaft, wie diese Aussagen zustande kommen. Wenn man z. B. in Leipzig, (auch mit entsprechenden Qualifizierungen), eine Arbeitsstelle sucht, so hat man nur Zeitarbeitsunternehmen zur Auswahl, bzw. private Arbeitsvermittler, die auch nur an Zeitarbeitsunternehmen vermitteln und dafür vom Arbeitsamt die Vermittlungsgebühr kassieren. Und in vielen Zeitarbeitsunternehmen arbeiten viele Qualifizierte Menschen, wenige, die keine Ausbildung vorzuweisen haben, jedenfalls hier im Osten. Manche Forscher in diesen Instituten und die Politiker kennen wahrscheinlich diese Fakten nicht, weil sie weit weg von der Basis sind. Und außerdem wird in Zeitarbeitsunternehmen schlecht bezahlt. Da kann man dann gerade so davon leben. Es gibt sicher einige, die etwas mehr verdienen, wie z. B. bei Porsche und BMW, aber das ist die Ausnahme.

Am Sinn derartiger Institute, von denen es nicht wenige gibt, scheiden sich die Geister. Vor nicht allzu langer Zeit, als die Finanzmärkte mit rasender Geschwindigkeit auf Talfahrt waren, war von diesen Instituten nicht zu sehen und zu hören. Gar nichts.
Sie bzw. ihre Prognosen waren wie vom Erdboden verschwunden.

In der Zwischenzeit versuchen sie wieder ihre Existenzberechtigung nachzuweisen. Als Helfer steht ihnen die Politik tatkräftig zu Seite. Als Dank hat beispielsweise kürzlich der Präsident des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW), der vom Wirtschaftsministerium bzw. Wirtschaftsminister, Herrn Gabriel SPD!, als Chef einer Expertenkommission zur Stärkung von Investitionen in die öffentliche Infrastruktur berufen wurde, die Ergebnisse dieser Experten, die in Wahrheit bezüglich dieser Thematik keine Experten sind, vor den Medien in Berlin präsentiert. Der wesentlichste Vorschlag ist – nach mehrmonatiger Arbeit!! – privates Kapital dafür einzusetzen. Unverschämter und skrupelloser geht es kaum. Der Wirtschaftsminister soll diesen Vorschlag mit großem Interesse zu Kenntnis genommen haben. Der “kleine Mann” erhält seit Jahren keine Zinsen auf seine Sparguthaben, überall klopft sich die Politik auf die Schultern, weil sie die Verschuldung in Angriff nehmen will, und nun so ein erbärmlicher Vorschlag. Das private Kapital (u,a, von Versicherungen, Fonds) wwürde ja nicht zum Null-Tarif bereit gestellt, Außerdem würde bei dieser Verfahrensweise bewusst / vorsätzlich gegen einen der wichtigsten Haushaltsgrundsätze verstoßen – der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Das u,a, deshalb, weil erst einmal die eigenen Einnahmemöglichkeiten ausgeschöpft werden müssen und die Ausgaben wirtschaftlich und sparsam zu erfolgen haben. Dazu ist nach oben sehr viel Spielraum. An vorderster Stelle stehen dabei Reformen der kommunalen Finanzkontrolle, der Steuerfahndung und der Wirtschaftsprüfungen. Allein diese würden ausreichen, um nicht einen Euro privates Kapital zu benötigen. Weshalb sind solche Vorschläge nicht von dieser angeblichen Expertenkommission gekommen?

Zurück zu derartigen Instituten. Der überwiegende Teil davon hat keine Existenzberechtigung. Deren Finanzierung ist Steuergeldverschwendung.
Der Bund der Steuerzahler, der jedes Jahr mit seinem Schwarzbuch die Bürgerinnen und Bürger verdummt, hat es bisher nicht gewagt, das aufzuzeigen. Wird er auch nicht machen, denn er sitzt ja im gleichen Boot. Eine Krähe hackt bekanntlich der anderen kein Auge aus.

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