Hartnäckigkeit zahlt sich aus. Auch für einen Abgeordneten wie Enrico Stange, den innenpolitischen Sprecher der Linksfraktion im Sächsischen Landtag. Während er sonst immer recht kleinteilig nach den vorhandenen Polizisten in den sächsischen Polizeidirektionen fragt, hat er diesmal die Gesamtzahlen für die Jahre 1990 bis 2015 abgefragt. Er hat trotzdem nicht alle bekommen. Aber der Rest erzählt genug.

Das Problem, so Innenminister Markus Ulbig (CDU) in seiner Antwort, sei die schlichte Tatsache, dass Daten für die Zeit vor 2006 nicht in den Online-Datenbanken der Staatsregierung vorhanden sind. Was schon verblüfft. Taucht damit die ganze frühe Etappe des neu gegründeten Freistaats Sachsen einfach ins statistische Vergessen ab? Oder muss man sich jetzt in die papiernen Archive begeben, um die Vergleichszahlen zu bekommen?

Wahrscheinlich nicht. Es gibt auch ein paar langfristige Zahlenreihen im Statistischen Landesamt. Die kann man sich bei Gelegenheit heraussuchen.

Aber in der Zahlenreihe, die Markus Ulbig ausgegeben hat, steckt ein wichtiges Ereignis: die sogenannte „Polizeireform 2020“, die 2011 verkündet wurde. Wesentlicher Kern war die Zusammenlegung mehrerer Polizeidirektionen – zum Beispiel der zuvor getrennten Polizeidirektionen Leipzig und Westsachsen, die Schließung zahlreicher Polizeistationen im Land und ein drastischer Abbau der Personalstärke. Tatsächlich ging es nicht wirklich um eine Reform, sondern um ein großes Sparprogramm. Und das, nachdem auch schon in den Vorjahren die Personalstärke der Landesbediensteten immer weiter geschrumpft wurde.

Ein paar Anfragen zu den Folgen der „Polizeireform“ hatte die Linksfraktion gleich nach Vollzug gestellt. Aber da war noch nicht so recht ablesbar, welche Folgen das zum Beispiel für eine Stadt wie Leipzig haben würde.

Denn eigentlich hätte der Polizeibesatz in Leipzig die ganze Zeit kräftig steigen müssen – parallel zur Einwohnerzahl.

Doch nicht nur die Ganoven haben mitbekommen, dass in Wirklichkeit immer weniger Polizeibeamte auf den Straßen unterwegs waren. Sogar deutlich weniger, als selbst nach Soll-Stärke in Leipzig hätten im Einsatz gewesen sein müssen.

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Wir haben aus den Enrico Stange zur Verfügung gestellten Zahlen jetzt einfach die offiziellen Soll- und  Ist-Zahlen für die Vollzugsbeamten für die Polizeidirektion Leipzig herausgezogen. Für die Jahre bis 2012 haben wir logischerweise die Vollzugsbeamten aus der PD Westsachsen dazu addiert. Das Bild ist eindeutig: Nach einem Höchstwert im Jahr 2007 hat schon ab 2008 der Abbau von Vollzugsbeamten begonnen. Zeitweilig klaffte selbst zwischen dem vom Ministerium gewährten Soll-Betrag und den tatsächlich vorhandenen Polizisten eine immer größere Lücke. Mit dem Beschluss der Polizeireform 2011 wurde dann der Abbau der Personalstellen noch einmal verschärft. Von einst fast 2.800 verfügbaren Vollzugsbeamten in Westsachsen und Leipzig schrumpfte die Zahl auf gerade einmal 2.500 im Jahr 2013. Und das in einer Region, die unübersehbar nicht nur deutliche Bevölkerungszuwächse hatte, sondern auch immer besonders stark unter bestimmten Delikten litt wie Einbruch oder Diebstahl.

Die Grafik zeigt recht deutlich, wie die „Polizeireform“ von 2011 erst so richtig dafür sorgte, dass es im Raum Leipzig deutlich zu wenig Polizisten gab. Oberbürgermeister Burkhard Jung sieht einen dringenden Aufstockungsbedarf von mindestens 200 Beamten in den nächsten zwei Jahren – die Leipzig aber nicht bekommt, weil auch der erhöhte Einstellungskorridor bei der Polizei nur die sowieso anstehenden Altersabgänge kompensiert. Sachsen müsste die Zahl von neu auszubildenden Polizisten noch einmal aufstocken – auf mindestens 600 fordert die Linksfraktion.

Zumindest zeigen die Zahlen sehr deutlich, dass im Direktionsbezirk Leipzig nicht nur 200 Polizisten amtlich weggekürzt wurden – es wird nicht einmal die Soll-Stärke erreicht: 67 Polizisten fehlen selbst gegenüber der geplanten Soll-Stärke.

Im Frühjahr freute sich OBM Burkhard Jung zwar über 100 angekündigte neue Polizisten. Aber die ersetzen auch nur jene Beamten, die in diesem Jahr in den Ruhestand gehen.

Leipzig hat jetzt noch etliche Jahre mit völlig ungenügender Personalausstattung der Polizei vor sich. Die Folgen der Sparpolitik werden erst im Jahr 2026 ausgestanden sein. Wenn nicht wieder eine der nächsten Regierungen auf den wilden Einfall kommt, wieder Polizisten einzusparen, wo sie dringend gebraucht werden.

Die Anfrage von Enrico Stange zu den Polizeibediensteten in Sachsen. Drs. 5836

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