Noch ein BIAJ-Beitrag, der zeigt, was Schmalspur-Reformer fertigbringen, wenn ihnen die Verwaltung von Menschen wichtiger ist als deren Befreiung. Reden wir mal über Freiheit? Wäre ja mal ein neues Thema für den deutschen Arbeitsmarkt, der nicht deshalb so rund läuft, weil die Arbeitsagentur so besonders toll am Integrieren wäre. Im Gegenteil, stellt Paul M. Schröder vom BIAJ weg: Der Löwenanteil der Gelder geht fürs reine Verwalten drauf.

Das thematisiert der Mann vom Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) nicht zum ersten Mal. Aber das Jahr 2016 hat so extrem wie noch kein Jahr zuvor gezeigt, wie Anspruch und Wirklichkeit der SGB-II-Riesenbehörde auseinanderklaffen. Die Arbeitslosenzahl sinkt seit Jahren – doch die Kosten ufern immer weiter aus. Und zwar nicht für das, wofür sich die Jobcenter allerwege rühmen – die Integration der von ihnen Verwalteten zurück in das Ding, das man für gewöhnlich Arbeitsmarkt nennt, sondern für Verwaltung.

4,366 Milliarden Euro waren 2016 für die „Verwaltungskosten für die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende“ 2016 geplant gewesen. Etwas über 400 Millionen weniger als im Jahr 2015. Denn eigentlich müssten ja die Verwaltungskosten sinken, wenn die Zahl der Verwalteten sinkt.

Aber – nachrichtlich, betont Schröder – standen am Jahresende 5,1 Milliarden Euro an Verwaltungskosten zu Buche. Ein neuer Rekord. Der auch damit zu tun hat, dass die Behörde jeden einzelnen Vorgang immer wieder neu genehmigen muss, quartalsweise immer neue Verwaltungsvorgänge mit Bergen von Papier ausgelöst werden. Ein riesiges Selbstbeschäftigungsprogramm, das auch das seinerzeit vom Gesetzgeber zum Gesetz gemachte Misstrauen zum bürokratischen Akt gemacht hat. Die Klienten des Amtes werden eben nicht nur animiert und qualifiziert. Wenn sie dem bürokratischen Kontrollsystem zu entkommen versuchen, werden sie auch sanktioniert und zu immer neuen Legitimationen vorgeladen.

Arbeitsmarktintegration könnte anders aussehen, wenn der Behörde nicht die Kontrollsucht eingebaut worden wäre, sondern die wirkliche Vermittlungsdienstleistung – die man aber fast komplett ausgelagert hat. Vor allem an Zeitarbeitsfirmen und an die Jobsuchenden selbst.

Eigentlich sollte einmal das „Fördern“ im Mittelpunkt der Behörde stehen. 4,7 Milliarden Euro standen ihr dafür 2016 zur Verfügung, fast 1,1 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Denn je weniger Klienten sie noch zu betreuen hat, umso schwieriger wird ja die Integrationsarbeit. Die Leichtvermittelbaren sind längst wieder im Berufsleben. Aber was tun mit den Langzeitarbeitslosen mit all ihren Vermittlungs-Handycaps?

Hat man dazu neue, funktionierende Programme aufgelegt? Neue Wege gesucht und gefunden?

Nicht ansatzweise. 3,7 Milliarden Euro wurden für „Aktive Arbeitsmarktpolitik“ ausgegeben, 1 Milliarde weniger als geplant.

Und irgendwie scheint diese Wirklichkeit die Wahrnehmungsschwelle der Bundesregierung einfach nicht zu erreichen. Obwohl für „Aktive Arbeitsmarktpolitik“ 2016 rund 1 Milliarde Euro weniger ausgegeben wurden als geplant, soll dieses Budget noch einmal erhöht werden – von 4,7 auf 5,1 Milliarden Euro.

„Im Bundeshaushalt 2017 sind für die ‚aktive Arbeitsmarktpolitik‘ Ausgaben in Höhe von 5,120 Milliarden Euro veranschlagt“, schreibt Schröder. „Dies sind über 1,4 Milliarden Euro mehr (!) als vom Bund im Haushaltsjahr 2016 für ‚aktive Arbeitsmarktpolitik‘ ausgegeben  wurden. Den Anschlag für die ‚aktive Arbeitsmarktpolitik‘ könnte man durchaus auch als ‚alternative budget-fact‘ (frei übersetzt: ‚Haushaltswahrheit?‘) bezeichnen.“

Dafür wird die Verwaltung wieder nur mit 4,4 Milliarden Euro geplant, obwohl 2016 5,1 Milliarden Euro ausgegeben wurden.

Das ganze hochbürokratisierte System gehört unübersehbar auf die Reformbank. Wirklich auf seine Wirksamkeit hin untersucht hat es bislang ja noch niemand. Aber es sieht ganz so aus, dass hier wieder einmal eine sich selbst beschäftigende deutsche Bürokratie-Maschine entstanden ist, die ihre eigentliche Aufgabe nicht erfüllen kann, weil die installierte Kontrollsucht den flexiblen Umgang mit den Arbeitsuchenden blockiert. Eine Art Bürokratiehölle, in der die Mitarbeiter in denselben Zwangsabläufen stecken wie die Menschen, die hier aufschlagen und in der Regel eigentlich nur eins wollen: mit Fachkompetenz in eine einträgliche Erwerbsarbeit vermittelt zu werden.

Das wäre dann ein Vermittlungscenter, das sich wirklich als Dienstleister für freie Menschen verstünde. Aber davon ist die deutsche Arbeitslosenverwaltung himmelweit entfernt. Und das macht sie so teuer und für die eigentlich Bedürftigen so völlig erfolglos.

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