Natürlich darf man die Organisation einer OBM-Kandidaten-Debatte auch mal loben. Denn mittlerweile haben ja alle aus dem gelernt, was das Fernsehen in Deutschland seit Jahren als Talkshow produziert. Man hat zwar meist ein knackiges Thema. Aber es verbrennt in einer uferlosen Debatte, Egotrips und der Überforderung von Moderatoren, die kein Konzept und keinen Fahrplan haben. Am 8. Januar im Mercure-Hotel war alles eine Ecke anders.

Roman Knoblauch, Moderator bei Radio Leipzig, hatte sich vorbereitet, kannte die Positionen der sechs OB-Kandidaten, hatte einen eng getakteten Zeitplan und reagierte auch, wenn ein Kandidat abzuschweifen begann. Dass dabei der gewaltige Stoff, den selbst das Feld Wirtschaftspolitik in Leipzig darstellt, nicht abzuarbeiten war, liegt in der Natur der Sache. Auch, weil Wirtschaft die Grundlage der Stadtpolitik ist. Weswegen auch ein Teil der Leipziger Wirtschaft schon seit Jahren Chefsache ist.

Da kann man dann mit den Bezeichnungen schon durcheinander kommen bei Eigenbetrieben, Kulturbetrieben und kommunalen Unternehmen. Aber die Linke-Kandidatin Barbara Höll meinte schon das Richtige, als sie die Rolle des Leipziger Wirtschaftsdezernats hinterfragte und darauf hinwies, dass die Kommunalunternehmen schon seit Jahren nicht mehr im Wirtschaftsressort verortet sind, sondern direkt im Refugium des OBM. Das ist schon unter Wolfgang Tiefensee so organisiert worden. Mit dem Umbau der Stadtholding LVV zu einer zentral gesteuerten Managementholding aber hat Amtsinhaber Burkhard Jung ganz klare wirtschaftliche Zeichen gesetzt. Hier will er steuern. Und hier steuert er. Manchmal übersteuert er auch – wie 2007, als er wieder einmal einen Teil der Stadtwerke verkaufen wollte.

Behaupteter Grund: die Sanierung der LVV, die tief in den Schulden steckte. Am 27. Januar 2008 entschied eine überwältigende Mehrheit der Leipziger beim Bürgerentscheid, dass kein Kommunalunternehmen verkauft werden solle. Daran wollte sich Burkhard Jung halten, versprach er. Ließ die LVV-Spitze aber trotzdem prüfen, ob es im Kommunalkonzern nicht doch Bereiche und Tochterunternehmen gab, die nicht zur unmittelbaren Daseinsfürsorge gehören und verkauft werden könnten.

Was dann 2012 mit HL komm und Perdata geschah. Möglicherweise in der Verkennung ihrer Rolle als Teil der Leipziger Daseinsfürsorge. Wie wichtig ist Kommunikations-Infrastruktur für eine Stadt? Darüber kann man sich streiten.

Was aber immer schief geht, ist ein prinzipieller Streit um Hopp oder Topp. Auch das sollte man in Leipzig eigentlich inzwischen gelernt haben. Auch und gerade, wenn man das Wort “nachjustieren” so gern gebraucht.
Auch am 8. Januar betonte Burkhard Jung, nachdem selbst aus dem Publikum der deutliche Hinweis kam, man müsse an der Südbahn des Flughafens Leipzig aktiv etwas für den Schallschutz tun, dass es mit ihm kein Nachtflugverbot geben würde.

Der grüne OB-Kandidat Felix Ekardt hatte – scheinbar völlig relaxt – wieder einmal erklärt, dass Nachtfluglärm auch eine volkswirtschaftliche Komponente hat. Menschen, die nachts von Flugzeuglärm aus dem Schlaf gerissen werden, werden nicht nur in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt, sie werden auch krank – es entstehen Folgekosten im Gesundheitswesen.

Und das Problem an der Südbahn ist – das brachte der fragestellende Autohändler Klaus Zimmermann aus Lindenau aus Fliegerkenntnis recht klar zur Sprache: Sie liegt geografisch so, dass ihr Lärm praktisch ungebrochen Richtung Stadtgebiet ausstrahlt. Vielleicht würde ein simples Bäumepflanzen das Problem nicht lösen. Aber bislang sind ja auch alle wesentlich zarteren Forderungen, die Fluglärmbelastung an der Südbahn zu minimieren, gescheitert, wurden in der Fluglärmkommission einfach vom Tisch gewedelt. Unter anderem auch, weil die Position der Stadt Leipzig eine nicht-existente war. Sie forderte nichts, sie setzte keine Ziele, der OBM stand nicht hinter den betroffenen Bürgern.

Möglich, dass es ihm um den Erhalt des so wichtigen Frachtkreuzes geht. Hier sind einige tausend Arbeitsplätze in der (Nacht-)Logistik entstanden. Und manchmal hat man auch das Gefühl, die Logistiker können so viel Drohpotenzial aufbauen, dass kein Oberbürgerbürgermeister auch nur die Forderung aufzustellen wagt, die Startgebühren sollten auch nur ein wenig angehoben werden und das Gebiet der Städte komplett umflogen werden.

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Eine Stadt, die jahrelang so unter Armut und Arbeitslosigkeit litt, ist erpressbar.

Aber es sind nicht die Frachtlogistiker, die den Oberbürgermeister wählen, sondern die Bürger. Und es ist ja nicht so, dass es in Leipzig keine Erfahrungen gibt, wenn es darum geht, die gesetzlichen Rahmenbedingungen, Verwaltungshandeln und die Interessen der Wirtschaft für alle sinnvoll unter einen Hut zu bekommen. Das Thema brachte ja Horst Wawrzynski, der für die CDU an den Start geht, zur Sprache bei der Kandidatenrunde, der sogar erklärte, er wolle Wirtschaftspolitik in Leipzig zur Chefsache machen. Er hatte sich die Zahlen zur Auftragsvergabe an Firmen in der Region gemerkt und meinte, es sei durchaus ein Problem, wenn teilweise nur 25 Prozent etwa der Bauaufträge bei Leipziger Unternehmern landen.

Aber gerade bei der Auftragsvergabe hat Leipzig schon seit Jahren ein enges System der Abstimmung mit den beiden Wirtschaftskammern installiert, wo man auch die Modalitäten der Auftragsvergabe abspricht. Denn dass viele Aufträge nicht bei Leipziger Unternehmen landen, hat schlicht mit ihrer Größe zu tun: Sie können Großaufträge gar nicht stemmen. Zwei Wege sind zumindest gangbar: die Stückelung der Lose, so dass wenigstens die Losgröße für Leipziger Unternehmen zu stemmen ist. Und die Bildung von Bewerber-Konsortien, die dann gemeinsam einen Auftrag bewältigen.

Eine Vorgabe zu Mindestlöhnen in den Ausschreibungen aber ist – so stellten es auch die OB-Kandidaten René Hobusch und Dirk Feiertag fest – mit Bundesrecht (derzeit noch) nicht vereinbar. Feiertag betonte mehrmals an diesem Abend: Eine Verwaltung muss rechtskonform handeln. Auch dafür stünde ein OBM.

Aber die Verwaltung könnte wesentlich wirtschaftsfreundlicher werden. Das war dann eigentlich bei einigen Kandidaten der Grundtenor. Womit man beim Zusammenspiel von Wirtschaft und Verwaltung wäre. Dazu gleich mehr.

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