Wer über Verkehr in einer Großstadt wie Leipzig nachdenkt, der kommt zwangsläufig auch auf das Thema Energieverbrauch und CO2-Ausstoß. Moderne Großstädte könnten durchaus das Ideal von kompakten, energiesparenden und umweltfreundlichen Lebensformen sein. Wäre da nicht das große ungelöste Problem: Wie baut man ein Verkehrssystem, in dem alle Einwohner auf das Automobil verzichten können? Wirklich alle.

Denn erst, wenn alle täglichen Mobilitätsbedürfnisse auch barrierefrei mit Bahn, Bus, Fahrrad oder zu Fuß abgewickelt werden können, erst dann können auch all jene auf das Auto verzichten, die heute ohne diese motorisierte Mobilität nicht von der Wohnung zur Arbeit kommen und auch noch Kita, Schule, Einkaufen mit integrieren können in die täglichen Touren.

Mal von den Senioren zu schweigen, die schon deshalb lieber Auto fahren, weil viele Haltestellen der LVB nicht barrierefrei sind, viele Bahnen überfüllt und viele Haltestellen zu weit vom Zielort entfernt.

Das alles sind Fragen, die auch im Energie- und Klimaschutzprogramm der Stadt mitschwingen. „Das Energie- und Klimaschutzprogramm ist konsequent und vollständig umzusetzen“, schmettert das Umweltdezernat, nachdem man kleinlaut feststellen musste, dass man beim Abbau der CO2-Emissionen einfach nicht schnell genug vorankommt.

Das klingt dann so: „Die Reduzierung wurde durch die privaten Haushalte bedingt. Ausgehend vom Wert 2013 ist für die Zielerreichung im Bereich Verkehr eine Senkung von 62 % erforderlich. Für die Erreichung des Zieles der Gesamtemissionen ist eine Senkung von 33,2 % notwendig. Das entspricht einer jährlichen durchschnittlichen Minderung von 0,32 t CO2 pro Einwohner.“

Geschafft wird nicht mal ein Drittel.

Es sind tatsächlich nur die privaten Haushalte, die ihre durchschnittlichen CO2-Emissionen gesenkt haben – vor allem durch geringeren Wärme- und Stromverbrauch.

Die Wirtschaft blieb im CO2-Ausstoß mehr oder weniger stabil. Und wahrscheinlich wird man am reinen Energieverbrauch der Wirtschaft derzeit wenig ändern können. Denn tatsächlich wächst sie ja, was insgesamt höheren Energieverbrauch für die Wirtschaft bedeutet, pro Kopf aber bislang eine Stabilisierung bei 2,3 Tonnen.

Man muss in Leipzig immer mitbedenken, dass der größte Teil der Energie aus fossilen Energieträgern stammt, allen voran Kohle aus dem Kraftwerk Lippendorf. Den CO2-Ausstoß kann man nur radikal senken, wenn immer größere Teile der Energie aus regenerativen Energiequellen stammen.

Nachhaltige Umweltentwicklung in Leipzig. Indikatoren 2003/2004 – 2013/2014. Cover: Stadt Leipzig
Nachhaltige Umweltentwicklung in Leipzig. Indikatoren 2003/2004 – 2013/2014. Cover: Stadt Leipzig

Wer ein bisschen sucht, findet das Armutszeugnis auf Seite 28. Da ist zwar eine schön steil ansteigende Kurve zu sehen: „Der im Stadtgebiet erzeugte erneuerbare Strom stieg zwischen 2011 und 2013 um 65,3 % an“, heißt es dazu kess.

Aber dann kommt die Zahl: „Im Jahr 2013 beträgt der Anteil der erneuerbaren Stromerzeugung am Stromverbrauch 5,38 %.“

Erst, muss man dazu sagen. Auch wenn es nur die Zahl von 2013 ist. Aber sie zeigt, warum Erneuerbare Energien noch immer nicht dämpfend auf die Leipziger CO2-Ausstöße wirken. Die Stadt schöpft ihr Potenzial bei Erneuerbaren einfach nicht aus.

Und beim Verkehr bekommt Leipzig einfach nicht die Kurve. 2,5 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr produziert der Leipziger Verkehr Jahr für Jahr. Ohne dass sich etwas ändert. Nur zur Erinnerung: 2020 will die Stadt eigentlich auf 0,95 Tonnen pro Nase kommen. Ein Ziel, das praktisch unerreichbar ist.

Die Elektromobilität wird daran übrigens gar nichts ändern, denn dann wird ja nur der CO2-Wert für Benzin und Diesel mit dem ebenso schlechten CO2-Wert für (Kohle-)Strom ausgetauscht. Das Ziel ist tatsächlich nur zu erreichen, wenn Leipzig sich von Kohlestrom löst – was aber nicht absehbar ist. Es gibt nicht mal eine Idee dafür, wie das gehen sollte.

Und der ÖPNV muss deutlich ausgebaut werden, damit wirklich große Teile der Autofahrer umsteigen. Wofür es auch noch kein Konzept gibt.

Und das innerhalb von vier Jahren. Das ist ein Witz.

Mit der Rate von 1,8 Prozent Rückgang beim CO2-Ausstoß, wie sie 2013 erreicht wurde, würde Leipzig im Jahr 2020 gerade mal 5,85 Tonnen pro Nase erreichen. Ziel sind aber 4,47 Tonnen. Allein das zeigt, dass die Stadt diese Hausarbeit völlig versemmelt hat und dass ihr auch jegliche Grundlage fehlt, sich überhaupt die notwendigen Maßnahmen vorzustellen, wie man diese Selbstverpflichtungen der Möchtegern-Klimakommune überhaupt erreichen kann.

Ein erster Schritt wäre ein wirklich zukunftsfähiger ÖPNV – mit neuen Linien, besserer Vernetzung, mehr Transportkapazität und einem Beseitigen all der bekannten Flaschenhälse im System.

Aber man kann eigentlich Wetten darauf abschließen, dass es nicht so kommt. Dass man wieder kneifen wird, wenn’s ernst wird, und den Leipzigern einen Nahverkehrsplan anbietet, der seinen Namen nicht verdient. Oder sollen wir uns irren?

Das wäre dann wirklich mal eine Überraschung.

Aber nicht nur bei der Energiefrage klemmt das System. Bei den natürlichen Ressourcen sieht es genauso grauenvoll aus.

Morgen mehr zum Thema.

Die Broschüre zur nachhaltigen Umweltentwicklung in Leipzig 2003 – 2013.

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