Noch ist es nicht beschlossen. Erst am 10. Dezember war es Thema in der Dienstberatung des OBM: Auch 2013 soll es wieder eine Internationale Demokratiekonferenz in Leipzig geben. Die erste gab es 2009 zum 20. Jahrestag der friedlichen Herbstdemonstrationen von 1989. Im Zentrum steht die Jugend als Hauptakteur. Motto: "Ohne Jugend ist kein Staat zu machen!"

Klingt forsch. Ist aber falsch. Die meisten Staaten werden von Greisen gemacht, die “die Jugend” in der Regel zu allem Möglichen missbrauchen – für Kriege zum Beispiel. Aber um ihre Art Staat zu machen, brauchen sie “die Jugend” eigentlich nicht. Wer aber die Jugend tatsächlich braucht, das ist die Demokratie. Ihr Problem ist: Sie ist nicht so einfach gestrickt wie eine Diktatur. Ihre Stabilität gewinnt sie aus wechselnden Mehrheiten, immer neuen Kompromissen, Absprachen und der Sicherungen von Bürgerrechten, die in einer Diktatur im besten Fall gnadenhalber gewährt werden. Sie muss gelernt werden, ist also nichts für faule Säcke.

Die Demokratiekonferenz 2013 hat als Hauptpartner das Dresdner Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung. Was nicht ganz neu ist. Schon 2009 – kurz nachdem er von der Uni Leipzig ans Hannah-Arendt-Institut gewechselt war, hatte der Historiker Günther Heydemann die Demokratiekonferenz mit Input versorgt.

Zwischenzeitlich geriet er kurzzeitig in die Kritik, weil er ankündigte, die Erforschung der NS-Diktatur auszuweiten und die der Diktatur in der DDR, die bislang 80 Prozent der Forschungsarbeiten am Institut bestimmte, etwas zurückzufahren. Doch mit einem Satz, geäußert in der “Sächsischen Zeitung” vom 8. Juni 2011, machte er eigentlich deutlich, welch eine schizophrene Angelegenheit das Institut ist.

“Zudem entspricht es der historischen Tatsache, dass die zweite deutsche Diktatur aus der ersten hervorging. Wir müssen die Verbindungen untersuchen. Auch der Vergleich von rechts- wie linkstotalitären Diktaturen ist eine Hauptaufgabe unseres Institutes”, sagte er.

Doch genau das stimmt halt nicht. Wenn die SED-Diktatur aus einer Diktatur hervorgegangen ist, dann aus der stalinschen in der damaligen Sowjetunion. Die Verbindungen führen nach Moskau, nicht in den Hitler-Bunker. Aber auch die These von den beiden “rechts- wie linkstotalitären Diktaturen” ist mehr als umstritten. Was man eigentlich im Leipziger Rathaus wissen sollte.

Dabei soll es bei der Konferenz, die im Herbst wieder in Gewandhaus und Oper stattfinden soll, gar nicht um eine Sensibilisierung der jungen Teilnehmer für totalitäre Herrschaftsformen gehen, sondern sie soll ihre Kompetenz und Bereitschaft für demokratische Mitwirkung stärken und die Möglichkeiten ihrer Teilhabe (Partizipation) erweitern. (Oder doch besser erst mal erkunden?) Eigentlich eine spannende Grundidee, die Leipzigs ehemaliger Kulturbürgermeister Georg Girardet der Konferenzreihe zugrunde gelegt hat. Doch irgendetwas scheint nicht so zu laufen, wie es sich die Veranstalter gedacht haben.
Im Nachgang zur 2. Demokratiekonferenz 2011 beklagt die Ratsvorlage aus dem Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule nun erhebliche Defizite in der öffentlichen Resonanz – diese sei “nicht zufriedenstellend” gewesen. “Die Bemühungen müssen also noch weiter gesteigert werden.” Es steht wirklich so da. Man hat sich ja bemüht – aber nicht genug. “Großer Wert muss auf die Medien- und Öffentlichkeitsarbeit gelegt werden.”

Von den 257.000 Euro Konferenzkosten sind also 15.000 für Öffentlichkeitsarbeit und Werbung vorgesehen. Dazu kommen 30.000 Euro Honorare, 30.000 Euro Reisekosten, 19.000 Euro Raummiete, 68.000 Euro für Technik, Organisation, Bewirtung, Abendveranstaltung, 69.000 Euro Personalkosten – unter anderem für den Koordinator des Hannah-Arendt-Instituts. 135.000 Euro will die Stadt selbst beisteuern, 122.000 Euro sollen durch Stiftungen und andere Geldgeber aufgebracht werden.

Im Januar soll die Vorlage durch die Ausschüsse wandern. Ein Beschluss ist in der Ratsversammlung am 23. Januar vorgesehen.

Im Zentrum der 3. Demokratiekonferenz sollen vor allem Partizipationsformen stehen, die die jungen Menschen ansprechen. Aus dem Ausland sollen Vortragende eingeladen werden, die erfolgreiche Partizipationsmodelle aus ihrer Heimat vorstellen. Und das Sozialdezernat hält es zumindest für möglich, dass die Stadt Leipzig “von den Ergebnissen der Konferenz in dem Maße profitieren” könne, “indem sie dir ihr besonders ansprechenden Partizipationsformen definiert und in die Praxis umsetzt”.

Deswegen ist das Motto der Konferenz auch: “Jugend und Politik im Dialog”.

Was natürlich Schmonzes ist – aber das Grunddilemma auf den Punkt bringt: “Politik” definiert sich als etwas Abgesondertes, als etwas, das irgendwo über oder neben “Jugend” schwebt und agiert.

Es ist zumindest selten, das Verwaltungen so deutlich bekennen, was ihr Problem ist: Sie betrachten sich nicht mehr als Teil von Gesellschaft, sondern als etwas Ausgesondertes. Kafka lässt grüßen.

Und die simple Wahrheit zum Öffentlichkeitsdilemma ist: Diese Art Dialog der “Eingeweihten” mit den jugendlichen Abgesandten interessiert nicht wirklich. Schon gar nicht in Konferenzform. Schon gar nicht mit dieser dubiosen Ankündigung, die “Stadt Leipzig” (Wer ist das in diesem Fall? Die Verwaltung?) würde sich dann die Partizipationsformen heraussuchen, die ihr gefallen.

Mal ganz abgesehen davon, dass in Leipzig seit 2001 eine Initiative Jugendparlament arbeitet, die tatsächlich ernsthaft dabei ist, Beteiligungsformen für Jugendliche zu organisieren. Die Koordinierungsstelle ist bislang beim Stadtjugendring angesiedelt, was relativ eigenständige Entwicklungen ermöglicht und irgendwann wirklich echte Jugendbeteiligung – nämlich auf souveräner, nicht auf gewährter Basis – erwarten lässt.

Die Linke-Stadträtin Juliane Nagel aber befürchtet, dass das Projekt schon wieder gestorben ist, denn in der letzten Ratsversammlung zum Haushalt am 17. Dezember wurde zwar eine Aufstockung der Mittel für die Koordinierungsstelle beschlossen – was längst nötig war. Aber die Stelle wird dann ans Büro für Ratsangelegenheiten angedockt, also wieder der Verwaltungshierarchie unterworfen.

“Jugendbeteiligungsstrukturen müssen ihren Weg suchen, experimentieren und brauchen eine unabhängige und fachlich versierte Begleitung. Dies kann eine gestärkte Stelle bei einem Träger, mit dem auf Augenhöhe agiert werden kann, leisten, nicht aber das Büro für Ratsangelegenheiten”, sagt Juliane Nagel. Und weil sich CDU- und Grünen-Fraktion bei diesem Beschluss im Stadtrat zusammentaten, sagt sie auch noch: “Das den Vorstellungen und Bedürfnissen der engagierten jungen Leute vollkommen entgegenlaufende Agieren von schwarz-grün ist ein Paradebeispiel für Politik, die die Politikverdrossenheit Jugendlicher befördert.”

Womit wir wieder oben wären, bei diesem so viel enthüllenden Slogan “Wir sind Demokratie! Jugend und Politik im Dialog”. Manchmal merken die Beteiligten schon gar nicht mehr, wie sie Vormundschaften organisieren. Schon säuberlich im Vorfeld. Damit nur ja alles seinen geordneten Gang geht.

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