Irgendetwas läuft da ziemlich falsch in Sachsen. Gegen den konjunkturellen Trend ist im ersten Halbjahr 2006 die Zahl der Unternehmensinsolvenzen deutlich gestiegen. Während die Umsätze wachsen, kegelt es auch und gerade in den Kreisfreien Städten immer mehr kleine Unternehmen aus dem Rennen. Ganz vorneweg: Leipzig. Die Konjunktur läuft wie geschmiert – doch hunderten Kleinbetrieben dreht es den Hahn ab.

In den sächsischen Amtsgerichten Chemnitz, Dresden und Leipzig wurden im ersten Halbjahr 2016 insgesamt 3.073 Anträge auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verringerte sich die Zahl zwar um 83 Insolvenzverfahren bzw. 2,6 Prozent. Doch der Rückgang hat vor allem mit Privatinsolvenzen zu tun. Bei Unternehmen ist der Trend ein völlig anderer.

605 Verfahren betrafen Unternehmen und 2.468 Verfahren übrige Schuldner. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen stieg dabei um 23,7 Prozent, während die Verfahren der übrigen Schuldner um 7,5 Prozent sanken.

Die von den Gläubigern angemeldeten Forderungen betrugen in Sachsen im ersten Halbjahr 2016 die durchaus frappierende Summe von 525,5 Millionen Euro, wobei 371,4 Millionen Euro Forderungen bei Unternehmensinsolvenzen gemeldet wurden, berichtet dazu das Statistische Landesamt. Die durchschnittlichen Forderungen je Insolvenzverfahren betrugen 171.000 Euro, je Unternehmensinsolvenz fast 614.000 Euro und je Verfahren der übrigen Schuldner reichlich 62.000 Euro.

Und der Blick ins Regionale überrascht überhaupt nicht. Die meisten Insolvenzen gibt es da, wo sowieso schon das Geld knapp ist: Regional betrachtet wurden gut 40 Prozent aller Insolvenzverfahren in den Kreisfreien Städten Leipzig (604), Dresden (369) und Chemnitz  (271) beantragt. Mit 105 Insolvenzen wurden im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge die wenigsten Verfahren registriert, im Landkreis Zwickau dagegen mit 271 die meisten Verfahren verzeichnet.

Und dann die Frage nach der wirtschaftlichen Situation. Denn finanziell reißt es augenscheinlich auch Firmen den Boden unter den Füßen weg, wo eigentlich derzeit alle Auftragsbücher voll sein müssten.

Fast 55 Prozent bzw. 331 der von Insolvenz betroffenen Unternehmen waren Einzelunternehmen, weitere gut 39 Prozent bzw. 238 waren Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), meldet das Landesamt. Über 28 Prozent der insolventen Unternehmen waren weniger als drei Jahre und beinahe 44 Prozent mehr als acht Jahre wirtschaftlich tätig. Und im Detail: Das Baugewerbe und der Handel verzeichneten wiederholt mehr als ein Drittel (33 Prozent) aller Unternehmensinsolvenzen.

Ein Grund dafür, dass besonders Firmen am Bau schnell insolvent gehen, ist die Tatsache, dass sie mit ihren Leistungen und Materialeinkäufen immer in Vorleistung gehen. Geld bekommen sie in der Regel erst, wenn der Auftraggeber den Bau abgenommen hat und bezahlt.

Ein eklatanter Fall beschäftigt derzeit ja auch die Leipziger LESG, eine Tochter der Stadt, die bei mehreren Projekten für die Flüchtlingsunterbringung tätig war und dabei zumeist Generalauftragnehmer beauftragte, die dann wieder Subunternehmen in Dienst nahmen. Eines der beauftragten Unternehmen scheint es mit der Zahlungsmoral nicht allzu ernst zu nehmen, wurde zwar von der Stadt bezahlt, lässt aber den wichtigsten Subunternehmer hängen und begründet das mit Baumängeln. Den Streit hält das betroffene kleine regionale Unternehmen natürlich nicht durch – und hat Insolvenz angemeldet.

Die Sache sorgt jetzt schon für zum Teil seltsame Diskussionen. Aber sie ist typisch für das Baugewerbe – und für eine Haltung, die Leipzig eigentlich so nicht mehr praktizieren wollte. Eigentlich will man die ausgeschriebenen Lose so klein definieren, dass heimische Unternehmen direkt zum Zug kommen und auch direkt mit der Stadt abrechnen können. Doch wenn es schnell gehen muss, vergisst man diese Tugenden augenscheinlich ebenso schnell, verhandelt nicht mit den kleinen Unternehmen, sondern sucht sich wieder Generalauftragnehmer – und tut hinterher überrascht, wenn bekannte alte Untugenden wieder sichtbar werden.

Inwieweit das auch andere der im ersten Halbjahr insolvent gemeldeten Unternehmen betrifft, weist die Statistik natürlich nicht aus. Aber augenscheinlich kommt die Konjunktur vor allem den größeren Spielern am Markt zugute, die die Gelegenheit nutzen und ihr Geschäftsfeld erweitern. Wer hat, der hat. Den Kürzeren ziehen jene kleinen und Kleinstunternehmen, die dabei unter Zugzwang geraten, weil sie keine Rücklagen haben.

Gerade in den Kreisfreien Städten stieg so die Zahl insolventer Unternehmen deutlich an – von 192 auf 268, also um satte 39,6 Prozent. Das ist eine Menge Holz, wenn man bedenkt, wie oft die sächsischen Politiker den hiesigen Mittelstand beschwören, weitere Arbeitsplätze zu schaffen. Augenscheinlich ist eher ein weiterer Konzentrationsprozess im Gang. Auch und gerade im Einzelhandel, wo die großen Ketten das Spielfeld besetzen und immer weniger Raum für kleinteilige Konkurrenz lassen.

Die komplette Meldung des Statistischen Landesamtes.

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https://www.l-iz.de/bildung/medien/2016/10/in-eigener-sache-wir-knacken-gemeinsam-die-250-kaufen-den-melder-frei-154108

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Der bei der LESG geschilderte Fall ist tatsächlich “eklatant”. In mehrfacher Hinsicht.
Die Planungsabteilung der LESG (Schulen, Kindergärten, Asyl) ist für die avisierten Aufgaben genauso unterbesetzt, wie die Abteilungen im Planungsamt der Stadt Leipzig. Währenddessen beispielsweise im Amt für Stadtgrün und Gewässer offensichtlich „Manpower“ ohne Ende zur Verfügung steht, um ein auf eine motorisierte Gewässernutzung ausgerichtetes Wassertouristisches Großkonzept für Mitteldeutschland zu entwickeln. (Ein Konzept, von dem man bei der Stadt seit langem auf Grund eines in Auftrag gegebenen Gutachtens weiß, daß es sich wirtschaftlich nicht trägt.)

In der Folge werden auch bei der LESG Aufgaben ausgelagert. Sprich: Planungsarbeiten werden ausgelagert. Generalunternehmer werden gebunden. In der Stadt holt der OBM diese auch gleich mal an den Tisch. Geht ja dann alles ganz fix.
Dasselbe Ergebnis wird auch bei Ausschreibungen erzielt, bei denen das gesamte Projekt und nicht mehrere kleine Lose ausgeschrieben werden.
Die GU´s stellen lediglich Geld zur Verfügung und lagern ebenfalls aus. Am besten nach Ost- und Südosteuropa. So, wie in unserem Fall bei der Errichtung der Asylbewerberunterkünfte in der Braunstraße. Der GU wird von der Stadt bezahlt. Bezahlt seinerseits die hiesigen Subunternehmen allerdings nicht. Kündigt statt dessen den Vertrag mit den hiesigen Subunternehmen und baut mit Rumänen weiter. 25 % Gewinn waren zu wenig. Die LESG sieht zu und zahlt weiter an den GU.
Der GU zahlte übrigens „einfach so“ nicht. Unsere Leistung wurde mangelfrei abgenommen. „Nur“ nicht bezahlt. So, wie in wilden frühen 90iger Jahren.
Die LESG zuckt die Schultern und meint, wir seien selbst verantwortlich. Auch, wie in den frühen 90igern.
Die Baubürgermeisterin Dubrau als Aufsichtsratsvorsitzende und deren Stellvertreter, Schlegel, unisono. Obwohl es gerade für solche Fälle ein Gesetz gibt. Ein Gesetz, das aus den Erfahrungen der wilden Vorjahre auch den Bauherrn in die Pflicht nimmt. Denn die Subunternehmen haben nicht das Geld, um einen jahrelangen Prozess durchzustehen. Selbst in unserem Fall, in dem die Leistung mangelfrei abgenommen wurde, dauert ein Prozess Jahre. Deshalb gibt es das sogenannte Bauforderungssicherungsgesetz. Das verpflichtet Bauherrn (LESG) und GU dafür zu sorgen, daß das Geld auch beim Subunternehmen landet. Dieser muß natürlich das Maul aufmachen. Was trotzdem viele Subunternehmen, aus Angst in Ungnade zu fallen, nicht machen. Wir haben es gemacht, und sind in Ungnade gefallen. Dürfen uns jetzt mit dem GU und (!) der LESG auseinandersetzen. Die Stadträte (der Gesellschafter der LESG ist schließlich die Stadt Leipzig) hüllen sich in vornehmes Schweigen. Abgesehen von Herrn Schlegel, der die LESG gegen uns (!) in Schutz nimmt. Fälschlicherweise…
Aber er liefert die Begründung gleich mit. Ein Streit würde die Eröffnung der Asylbewerberunterkunft in Frage stellen. Da läßt man dann auch ein Subunternehmen über die Wupper gehen. Gibt ja genug…

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