Irgendwie ging das Jahr 2016 ganz gut zu Ende – zumindest für Leipzigs Arbeitsagentur. „Das Jahr 2016 war für den Leipziger Arbeitsmarkt ein gutes Jahr. Es brachte der Stadt im November mit 7,8 Prozent die niedrigste Arbeitslosenquote in einem Monat überhaupt seit 1991. Und die Arbeitslosenquote im Dezember ist mit 7,9 Prozent die niedrigste in einem Dezember“, freut sich die Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Leipzig, Reinhilde Willems.

Im Dezember gab’s den zu erwartenden kleinen Dämpfer: Nachdem in den letzten Monaten die Zahl der Arbeitslosen immer weiter zurückging, ist diese im Dezember um 82 angestiegen.

Insgesamt waren im Dezember 2016 23.117 (Vormonat 23.035) Männer und Frauen in Leipzig arbeitslos gemeldet. Im Vergleich zum Dezember 2015 waren es mit einem Rückgang um 2.343 deutlich weniger.

Im Dezember waren 5.081 Menschen im Rechtskreis SGB III in der Arbeitsagentur arbeitslos gemeldet. Das waren 79 mehr als im Vormonat und 70 weniger als im Dezember 2015.

Im Rechtskreis SGB II waren 18.036 Menschen im Jobcenter Leipzig arbeitslos registriert. Das waren 3 mehr als im November, aber 1.973 weniger als ein Jahr zuvor.

Es hätten auch mehr sein können. Man kennt ja das Getröte einiger Medien aus letzter Zeit, die seit 2015 angekommenen Flüchtlinge würden einfach nicht in Arbeit kommen. Als wenn das von heute auf morgen passieren könnte, ohne Sprachkurse und Qualifizierung. Im Jahr 2016 sind diese Arbeitsuchenden erst einmal angekommen in der Statistik. Was bei arbeitslosen Ausländern ein Plus von rund 900 bedeutete. Das Jahr 2017 wird zeigen, ob sie in den Arbeitsmarkt integriert werden können.

Der ist nach wie vor hungrig. Das stimmt. Aber die Arbeitsagentur kann am Arbeitsmarkt nichts ändern. Auch wenn sie gern so tut, als ob sie das könnte.

Ältere Arbeitsuchende finden nach wie vor kaum ein Angebot. Daran hat sich nichts geändert. Auch wenn manche Firmen behaupten, sie würden auch ältere Arbeitsuchende mit Kusshand nehmen – es ist geschwindelt. Weil es an der Realität vorbeigeht. Denn auch diese Jobs sind in der Regel Hochleistungsjobs – nichts für Menschen, die nach 30 Jahren Berufsleben schon ihre Zipperlein haben.

Denn Fakt ist nun einmal auch: Obwohl eine Menge Leute über das längere Arbeiten reden, gibt es praktisch keinen Arbeitsmarkt für Ältere.

Man hat ihn einfach nicht geschaffen, weil er unter den dominanten Bedingungen von Flexibilität, Einsatzbereitschaft und Dauerverfügbarkeit nicht realisierbar ist. Was ja auch Alleinerziehende zu spüren bekommen: Man kann nicht alles auf Effizienz trimmen und dann erwarten, dass Menschen zu Supermännern werden, wenn sie 60 sind.

Ergebnis: Bei den über 50-Jährigen stieg die Arbeitslosenzahl sowohl im SGB II als auch im SGB III im Dezember an. Und dass das etwas mit körperlich belastenden Berufen zu tun haben könnte, zeigt der Vergleich: Die Zahl der arbeitslosen Männer stieg um 170, die der arbeitslosen Frauen sank gleichzeitig um 88.

Bei den jungen Arbeitslosen sank die Zahl im Vergleich zum November um 19. So zählte die Statistik im Dezember 1.783 (+ 30 im Vergleich zum Dezember 2015) unter 25-Jährige und 6.778 (- 1.070 im Vergleich zum Dezember 2015) Ältere.

Neue Jobs gibt’s trotzdem immer weiter. Leipzig als Mittelpunkt einer ganzen Region ist weiterhin attraktiv für Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen.

Beim Zugang an offenen Arbeitsstellen verzeichnete die Arbeitsagentur Leipzig im Dezember einen Anstieg gegenüber dem Vormonat. Die Wirtschaft und die Verwaltung haben in den letzten vier Wochen 2.085 freie Stellen, das waren 76 mehr als im davorliegenden Monat und 523 mehr als vor einem Jahr, zur Besetzung angeboten.

Wer also jung ist, leidensfähig und flexibel, der findet in Leipzig Arbeit. Das Arbeitsplätzeangebot wächst fortlaufend. Rund 7.000 neue Arbeitsplätze sind in einem Jahr entstanden.

Was dazu führt, dass weniger Menschen in die Betreuung des Jobcenters Leipzig müssen. Dort freut man sich immer heftig darüber, wie emsig man den Bestand an (Langzeit-)Arbeitslosen abbaut. Aber in Wirklichkeit sinkt die Zahl der Betreuten vor allem deshalb, weil weniger Menschen im Jobcenter aufschlagen.

Was dann im Lauf der Jahre alle Zahlen im Jobcenter langsam aber absehbar sinken lässt. Wirklich langsam, wenn man bedenkt, dass in Leipzig jedes Jahr über 7.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Aber davon profitieren vor allem all die Menschen, die jedes Jahr nach Leipzig zuziehen.

Bewerber und freie Ausbildungsstellen in Leipzig. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig
Bewerber und freie Ausbildungsstellen in Leipzig. Grafik: Arbeitsagentur Leipzig

Wer länger auf den Wartebänken des Jobcenters sitzt, der geht dann irgendwann eher in den sozial knappen Ruhestand.

Ablesbar auch an der Zahl der Bedarfsgemeinschaften. Denn obwohl im Dezember die Zahl der als arbeitslos Gemeldeten stieg, sank die Zahl der Bedarfsgemeinschaften weiter – erstmals unter die 39.000. Was immer noch eine exorbitante Zahl ist.

In Leipzig gab es im Dezember 38.981 Bedarfsgemeinschaften. Das waren 194 weniger als im Vormonat und 1.487 weniger als im Dezember 2015. Aktuell betreut das Jobcenter Leipzig 48.249 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Im Vergleich zum Vormonat fiel die Zahl um 506 und im Vergleich zum Vorjahr waren es 1.363 Personen weniger. Dieser hohe Bestand schmilzt also ziemlich natürlich ab – aus Altersgründen. Und unten – bei den jungen Leuten – kommt hier zum Glück nicht allzu viel nach.

„Diese rückläufige Entwicklung macht sehr deutlich, dass die positive wirtschaftliche Entwicklung in Leipzig nicht an diesen Menschen vorbeigeht“, zeigt sich Willems überzeugt.

Das ist eine sehr mutige Interpretation. Eine sehr mutige.

Was freilich zumindest den OBM beruhigen sollte: Auch 2017 rechnet die Arbeitsagentur Leipzig mit 7.000 neuen Arbeitsplätzen. In der Logistik wird nach wie vor genauso emsig gesucht wie in der Pflege und im produzierenden Gewerbe. Nur die staatlichen Instanzen halten sich weiter zurück.

Dafür beginnt eine andere Warnlampe rot zu glühen: Die Zahl der Bewerber für Ausbildungsstellen stieg zwar von 2.708 auf 2.868. Aber die Zahl der gemeldeten Stellen stieg noch viel stärker – von 2.501 auf 3.031. Immer mehr Betriebe suchen also nach jungem, ausbildbarem Nachwuchs. Und viele Ausbildungsplätze können nicht mehr besetzt werden.  Da steht wirklich eine drängende Frage im Raum: Wo nimmt Leipzigs Wirtschaft künftig ihren Nachwuchs her?

Zum statistischen Zähltag im Dezember betrug die Arbeitslosenquote in der Stadt Leipzig 7,9 Prozent (Vormonat: 7,8 Prozent). Im Dezember 2015 lag sie noch bei 8,8 Prozent.

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