Frauen gibt’s im Leipziger Rathaus jede Menge. Und allerlei schöne Bekundungen zur „Charta für Gleichstellung“. Aber wenn dann die Heinrich-Böll-Stuiftung mal wieder untersuchen lässt, wie es wirklich mit Frauen in den politischen Führungspositionen der deutschen Großstädte aussieht, landet Leipzig diesmal auf einem mittelmäßigen Rang 36 von 73 untersuchten Städten. Punktgleich mit Dresden.

Das ist besser als bei der letzten Untersuchung im Jahr 2013. Aber wer sich die Werte der Bestplatzierten – Erlangen, Trier und Frankfurt /Main – anschaut, der sieht, dass die Lage insgesamt eher belämmert ist. Oder fadenscheinig. Eher ein Grund, jetzt wirklich auf einer echten Parität der Geschlechter zu bestehen, wie der Landesfrauenrat Sachsen e.V. betont. Ohne klare Quoten wird das nie etwas, werden Männer noch auf 100 Jahre alle Parlamente und Verwaltungsgremien dominieren. Mit entsprechenden Folgen für die Politik, die von Männerthemen dominiert wird.

„Parité und klare Frauenquoten in der Kommunalpolitik bleiben dringend notwendig. Frauen sind gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil nach wie vor in der großstädtischen Kommunalpolitik auch 2017 in allen Großstädten unterrepräsentiert“, kommentiert der Landesfrauenrat die Studie, die Wissenschaftler der Fernuniversität in Hagen für die Heinrich-Böll-Stiftung erstellt haben. „In keiner Großstadt haben Frauen gleichberechtigte Teilhabe an der repräsentativen Demokratie in Form von Mandaten im Stadtrat.“

Die WissenschaftlerInnen der Fernuniversität Hagen untersuchten im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung zum vierten Mal den Frauenanteil in politischen Positionen und geben nun einen nahezu vollständigen Überblick über die Repräsentanz von Frauen in Schlüsselämtern der Lokalpolitik im Städtevergleich. Grundlage der Untersuchung ist ein Genderindex, für den Ratsmandate, Ausschuss- und Fraktionsvorsitze, Dezernatsleitungen und das Amt von Oberbürgermeister/innen Indikatoren waren.

Insgesamt sind die Frauenanteile leicht kontinuierlich gestiegen.

„Leipzig und Dresden belegen im aktuellen Genderranking von 73 untersuchten deutschen Großstädten respektable Plätze 36 und 37“, meint der Landesfrauenverband. „Die dritte sächsische Großstadt Chemnitz erreicht Platz 69. Erfreulich ist die gute Entwicklung von Leipzig und Dresden. In beiden Stadträten stieg der Frauenanteil im Vergleich zum dritten Ranking 2013 auf 35,71 % an. In Leipzig waren es 2013 nur 27,14 %, in Dresden 31,43 %. Zudem wurden Dezernatsstellen häufiger mit Frauen besetzt.“

Das sei durchaus ein deutschlandweiter Trend. Die ForscherInnen werten es als Zeichen dafür, dass die berufliche Qualifikation von Frauen eine zunehmende Rolle bei der Stellenbesetzung spielt. Auch in Chemnitz stieg der Frauenanteil im Rat: Von 26,67 % im Jahr 2013 auf 28,33 % in 2017.

„Bei der Besetzung wichtiger Ämter und der Anzahl weiblicher Mandatsträger gibt es jedoch Nachholbedarf“, konstatiert der Landesfrauenrat. „Hier punktet Chemnitz mit einer im Amt befindlichen Oberbürgermeisterin. Deutschlandweit sank der Anteil der Oberbürgermeisterinnen rapide: Von 17,7 % in 2008 auf 8,2 %. Dazu führen die WissenschaftlerInnen aus, dass die berufliche Qualifikation von Frauen demnach bei der Besetzung rein politischer Ämter weniger entscheidend ist. Dies ist eine alarmierende Schlussfolgerung. Im Weiteren spricht die Studie davon, dass bei der derzeitigen Entwicklung noch 128 Jahre bis zu einer paritätischen Besetzung vergehen würden. Solange wird der Landesfrauenrat Sachsen e.V. nicht warten und setzt sich weiterhin aktiv für Chancengleichheit bei der Besetzung von kommunalen Führungspositionen und eine gerechtere Verteilung der Ratsmandate in den Stadträten ein. Sogenannte ‚sanfte‘ Quoten reichen jedenfalls nicht!“

Die AutorInnen der Studie stellen eindeutig fest, dass der gewachsene Frauenanteil vor allem mit den Wahlergebnissen und dem Bemühen von Parteien wie Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Die Linke zusammenhängt, schon bei der Aufstellung von Kandidatenlisten und bei Postenbesetzungen eine Geschlechtergerechtigkeit herzustellen. Bei Linken und Grünen mit Konsequenz – bei der SPD immer wieder mit verdrucksten Halb-Entscheidungen, mit denen man vor allem kaschiert, dass man an den männerfixierten Entscheidungen in der Partei nichts ändern möchte. Die SPD leidet darunter, dass sie ihren Modernisierungsprozess immer wieder ausbremst, um sich im Schatten der sogenannten bürgerlichen Parteien doch wieder einen männerdominierten Themenkanon zuzulegen.

Was übrigens die kleine Erkenntnis in den Mittelpunkt rückt, dass die bürgerlichen Parteien gar keine bürgerlichen Parteien sind und sich hinter dem Label „bürgerlich“ in Wirklichkeit wieder nur Männerdominanz verbirgt, was sich bei den ganz rechten Parteien in regelrechtes Machogehabe verwandelt. Wer Frauen bewusst fördert, sorgt eben auch für eine Modernisierung der Partei, ihrer Themen und der Gesellschaft. Könnte man ja Martin Schulz mit auf den Weg geben, dass Gerechtigkeit eben auch heißt, dass Frauen gleichberechtigt in politische Entscheidungsgremien kommen.

Die Grünen schaffen das mit 50 Prozent, die Linken sind mit 44,4 Prozent nahe dran. Die SPD hat mit 37,3 Prozent noch eine ganze Strecke Weg vor sich, denn das bedeutet nach wie vor, dass auf eine Frau als SPD-Ratsmitglied zwei Männer kommen. Bei CDU und FDP ist das Verhältnis fast 1:3. Die AfD kommt sogar nur auf 12,8 Prozent Frauenanteil unter ihren Ratsmitgliedern, in Leipzig bekanntlich sogar auf Null.

All das erzählt natürlich davon, wie sehr Männer noch immer unsere Politik dominieren. Und es sind nicht immer die besten unter uns oder die kollegialsten, meistens eher die Wadenbeißer und Rechthaber. Denn Politik verspricht Macht. Und Macht lockt selten die besten Köpfe an. Dabei könnte Politik anders sein, weniger hierarchisch und auf den Zampano konzentriert, der allem seinen Stempel aufdrückt, der alles machen und kontrollieren will.

Was einer der Gründe dafür ist, dass Frauen um diese Spitzenämter seltener kämpfen: Das ist eher nicht die Welt, in der sie sich wohlfühlen. Ihnen geht es da wie den nicht so machtversessenen Männern: Sie bevorzugen kooperative Gremien und Wirkungsfelder. Was man sich ja für eine wirklich moderne Politik zum Vorbild nehmen könnte. Aber das werden unsere Gockelhähnchen schon zu verhindern wissen. War das jetzt ein Kommentar? Natürlich. Die alte Gockel-Politik ist reif fürs Museum und erweist sich immer öfter als unfähig, die komplexen Probleme der Zeit zu lösen.

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