Es geht nicht nur in Leipzig so, dass junge Familien trotz Erwerbseinkommen in prekären Verhältnissen leben. Es ist ein gesamtsächsisches Problem, das bis zu einem Viertel aller jungen Familien betrifft. Das wird sogar sichtbar, wenn ein Abgeordneter der CDU-Fraktion auf einmal neugierig wird und fragt, wie das denn aussieht mit Elternfreibeträgen in Sachsen.

Gefragt hat Alexander Krauß, der arbeitsmarktpolitische Sprecher der CDU-Fraktion. Das ist der Bursche, der jüngst so kess nach den „Rabenvätern“ fragte, die für ihre Kinder nicht zahlen wollen (wie er wohl vermutete) oder nicht können. Und wie das so ist, wenn Abgeordnete auch aus Regierungsfraktionen erst einmal anfangen zu fragen, dann beginnen einige der Blasen, die sie einst so stolz und selbstsicher vor sich her trugen, auf einmal zu platzen.

Das scheint auch bei Alexander Krauß passiert zu sein, der nun auf einmal drinsteckt in einem Thema, das bisher kein echtes CDU-Thema war: Dem ziemlich harten Leben junger Eltern zwischen kärglich bezahlten Jobs und der Not, ihre Kinder irgendwo betreuen lassen zu müssen. Und da gehen nicht nur Partnerschaften in die Binsen, wenn er oder sie oder alle beide nur miserabel verdienen und das Geld nur fürs Allernötigste reicht. Da müssen auch Kommunen mit Millionen einspringen, um diesen Familien überhaupt eine Kinderbetreuung zu ermöglichen.

Sie können die Elternbeiträge zum Teil oder ganz erlassen, wenn die Eltern kein ausreichendes Einkommen haben, sie können die Beiträge auch für Geschwisterkinder senken. Was in der Umkehrung ja nur heißt, dass die Kommunen selbst diese Kosten tragen müssen – und ihre Haushalte immer stärker mit Kita-Kosten belasten.

Was natürlich ein Landesthema ist. Denn der Freistaat hat seine Kita-Pauschale seit 2006 gedeckelt und beteiligt sich nicht mehr an den Steigerungen der Betriebskosten. Die Last, den jungen Eltern eine Familienplanung auch beim Start ins Erwerbsleben zu ermöglichen, liegt deshalb zum größten Teil bei den Kommunen, die eh schon mit knappen Haushalten zu kämpfen haben.

Und wer dachte, dass es nur in Leipzig so ist oder Leipzig wäre gar Spitze dabei, der sieht sich eines Besseren belehrt, nachdem Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) Alexander Krauß nun Auskunft gegeben hat. In vielen Landkreisen sind zwar die Prozentzahlen der Befreiung von Elternbeiträgen nicht ermittelbar, „weil für ein Kind mehrere Formen der Absenkung/Übernahme“ möglich sind.

Aber schon der Blick nach Chemnitz zeigt, dass Leipzig ganz und gar nicht allein dasteht. Können in Leipzig (mindestens) 11.532 Kinder von insgesamt 45.909 einen Platz mit Ermäßigung bzw. Befreiung in Anspruch nehmen, was rund 25 Prozent ausmacht, so sind es in Chemnitz sogar 31 Prozent: 5.276 Kinder von insgesamt 16.831. Aber zu Leipzig kommen wir noch einmal.

Auch in Dresden liegen die Ermäßigtenzahlen auf den ersten Blick deutlich über den Leipzigern: Allein 12.309 Geschwisterkinder haben dort eine Ermäßigung, 9.830 eine anteilmäßige Übernahme wegen geringer Einkommen, dazu kommen 6.158 Ermäßigungen für Alleinerziehende. Da auf ein Kind mehrere Ermäßigungen zutreffen können, ist die Gesamtzahl nicht ermittelbar.

Im Erzgebirgskreis können sogar 39 Prozent der Kinder einen ermäßigten Platz in Anspruch nehmen, im Landkreis Görlitz liegt der Wert deutlich über 45 Prozent. Auch der Landkreis Leipzig kommt auf mindestens 38 Prozent, der Landkreis Nordsachsen auf 22,6 Prozent.

Wobei immer zu beachten ist, dass vor allem die Befreiung von Beiträgen aufgrund schon betreuter Geschwisterkinder der Hauptgrund für die Ermäßigungen ist. Tatsächlich machen die vom Kultusministerium zusammengestellten Zahlen deutlich, wie sehr sich alle sächsischen Landkreise und Großstädte um die jungen Eltern bemühen, teilweise mit richtig viel Geld.

Was ganz bestimmt eine Menge neuer Fragen für Alexander Krauß aufwirft, der sich in der CDU-Fraktion vor allem um Arbeit und Soziales kümmert.

Was die Tabelle noch nicht sichtbar macht, ist, wie stark vor allem der Anteil mit Eltern mit zu geringem Einkommen unter den Antragstellern ist. Denn die 25 Prozent in Leipzig sind ja etwas völlig anderes als ein echter Vergleichswert. Denn Leipzig scheint tatsächlich nur die Ermäßigungen für einkommensschwache Eltern gemeldet zu haben, die Ermäßigungen für Geschwisterkinder dafür nicht.

Mit 11.532 Kindern aus einkommensschwachen Elterhäusern liegt Leipzig damit deutlich über dem Dresdner Wert von 9.830. Aber wie gesagt: Auch die Zahlen sind nicht vergleichbar, unter anderem, weil Dresden Ermäßigungen für Alleinerziehende angegeben hat, Leipzig nicht.

Ein Kuddelmuddel, könnte man sagen. Vielleicht liegt Leipzig vorn, vielleicht auch nicht.

Nur eins steht fest: die 25 Prozent entsprechen ziemlich genau der Leipziger Armutsquote. Wer hätte das gedacht?

Die Anfrage von Alexander Krauß (CDU) zu Elternfreibeträgen in Sachsen. Drs. 6511

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