Kulturförderung ist ein ganz heißes Eisen in Leipzig. Während Leipzigs Verwaltungsspitze keine Bedenken kennt, ein paar Millionen mehr "ins System zu geben", wenn die Kosten für die Leuchtturmbetriebe Gewandhaus, Oper, Schauspiel aus dem Ruder laufen, wird für die so genannte Freie Szene um jeden Cent gefeilscht. Seit Jahren kämpfen die freien Kultureinrichtungen um wenigstens "5 Prozent für die Kultur". Aber selbst darin steckt ein Stück vom Linke-Tasche-Rechte-Tasche-Spielchen.

Auch das kein neues Thema. Denn um diese 5 Prozent am gesamtstädtischen Kulturetat zu erreichen, hat das Leipziger Kulturdezernat auch in den letzten Jahren immer wieder städtische Kulturbetriebe mit hineingerechnet, die dort eigentlich nicht hineingehören. Jetzt hat Linke-Stadträtin Skadi Jennicke mal ein anderer Aspekt an der ganzen Rechnerei interessiert: Welcher Anteil dieser Gelder für die Freie Szene sind denn nun tatsächlich Kultur? Und was fließt quasi sofort wieder zurück an die Stadt Leipzig? Zum Beispiel als Miete?

Im Jahr 2013 wurde die so genannte Freie Szene in Leipzig mit 4.605.750 Euro städtisch gefördert. Im Jahr 2014 steigt diese Summe auf 4.893.750 Euro. Die Forderung, 5 Prozent des gesamten Kulturetats für diesen Bereich bereitzustellen, wird sich voraussichtlich erst 2015 erfüllen. Insgesamt 40 Vereine und Verbände erhalten aus diesem Topf eine institutionelle Förderung und somit eine strukturelle Basis für ihre Arbeit.

“Doch nicht alles fließt in Kultur”, stellt die kulturpolitische Sprecherin der Linksfraktion fest. “Ein Großteil des Geldes fließt in Miete und Betriebskosten, der Rest in Personal. Das Verhältnis jedoch ist ausgesprochen unterschiedlich. Aus meiner aktuellen Anfrage an den Kulturbürgermeister geht hervor, dass die Miet- und Betriebskosten bei manchen Trägern deutlich über die Hälfte ausmachen. Der Förderverein Heinrich-Budde-Haus e. V. in Gohlis beispielsweise erhält in diesem Jahr 115.000 Euro. Davon fließen dieses Jahr 87.140 Euro direkt zurück an die Stadt, die dem Verein das Heinrich-Budde-Haus vermietet.”Ähnlich sieht es beim “Anker” aus. Dieser erhält 152.750 Euro, wovon er 68.805 Euro Miete an die Stadt bezahlen muss. Rechnet man die Betriebskosten hinzu, die teilweise ebenfalls direkt zum Kulturamt zurückfließen, so kann das Heinrich-Budde-Haus von der Förderung knapp 11 Prozent für die Kulturarbeit nutzen, der “Anker” knapp 30 Prozent.

Insgesamt zahlen die acht aufgelisteten Träger 369.864 Euro (Mietkosten und Pacht) bzw. mehr als 30 Prozent ihrer Fördermittel für Miet- und Pachtkosten an die Stadt Leipzig. Allein diese Kosten umfassen 8 Prozent der gesamten städtischen Kulturförderung.

“Selbstredend fallen bei Vereinen und Verbänden Miet- und Betriebskosten an”, betont Jennicke. “Aber dass solch hohe Mieten aus der Kulturförderung bezahlt werden müssen und umgehend zurück an die Stadt fließen, ist dem Begriff ‘Kulturförderung’ zumindest unwürdig. Die angestrebten 5 Prozent sind genau genommen also gar keine.”

Aus dem Dilemma käme man so schnell nicht raus, denn die Stadt sei ihrerseits aufgefordert, “ein angemessenes Entgelt für die Überlassung der Nutzung an Dritte” zu erheben, so Jennicke. Das Kulturamt hatte diese Aussage als Begründung gegeben für die teils drastisch gestiegenen Mietkosten im Haus Steinstraße, der Mühlstraße 14, dem Conne Island und dem Anker seit 2005. Die vollständige Anmerkung dazu: “Die Erhöhung der Miete für diese vier Vereine basiert darauf, dass sich 2007 die Rechtsgrundlage zur Bewirtschaftung und Verwaltung von städtischem Vermögen geändert hat. Für die Überlassung der Nutzung an Dritte muss ein angemessenes Entgelt erhoben werden. Für Miete oder Pacht war dementsprechend ein ortsübliches Entgelt zu erheben.”

“Hier beißt sich die Katze in den Schwanz”, stellt Skadi Jennicke fest. “Nur sollte man nicht von Kulturförderung sprechen, wenn eigentlich die Stabilisierung des städtischen Haushalts gemeint ist. Eine Aufstellung der Miet- und Betriebskosten für die anderen 32 institutionell geförderten Vereine, die nicht Mieter der Stadt sind, konnte das Kulturamt in der Anfrage nicht auflisten. Schlösse man diese ein, würde der Anteil der Kulturförderung, der tatsächlich in Kulturarbeit fließt, noch geringer. Auch hier wäre eine Evaluation sinnvoll.”

Also wird die Linksfraktion jetzt noch einmal nachfragen, auf welcher Grundlage die Mietkosten in den genannten Beispielen erhoben werden und ob alle Träger gleich behandelt werden.

Die Stellungnahme der Linksfraktion mit den ermittelten Mietanteilen in den institutionell geförderten Einrichtungen als PDF zum download.

Die Antwort des Kulturdezernats als PDF zum download.

Die vom Kulturdezernat mitgelieferten Zahlen zu Mieten und Nebenkosten 2005/2013 als PDF zum download.

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