Ist im Dezember auf dem Leipziger Arbeitsmarkt irgendetwas passiert, außer dass ein paar Saisonarbeitskräfte mit Einbruch der winterlichen Witterung wieder in Wartestellung geschickt wurden? Eigentlich nicht. Auch nicht bei den Menschen, die schon längere Zeit arbeitslos sind. Als Eingliederungssystem funktioniert das Jobcenter nicht wirklich.

Oder mal mit den Worten der Vorsitzenden der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Leipzig, Reinhilde Willems, formuliert: “Insbesondere lebensältere Menschen, die schon lange arbeitslos sind, profitieren noch nicht ausreichend von der positiven Beschäftigungsentwicklung. Wir appellieren an die Arbeitgeber, diesen Menschen eine Chance zu geben. Diese bringen oft einen reichhaltigen Erfahrungsschatz mit, der den Unternehmen zugute kommt. Sprechen Sie mit unserem Arbeitgeberservice – auch darüber, wie wir vor allem während der Einarbeitungsphase unterstützen können.”

Kann man machen. Aber die Botschaft gibt es nun seit zehn Jahren immer wieder aufs Neue. Und sie funktioniert praktisch nicht. Denn einen echten Arbeitsmarkt für lebensältere Menschen gibt es nicht.

Und dabei wächst die Erwerbstätigenzahl in Leipzig kontinuierlich. Und soll auch 2016 weiter wachsen.

Im Juni 2015, dem letzten Quartalsstichtag, der nun veröffentlicht wurde, lag die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit Arbeitsort Leipzig bei 248.952. Gegenüber dem Vorjahresquartal war das eine Zunahme um 7.887 oder 3,3 Prozent. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze war seit über 20 Jahren noch niemals so hoch, betont die Arbeitsagentur.

“Im Jahr 2004 waren es noch 191.170 Beschäftigte, damit stieg die Zahl innerhalb von 11 Jahren um 57.782 an. Das ist eine überaus erfreuliche Entwicklung“, meint Willems. “Und auch die Prognose für das Jahr 2016 ist sehr positiv. In Leipzig erwartet das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung einen Beschäftigungszuwachs von ca. 6.000 Arbeitsplätzen.“

Nur eine Bewerbergruppe hat davon so gut wie nichts: Das sind die älteren Arbeitsuchenden. Das wurde auch im Dezember wieder sichtbar.

Nachdem in den letzten Monaten die Zahl der Arbeitslosen immer weiter zurückging, ist diese im Dezember um 309 angestiegen.

“Der Anstieg der Arbeitslosigkeit im Dezember resultiert aus einer geringeren Nachfrage. Erfreulich ist, dass die Zahl der Neuzugänge in Arbeitslosigkeit sehr moderat ausgefallen ist. Neben den saisonalen Gründen liegt das auch daran, dass die Unternehmen ihre eingearbeiteten Mitarbeiter halten“, so Willems.

Es liegt aber auch daran, dass die Ausbildungsjahrgänge seit 2010 halbiert sind. Da sind kaum noch junge Menschen im Drehtür-Effekt unterwegs, anders als bei vielen Älteren, für die saisonale Beschäftigung fast schon der Normalzustand des Lebens ist.

Insgesamt waren im Dezember 2015 25.460 (Vormonat 25.151) Männer und Frauen in Leipzig arbeitslos gemeldet. Der Anstieg in den zurückliegenden vier Wochen betrug 309 Personen. Im Vergleich zum Dezember 2014 waren es 781 weniger.

Aber eben in den einzelnen Altersgruppen gab es im zurückliegenden Monat uneinheitliche Entwicklungen. Bei den jungen Menschen fiel die Zahl der Arbeitslosen, bei den älteren wuchs sie.

Bei den unter 25-Jährigen lag der Rückgang bei 2,4 Prozent und bei den 50-Jährigen und älter betrug der Anstieg 2,5 Prozent. Bei den jungen Arbeitslosen sank die Zahl im Vergleich zum November um 44 und bei den Älteren wuchs sie um 189. So zählte die Statistik im Dezember 1.753 (- 169 im Vergleich zum Dezember 2014) unter 25-Jährige und 7.848 (- 364 im Vergleich zum Dezember 2014) Ältere.

Und wenn sie aus der Statistik verschwinden, dann in der Regel in den Bereich, den die Statistik  so trocken “Nichterwerbstätigkeit” nennt. Ablesbar unter anderem an einer Zahl, die in einem anderen Land in einer anderen Zeit die eigentliche Zahl der Arbeitslosigkeit wäre: Denn die Zahl der “erwerbsfähigen Leistungsberechtigten” im Jobcenter sinkt. Auch im Dezember. Im Oktober lag sie noch bei 50.784, im November bei 50.613, im Dezember nun bei 50.520. Im Jahr 2016 wird sie mit ziemlicher Sicherheit unter die 50.000er-Schwelle sinken. Das ist der eigentliche Sockel der Arbeitslosigkeit in Leipzig (plus die 5.451 Arbeitslosengeldempfänger aus dem Rechtskreis SGB III).

Nur dass einige tausend Personen aus der offiziellen Arbeitslosigkeit herausgerechnet werden, weil sie auf irgendeine Weise aktuell dem Arbeitsmarkt “nicht zur Verfügung stehen”.

Dass jetzt von diesen “erwerbsfähigen Leistungsberechtigten” viele in den vorgezogenen Ruhestand geschickt wurden, wirkt sich auch wieder auf die Zahl der Bedarfsgemeinschaften aus: Die ist gesunken, auch im Dezember. Von 40.759 auf 40.618. Es könnte also passieren, dass Leipzig im Jahr 2016 erstmals seit Einführung von “Hartz IV” unter die Schwelle von 40.000 Bedarfsgemeinschaften kommt. Es ist ein sehr langsamer Prozess. Aber da fast jeder dritte Arbeitsuchende über 50 Jahre alt ist, ist damit zu rechnen, dass der Berg der Dauerbedürftigen in den nächsten Jahren kontinuierlich abschmilzt auf einen Wert um die 30.000.

Wobei eine ganz andere Tabelle in der Dezemberstatistik noch viel interessanter ist.

Denn wenn man die Beschäftigung in Leipzig nach Altersklassen aufdröselt, nimmt die Zahl der Beschäftigten über 50 Jahre kontinuierlich zu: von 70.222 im Juni 2014 auf 73.122. Was nicht davon erzählt, dass auf einmal mehr ältere Arbeitnehmer eingestellt werden, sondern dass die Unternehmen versuchen, ihr erfahrenes Personal möglichst bis zur Rente zu halten. Das heißt: Es gibt keinen nennenswerten Zuwachs aus dieser Alterskohorte in der Arbeitslosigkeit mehr.

Und das hat seinen Grund am anderen Ende der Altersstaffel: Die Zahl der Beschäftigten unter 25 Jahre nahm allein in diesem einen Jahr von 19.875 auf 18.255 ab. Das sind die “halbierten” Ausbildungsjahrgänge. Der Mangel an jungem Berufsnachwuchs zwingt die Unternehmen dazu, ihre älteren Beschäftigten im Betrieb zu behalten. Gleichzeitig wächst natürlich auch die Beschäftigung in der Gruppe der 25 bis 50-Jährigen. Hier ging es von 149.866 auf 156.23 rauf.

Und noch ein Faktor wirkt sich positiv aus: Immer stärker kommen auch Ausländer in Leipzig in Arbeit. Waren im Juni 2014 7.270 in Beschäftigung, waren es ein Jahr später schon 8.721. Und auch diese Zahl wird weiter steigen. Denn mit den eigenen Geburtsjahrgängen kann Leipzig den Bedarf an Arbeitskräften nicht mehr decken.

Und das sind die Wirtschaftsbereiche, in denen am stärksten nach Arbeitskräften gesucht wird: Rohstoffgewinnung, Produktion, Fertigung (1.167 gemeldete Arbeitsstellen im Dezember), Verkehr, Logistik, Schutz und Sicherheit (1.078) und Gesundheit, Soziales, Lehre u. Erziehung (622).

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Es gibt 2 Kommentare

Was verstehen Sie unter echter Marktwirtschaft?

Wenn Brutto gleich Netto ist, wie sollten dann die staatlichen Aufgaben finanziert werden?

Wie wäre es mit echter Markwirtschaft und nicht mit dem Bankensozialismus den wir jetzt haben? Wenn Brutto gleich Netto ist würde ich jeden Sonntag jmd einstellen der mir Brötchen holt.

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