Bis die Auswertung der jeweiligen Bürgerumfrage fertig ist, vergehen auch im Leipziger Amt für Statistik und Wahlen immer ein paar Monate. 18.000 Leipziger wurden für die jüngste „Bürgerumfrage 2015“ angeschrieben und konnten bis Januar 2016 antworten. Die Auswertung wird es wohl so um den Juni herum geben. Aber ein paar Zahlen gab es schon am Dienstag, 12. Juni.

Sie sollen auch ein bisschen zeigen, wohin sich die Stadt entwickelt. Denn die Bevölkerungszahl wächst ja, die Zahl der Arbeitsplätze wächst, die Pendlerzahlen wachsen. Die Entwicklung hält seit 15, 16 Jahren an. Aber zehn Jahre lang hatten die Leipziger eigentlich nicht viel davon, weil ihre Einkommen im Keller feststeckten. Keine andere Stadt in Sachsen litt so unter der verordneten Niedriglohnpolitik wie Leipzig – was dafür sorgte, dass das reale Einkommensniveau der Leipziger sogar fiel, weil die mageren Lohnzuwächse von der Inflation aufgefressen wurden.

Aber seit 2011 ist das etwas anders. Da fand die Talfahrt der Einkommen ein Ende – und zwar nicht nur, weil die Stadt wirtschaftlich wieder Tritt zu fassen begann. Sondern auch, weil die Jahrgänge der Berufseinsteiger auf einmal halbiert waren. Auf einmal mussten sich die ersten Branchen und Unternehmen etwas einfallen lassen, wenn sie gute Arbeitskräfte finden und an sich binden wollten.

Im Ergebnis steigen seitdem die Nettoeinkommen der Leipziger spürbar an. Zumindest für Leipziger Verhältnisse.

Im Vergleich mit anderen deutschen Großstädten liegt Leipzig nach wie vor auf dem letzten Platz bei der Einkommensentwicklung, betonte am Dienstag Bürgermeister Ulrich Hörning, Beigeordneter für Allgemeine Verwaltung. Die entsprechende Statistik gab es ja jüngst erst im Quartalsbericht Nr. 4 für 2015 nachzulesen. Da lag Leipzig – zumindest für das Vergleichsjahr 2013 – noch deutlich selbst hinter Städten wie Berlin, Dortmund oder Dresden. Die einzige Großstadt, die für das Leipziger Einkommensniveau zumindest in Reichweite scheint, ist Duisburg.

Aber wie gesagt: Das ist das Jahr 2013.

Bis man das Jahr 2015 vergleichen kann, müssen eine Menge Datensammler noch rechnen und einsortieren. Das wird dann 2017 so weit sein.

Was die Leipziger Statistiker mit der Bürgerumfrage abfragen, ist dann zumindest ein sehr aktueller Wert, der auch den zeitnahen Vergleich zulässt. Und da rund 7.500 Leipziger mitgemacht haben bei der „Bürgerumfrage 2015“, hat man jetzt auch einen recht belastbaren Wert für die Zunahme der Einkommen im Jahr 2015.

2011, zur Erinnerung, lag der Median der Leipziger Nettoeinkommen noch bei 1.066 Euro. Median heißt: Die Hälfte der Befragten hatte ein kleineres, die andere Hälfte ein höheres Einkommen. Man muss nicht lange überlegen: 1.066 Euro sind ein Witz. Wer da noch weniger im Geldbeutel hatte, durfte zu Recht das Gefühl haben, irgendwie der oder die Gelackmeierte zu sein.

Aber wie gesagt: 2011 war auch das Jahr, in dem die Krisenfolgen der Jahre 2009/2010 verebbten und auch Leipzig wirtschaftlich wieder Tritt fasste.

Das machte sich 2012 in der Einkommensentwicklung bemerkbar: Da stieg der Median auf 1.135 Euro. 2013 waren es dann 1.152 Euro persönliches Nettoeinkommen, 2014 dann 1.207. Und für 2015 melden Leipzigs Statistiker nun 1.254 Euro. Das ist für die jahrelang erstarrten Verhältnisse in Leipzig durchaus eine Nachricht wert. Aber natürlich springt Leipzig damit ganz bestimmt nicht auf das Einkommensniveau von München oder Stuttgart, nicht mal auf das von Köln oder Nürnberg. Vielleicht bleibt man Duisburg auf den Fersen.

Entwicklung der persönlichen Nettoeinkommen in Leipzig 2000 bis 2015. Grafik: Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen
Entwicklung der persönlichen Nettoeinkommen in Leipzig 2000 bis 2015. Grafik: Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen

Da die Statistiker auch nach der Art des Einkommens gefragt haben, wird natürlich auch deutlich, woher der Anstieg kommt. Und es sind eindeutig nicht die Arbeitslosenbezüge oder die Renten. Die sind so festbetoniert, dass man fast eine Wasserwaage dranhalten könnte. Es sind eindeutig die Einkommen aus Erwerbstätigkeit, die den Wert seit 2011 deutlich steigen lassen. Was eben nicht nur bedeutet, dass ein paar Berufsgruppen deutlich mehr Geld bekommen, sondern auch ein paar Leipziger mehr daran teilhaben, dass sie nun nicht mehr Aufstocker, Minijobber oder Teilzeitjobber sind, sondern endlich auch für etwas besser bezahlte Vollzeitjobs in Frage kommen.

Das wirkt sich statistisch vor allem bei Paaren aus – egal, ob mit oder ohne Kinder. Denn Paare sind eben in dieser Welt nicht zuerst ein sexuelles Gespann, sondern eine Wirtschaftseinheit: Wenn zwei Personen zum Haushaltseinkommen beitragen, halten sie sich auch gegenseitig den Rücken frei – zum Beispiel, damit der Eine noch mehr arbeiten kann.

Die Nettohaushaltseinkommen von Paaren ohne Kinder stiegen in Leipzig von 2.253 Euro im Jahr 2011 auf 2.814 Euro im Jahr 2015.

Bei Paaren mit Kindern ging der Anstieg von 2.485 Euro (2011) auf 3.223 Euro (2015).

Dagegen sehen die Einkommenszuwächse bei Singles ziemlich mau aus, da ging es nur von 1.033 auf 1.262 Euro rauf.

Was natürlich eine Frage aufwirft, die in Deutschland gern falschherum diskutiert wird: Verdienen Singles so wenig, weil sie Singles sind? Oder sorgen ihre niedrigen Einkommen erst dafür, dass sie Singles bleiben und die „Investition“ in eine Familiengründung nicht schaffen?

Das fragt natürlich niemand ab. Aber Zeit wäre es, denn die große Zahl von Alleinstehenden in Leipzig sind ja nicht alles Studierende und verwitwete Rentner. Auch die meisten Singles arbeiten – in zum Teil geradezu familienfeindlichen Jobs.

Der Anteil der Leipziger, die ihr Geld durch ihrer eigenen Hände Arbeit verdienen, ist übrigens stabil auf hohem Niveau: 58 Prozent. 29 Prozent leben von Rente. Und der Anteil der Leipziger, die auf Arbeitslosenbezüge angewiesen sind, sinkt seit Jahren leicht – von 11 Prozent im Jahr 2011 auf 8 Prozent im Jahr 2015.

Natürlich kann so eine Bürgerumfrage nicht jedes Problem im Detail beleuchten, wirft da und dort auch mal Fragen auf, die andernorts geklärt werden müssen. Wie die zum Wohnen – ein Thema, das augenscheinlich den verantwortlichen Politikern mehr Rätsel aufgibt als den tatsächlich Betroffenen.

Gleich mehr dazu an dieser Stelle.

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