Möglicherweise ein Thema, das gerade an diesem Wochenende wieder mal erlebbar wird, sind natürlich die Extremwetterereignisse, die mit dem Klimawandel einhergehen. Denn immer mehr Energie in der Atmosphäre bedeutet nicht nur mehr Hitze und mehr Dürre, sondern auch mehr heftige Entladungen in Form von Sturm, Starkregen, Gewittern, Hagel. Aber müssen die Leipziger jetzt für den Katastrophenfall vorsorgen?

Oder sollte man eher sagen: Können sie es überhaupt? Denn wirklich Schutzvorkehrungen treffen gegen Stürme, Hagel, Starkregen und Hochwasser kann man nicht. Gegen Letzteres schon – indem man nämlich konsequent die Täler der großen Flüsse meidet und sie nicht noch mehr zersiedelt und verbaut. Im Hochwasserfall brauchen Flüsse breite Abflussrinnen mit viel Fassungsvermögen, sonst schwappen sie tatsächlich über.

Aber da merkt man ziemlich schnell, wie seltsam der Spagat der sächsischen Ministerien und Verwaltungen ist: Sie scheuen sich, die schlichten Wahrheiten auszusprechen, verhängen keine Bebauungsverbote, pumpen aber jedes Jahr weitere Millionen in immer höhere Deiche, Staumauern und Schutzvorrichtungen.

Natürlich kommt Hochwasser in der Klimawandel-Befragung der Leipziger auch vor.

79 Prozent der Befragten ist durchaus bewusst, dass der Klimawandel auch vermehrt Dürren und Hochwasserereignisse mit sich bringt. 86 Prozent wissen auch, dass Stürme, Hagel und Starkregen mit steigenden Lufttemperaturen ebenfalls zunehmen. Und der kleine Nebeneffekt der Befragung war auch die hohe Zahl von Befragten, die angaben, schon einmal von einem Extremwetterereignis betroffen gewesen zu sein. Selbst Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal war beeindruckt: 50 Prozent aller Befragten gaben schon mal erlittene Sachschäden durch Extremereignisse an.

Kleine, scharfe Kurve: Ach ja? Kleine scharfe Nachfrage: In welchem Zeitraum eigentlich?

Kleine eindeutige Antwort: Das haben Leipzigs Statistiker einfach vergessen zu konkretisieren. Und wer schon ein Weilchen auf der Welt ist, der weiß, dass einige Extremereignisse aller paar Jahre immer wiederkommen. Und je länger man lebt, umso mehr davon hat man gesehen. Und die älteren Befragten können sich bestimmt auch noch an das Hochwasser von 1954 erinnern.

Deswegen klingen die 50 Prozent zwar viel, sind es aber nicht. 80 bis 90 Prozent wären eigentlich folgerichtiger gewesen. Tatsächlich sagt das Ergebnis dann nämlich aus, dass Leipziger relativ selten von Extremwetterereignissen betroffen waren. Bis jetzt. Was noch kommt, weiß ja keiner.

Die meisten haben – logischerweise – Schäden durch diverse Hagelereignisse erlitten. Wie zuletzt durch das Hagelereignis vom 16. Juni 2006, als eine drei Kilometer breite Hagelfront direkt über Leipzigs Mitte zog und hühnereier- und schneeballgroße Hagelkörner tausende Pkw-Dächer und Motorhauben zerdellten und bei vielen auch die Scheiben zertrümmerten. Auch an öffentlichen Gebäuden der Stadt gab es zerschlagene Fensterscheiben. Und noch Jahre später sah man viele Autos mit dem eindrucksvollen Hagelmuster durch Leipzig fahren.

Logische Folge: 34 Prozent der Leipziger gaben an, von Hagel schon einmal geschädigt worden zu sein, 6 Prozent sogar mehrfach. Was auch wieder logisch ist: Wer älter ist, kann sich auch an frühere Hagelschäden erinnern. Und dass Extremniederschläge an zweiter Stelle folgen, ist auch nicht verwunderlich. Denn bei solchen Ereignissen kommt binnen weniger Stunden so viel Wasser vom Himmel, dass die Leipziger Kanalisation an einigen Stellen überläuft. Straßen verwandeln sich in Seen und reihenweise laufen Keller voll. 27 Prozent der Leipziger haben so etwas schon erlebt, 12 Prozent schon mehrfach.

Und Stürme, die auch mal Bäume umstürzen, die dann auch mal auf Autos oder Wohnhäusern landen, kennt Leipzig auch schon seit Längerem. Mal decken sie Dächer ab, mal verwüsten sie Vor- und Kleingärten. 19 Prozent der Leipziger geben an, durch Stürme schon einmal Sachschaden erlitten zu haben, 6 Prozent auch schon mehrfach.

Unwetter am Abend des 22. Juli 2015 über Leipzig. Foto: Patrick Kulow
Unwetter am Abend des 22. Juli 2015 über Leipzig. Foto: Patrick Kulow

Und das medienwirksamste Thema in Leipzig sind nun einmal Hochwasser.

Im Juni 2013 spülte ja bekanntlich das letzte durch Leipzig. Die Deiche hielten. Und trotzdem gab es Schadensmeldungen – nicht nur von der Stadt. Denn wenn Hochwasser sich in der Weißen Elster stauen, dann drückt das zwangsläufig auch auf die Grundwasserstände. Wer damals den Clara-Zetkin-Park besuchte, konnte Wiesen und Park weitflächig unter Wasser sehen. Und genauso drückte das Wasser auch in die Keller einiger Häuser. Wobei interessant gewesen wäre, wenn die Statistiker auch ausgewertet hätten, welche Befragten mit welchem Wohnort Hochwasserschäden zu melden hatten. Denn betroffenen sind in Leipzig nun einmal in der Regel fast immer die selben Gebiete – nämlich alle in den Auen der Weißen Elster, der Pleiße und der Parthe errichteten Gebäude.

Prozentual 14 Prozent der Befragten waren es, die schon einmal von Hochwasserschäden betroffen waren. Auch hier eine kleine Einschränkung: Es wurde nicht gefragt, ob das eigene Wohnhaus betroffen war oder – zum Beispiel – “nur” der Kleingarten. Denn einige der größten Kleingartenanlagen liegen nun einmal mitten im Überschwemmungsgebiet der Weißen Elster. Es ist aber ein gewaltiger Unterschied, ob man als Hausbesitzer oder Mieter in einem Wohnhaus betroffen ist oder nur als Pächter eines Kleingartens. Und es ist auch ein Unterschied, ob die meisten Hochwasserschäden durch Kleingärtner aus Wahren und Möckern gemeldet werden oder durch Hauseigentümer in Schleußig oder dem Waldstraßenviertel.

Grimmige Feststellung zwischendurch: Diese Befragung ist so zielgenau wie eine Aprilhusche. Eine regelrecht verpennte Gelegenheit, wirklich einmal belastbare Zahlen zu bekommen. 86 Prozent der Leipziger hatten übrigens noch nie einen Schaden durch Hochwasser. Und entsprechend können auch viele Befragte mit der Katastrophenverheißung nicht viel anfangen. Nur 21 Prozent der Befragten befürchten, dass ihr Wohngebiet künftig von Extremwetterereignissen betroffen sein könnte. 44 Prozent zucken bei der Frage nur die Schultern.

Aber ohne Grund hatte das Umweltdezernat nicht danach gefragt. Man wünscht sich dort tatsächlich, dass sich die Leipziger auf mögliche Katastrophen vorbereiten.

Und weil den Journalisten bei der Gelegenheit auch gleich eine Katastrophenbroschüre in die Hand gedrückt wurde, machen wir mit dem Thema in Kürze an dieser Stelle weiter.

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