"Bilanz 2013: Leipzigs 'grüne Lunge' erhielt 1.500 neue Bäume", jubelte Leipzigs Stadtverwaltung am Dienstag in einer Pressemitteilung. Das klang so, als käme Leipzig endlich mit seinem ehrgeizigen Baumpflanzprogramm zu Potte. "Im vergangenen Jahr wurden an den Straßen und in den öffentlichen Grünanlagen im Stadtgebiet rund 1.500 Bäume gepflanzt."

Aber dass die bloße Zahl auch ein wenig Augenwischerei war, zeigte schon der nächste Satz: “Ein großer Teil dieser Pflanzungen dient dem Ausgleich der durch Baumaßnahmen, Erfüllung der Verkehrssicherheitspflicht oder durch Unfälle verursachten Verluste.” Dieser Teil ist also lediglich Ersatz für Bäume, die vor allem bei Baumaßnahmen gefällt wurden. Keinen Ersatz gab es für all die Bäume, die im Lauf des Jahres auf Grundlage des sächsischen Baum-ab-Gesetzes gefällt wurden. Hier müssen die zuständigen Ämter nicht einmal mehr gefragt werden, deswegen gibt es dazu nicht einmal Zahlen.

Wo überall in Leipzig im vergangenen Jahr gepflanzt wurde, listet die Stadt so auf: Größere Projekte, bei denen etwa 1.200 neue Straßenbäume in die Erde kamen, wurden unter anderem in der Richard-Wagner-Straße, am Richard-Wagner-Platz, An der Tabaksmühle und der Alten Messe realisiert. Aber auch punktuelle Nachpflanzungen zum Lückenschluss, beispielsweise in der Linnéstraße oder am Kohlweg, gehörten zum Pflanzprogramm 2013. Ebenfalls zahlreiche Bäume wurden im Grünen Bogen Paunsdorf und im Wilhelm-Külz-Park neu gepflanzt.

Was heißt “größere Projekte”? – Auf dem Richard-Wagner-Platz wurden 58 Stadtlinden gepflanzt, in der Richard-Wagner-Straße 65 Stadtlinden und drei Rosskastanien, An der Tabaksmühle wurden 34 Spitzahorn gepflanzt und auf der Alten Messe 115 Stadtlinden.

Ersatzpflanzungen gab es beim Neubau der Bornaischen Straße (20 Stadtlinden) und in der Prager Straße (29 Platanen und 14 Stadtlinden). Die Liste der Neupflanzungen ist auf der Website der Stadt einsehbar.

Anlässlich des 200. Jahrestages der Völkerschlacht spendeten Bürger, Institutionen und Unternehmen über 100 neue Friedensbäume in der Umgebung des Völkerschlachtdenkmals und anderen authentischen Orten. Im Park Lößnig-Dölitz, auf einem ehemaligen Schlachtfeld, wurden 62 Friedenslinden gepflanzt.

Allein 80 Friedensbäume hatte das Unternehmen Fielmann gestiftet. Die Optikerfirma setzte damit das nunmehr 20-jährige kontinuierliche Engagement für Baumpflanzungen in Leipzig fort. Ermöglicht wurden hierdurch beispielsweise auch der Hain der Jahresbäume im Volkspark Kleinzschocher und andere prägnante Anlagen.”Die Stadt Leipzig bedankt sich herzlich bei den zahlreichen Baumspendern und Baumpaten für ihr Engagement im Rahmen der Aktion ,Baumstarke Stadt'”, meint Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal. “Im Rahmen der seit 1997 laufenden Aktion wurde 2013 mit rund 105.000 Euro Spenden für Baumpflanzungen erstmals in einem Jahr die 100.000-Euro-Grenze überschritten. Insgesamt 330 Privatpersonen und Institutionen haben 2013 eine Baumpatenschaft übernommen.”

Das bürgerschaftliche Engagement werde, so der Bürgermeister, im Stadtraum deutlich sichtbar: Die in der Regel bereits acht bis zehn Jahre in der Baumschule kultivierten Bäume haben schon eine stattliche Pflanzgröße von vier bis fünf Metern und einen Stammdurchmesser von etwa sieben Zentimeter. So brächten sie die besten Voraussetzungen für den Anwuchserfolg an den ganz unterschiedlichen Pflanzstandorten mit.

Schön und gut, kritisiert freilich Norman Volger, Fraktionsvorsitzender und umweltpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: “Die Pressepolitik der Stadt ist schon im höchsten Maße ulkig. Noch vor kurzem in der Haushaltsberatung war die Stadt nach eigener Aussage kaum in der Lage, 1.000 neue Straßenbäume pro Jahr in die Erde zu bringen um nun kurze Zeit später vollmundig zu verkünden, man habe im Jahr 2013 1.500 neue Bäume gepflanzt. Um auf die 1.500 Bäume zu kommen, musste aber schon arg zusammengerechnet werden. Verschwiegen wird dabei, dass es sich hier in der überwiegenden Mehrheit um Ausgleichsmaßnahmen für Bauvorhaben handelt, die gesetzlich vorgeschrieben sind.”

Ob Leipzig dadurch überhaupt mehr Bäume bekam, das bezweifelt er. “Was sagen uns die 1.500 Bäume also? Nichts! Ohne Vergleich ist die Zahl bloß eine Zahl. Interessant wäre ja gewesen, wie viele Bäume im Vergleichszeitraum gefällt wurden. Aber da schweigt sich die Stadt lieber aus. Ob die Bilanz dann noch positiv ausfällt, ist fraglich. Wenn 1.500 Bäume mehr gepflanzt als gefällt worden wären, könnten wir uns alle freuen und es wäre Wert darüber zu berichten. So aber bleibt es eine Meldung ohne Wert, die uns Sand in die Augen streut, nichts über den tatsächlichen Zustand der Leipziger Bäume aussagt und Niemandem weiter hilft.”

Die Verwaltung geht davon aus, dass in Leipzig knapp 60.000 Straßenbäume stehen. Sie ist auch erst auf dem Weg zu einer nachvollziehbaren Statistik. Denn erst am 10. Juli 2013 beschloss der Stadtrat, auch Baumfällungen auf der Website der Stadt öffentlich zu machen. Nach der derzeit einsehbaren Baumfällliste wurden allein im Januar 2014 in Leipzig 190 Bäume gefällt.

Projekt “Baumstarke Stadt”: www.leipzig.de/baumstark

Leipzigs Stadtbäume – mit Listen zu Neupflanzungen und Fällungen: www.leipzig.de/stadtbaum

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