Für FreikäuferEine Meldung des Bundesamtes für Statistik hatte vor zwei Wochen für Aufsehen gesorgt, denn bundesweit war die Zahl der BAföG-Empfänger zum wiederholten Mal zurückgegangen. Auch die sächsischen Zahlen für 2016 bestätigen, dass immer weniger Schüler und Studenten noch BAfÖG bekommen. Von 53.793 war die Zahl der Empfänger noch einmal zurückgegangen auf 50.645.

2013 waren es noch über 62.000 gewesen, 2006 sogar fast 80.000. Dass immer weniger Anträge bewilligt werden, hat natürlich mit der ganzen deutschen Gegenrechnerei zu tun: Die Unterstützung bekommen junge Leute nur, wenn ihre Eltern eine bestimmte Einkommensgrenze unterschreiten. Liegen die Eltern auch nur einen Euro drüber, entfällt die „Förderwürdigkeit“.

„Die sinkende Zahl der BAföG-Empfänger in Sachsen um knapp 3.150 Studierende und Schüler sowie bei den Empfängern des Meister-BAföG um 360 macht uns Sorgen“, so Simone Raatz, Bundestagskandidatin der SPD im Landkreis Mittelsachsen. „Es ist zu befürchten, dass immer weniger Kinder aus nicht-akademischen Elternhäusern studieren, sich zum Meister qualifizieren oder aber einen Bildungsabschluss nachholen.“

Zwar gab es 2016 schon eine Anhebung der BAföG-Sätze, so dass jene Auszubildenden, die eine Förderung bekommen, ein bisschen mehr Geld bekommen. Doch der Betrag läge – so das Deutsche Studentenwerk – mit einem maximalen Förderbetrag für Studierende von 735 Euro immer noch viel zu niedrig. Studenten bräuchten durchschnittlich 920 bis 950 Euro pro Monat.

Aber nicht nur die BAföG-Sätze folgen tatsächlich nicht der normalen Preisentwicklung und kleckern deutlich hinterher. Auch die Verdienstgrenzen der Eltern wachsen nicht so mit, dass die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Gerade Sachsen, wo der Rückgang in den letzten zehn Jahren fast 30.000 Empfänger betraf, ist ein Beispiel dafür, dass sich hier der Staat wieder eine Lage schönrechnet, die für die Betroffenen letztlich radikale Entscheidungen bedeutet. Denn wenn der BAföG-Antrag abgelehnt wird, bleibt in der Regel nur der Verzicht auf ein Studium oder der riskante Versuch, neben dem Studium auch noch genug Geld zu verdienen, um es zu finanzieren.

Aber gerade das führt in vielen Fällen zur Überforderung und zu einem Abbruch des Studiums.

Aber alle Nachfragen im Landtag zu Studienabbrechern laufen in der Regel ins Nichts. Die zuständigen Ministerinnen wissen nicht, warum bis zu einem Drittel der jungen Leute das Studium vorzeitig abbricht. Eingehende Untersuchungen zu den Abbruchgründen fehlen. Stattdessen glaubt man, durch noch mehr Effizienz im Studiensystem die Sache in den Griff bekommen zu können.

Es ist dieses geld- und effizienzzentrierte Denken, das die eigentlichen Sorgen und Probleme der Lernenden aus der Wahrnehmung der Regierenden verdrängt hat. Und das im nächsten Schritt natürlich dazu führt, dass vor allem wieder Kinder aus finanziell schwachen Elternhäusern in ihrer Karriere scheitern. Ausgrenzung findet in Deutschland auf eine stille, ganz emotionslose Art statt: übers Geld. Und immer mehr setzt sich das Motto wieder durch: „Haste nix, wirste nix.“

Zumindest in der SPD hat man so das dumme Gefühl, dass damit der Sinn des BAföG, wie es einst in den 1970er Jahren eingeführt wurde, für immer weniger junge Menschen gilt. Simone Raatz fordert deshalb eine konsequente und regelmäßige Anhebung der BAföG-Sätze.

„Und das BAföG muss sich mehr an der Lebenswirklichkeit junger Menschen orientieren und flexibler werden. Ein später Studienbeginn oder Teilzeitstudium dürfen keine Ausschlusskriterien mehr sein. Das Schüler-BAföG für die allgemeinbildenden Schulen und in den nicht-dualen Ausbildungen muss ausgebaut werden. Letztendlich wollen wir die Aus- und Weiterbildungsfinanzierung unter ein gemeinsames Dach ‚BAföG-Plus‘ stellen“, sagt die Bundestagsabgeordnete der SPD. „Nicht zuletzt müssen wir mehr über die Chancenungleichheit in Sachsen wissen. Wir brauchen so etwas wie den Sachsen-Monitor auch in Bezug auf die soziale Lage in Sachsen, um die Wirkungen von sozialer Spaltung, Bildungsabschlüssen der Eltern oder Status der Eltern aufzuzeigen.“

Was beim deutschen Prozente-Rechnen immer mehr verloren geht, ist die Chancengleichhalt, stellt Raatz fest: „Gerade in Sachsen haben viele Menschen ein kleines Einkommen. Wenn dann der Geldbeutel der Eltern über die Zukunft der Kinder entscheidet, ist das ungerecht. Eine grundlegende BAföG-Reform könnte für mehr Chancengleichheit sorgen.“

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