Wie bekommt man den Anpassungsdruck für eine Großstadt heraus? Haben die ländlich geprägten Stadtteile am Rand Leipzigs nicht ganz andere Probleme als die besonders vom Hitzestau geplagten im Zentrum? Von Mai 2014 bis Juni 2015 haben die Forscher vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in Leipzig fleißig gemessen. Die Ergebnisse könnten im September vorliegen, verspricht Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal.

Aber 2014 nutzte sein Dezernat die Gelegenheit, in zwei innerstädtischen Gebieten durch gesonderte Befragungen auch die besondere Klimaempfindlichkeit ihrer Bewohner zu erfassen. Gesondert befragt wurden die Südvorstadt und das Kolonnadenviertel.

Beide Wohngebiete liegen zwar im Inneren der Stadt, gelten auch als begehrt, unterscheiden sich aber trotzdem.

So ist der Anteil der Südvorstädter mit Hochschul- oder Fachschulabschluss mit 66 Prozent mehr als doppelt so hoch wie im gesamten Stadtgebiet, dafür leben im Durchschnitt mehr Menschen in einer Wohnung, mit 27 Prozent ist der Anteil der Besserverdienenden (über 2.000 Euro) deutlich  höher als in der Stadt (18 Prozent). Man wohnt zu 95 Prozent zur Miete und zum größten Teil (65 Prozent) in Gründerzeithäusern.

Im Kolonnadenviertel ist zwar auch der Anteil der Hochschulabsolventen recht hoch (48 Prozent), dafür wohnen hier mehr Rentner als im Süden (aber weniger als im Stadtdurchschnitt), mehr Menschen mit niedrigem Einkommen und es dominiert eindeutig der DDR-Neubau (65 Prozent).

Das alles sind Grundbedingungen, die natürlich den Umgang mit Klimabelastungen beeinflussen. Klimaseitig hat das Kolonnadenviertel dabei ein paar Nachteile gegenüber der Südvorstadt: etwas weniger Balkone (50 Prozent gegenüber 61 Prozent). Selbst die Gesamtstadt kommt auf 61 Prozent. Bei nutzbaren Innenhöfen übertreffen beide Quartiere den Stadtdurchschnitt von 55 Prozent mit 75 bzw. 62 Prozent. Dafür hat man weniger Gemeinschaftsgärten und eine deutlich schlechtere Ausstattung mit Sonnenschutz oder gar Dachterrasse.

Dafür ist man mit den vorhandenen Grünanlagen sowohl in der Südvorstadt (84 Prozent) als auch im Kolonnadenviertel (88 Prozent) zufriedener als im Stadtdurchschnitt (75 Prozent), ähnlich ist es bei der Zufriedenheit mit dem Zustand der Anlagen. Und man geht öfter hin. Während der Durchschnitt der Stadtbevölkerung zu 65 Prozent mindestens einmal in der Woche in einen Park spaziert, tun es die Südvorstädter zu 81 Prozent, die Bewohner des Kolonnadenviertels zu 80 Prozent. Das liegt natürlich auch an der Nähe zu attraktiven Grünanlagen. Aber man kompensiert so natürlich auch die nicht unbedingt klimataugliche Ausstattung der Wohnungen. Und bei allen Nutzungsarten, vom Spazierengehen bis zum Treffen mit Freunden, weicht man in beiden Stadtquartieren deutlich nach oben vom Stadtdurchschnitt ab.

Die Bewohner beider Ortsteile halten sich also deutlich öfter als andere Leipziger im Freien auf und haben dabei deutlich mehr Geselligkeit. So gesehen sind beide Quartiere auch so etwas wie Pionierprojekte, in denen die Bewohner schon mal ausprobieren, wie man mit einem veränderten Klima zurechtkommen kann. Und welche neuen Lebensqualitäten man sich dabei erobert.

Nur bei zwei Faktoren bleiben beide Quartiere auf dem Stadtdurchschnitt:

Beim Gassigehen mit den Hunden (da würde wohl eher Connewitz deutlich vom Durchschnitt abweichen) und beim Spielen mit Kindern in den Parks. Denn augenscheinlich entwickeln Hundebesitzer bzw. junge Eltern überall ganz ähnliche Nutzungsmuster für Grünanlagen, da spielt das Klima eher nur eine untergeordnete Rolle.

Da könnte man natürlich so die Hoffnung haben: Wenn die Leute in diesen beiden Ortsteilen schon gezwungen sind, sich mit dem Thema – insbesondere der innerstädtischen Hitzebelastung – zu beschäftigen, haben sie vielleicht auch schon die besseren Ideen, wie man auf die Hitzebelastung auch reagieren kann. Eine eingeschränkte Hoffnung, denn die Teilnehmer der Befragung mussten sich natürlich an das vorgegebene Raster halten.

Nur da und dort wird deutlich, dass sich die beiden extra abgefragten Bevölkerungsgruppen einige Dinge noch viel mehr wünschen als der durchschnittliche Leipziger. So weicht der Wunsch nach Dachbegrünung (Südvorstadt 62 Prozent, Kolonnadenviertel 57 Prozent) deutlich vom Stadtdurchschnitt (46 Prozent) ab. Auch bei Entsiegelung und Fassadenbegrünung sind die Werte höher.

Bei mehr Bäumen auf Straßen und Plätzen, Hausdämmung oder begrünten Innenhöfen liegt man eher auf dem Durchschnitt der Stadtbevölkerung. Aber das wohl auch, weil auch in der gesamten Stadt die abgefragten Werte zu diesen Themen sehr hoch sind. Zeichen wiederum dafür, dass Südvorstadt und Kolonnadenviertel beim Thema Hitzebelastung nicht unbedingt Ausnahmeviertel sind. Sie sind nur sehr typisch für eine Stadt wie Leipzig. Und sie machen deutlich, dass Leipzigs Verwaltung gut beraten ist, die Stadt bei der Klimaanpassung ganzheitlich zu betrachten.

Auch wenn es Themen gibt, bei denen die Leute zum Beispiel in der Südvorstadt die Dinge ganz und gar nicht so sehen, wie die aufgeregte Stadtmehrheit.

Aber dazu kommen wir morgen an dieser Stelle.

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