Mittlerweile beschäftigen sich Gerichte mit dem Wettbewerb um das, was mal ein Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmal werden soll. In dem Versuch, die Fehler des Berliner Wettbewerbs zu vermeiden, hat Leipzigs Stadtverwaltung erst recht Fehler gemacht. Das Leipziger Stadtforum appelliert jetzt in einem offenen Brief, den verunglückten Wettbewerb völlig neu zu starten.

Schon am 8. Februar, als auch das Oberlandesgericht in Dresden feststellte, dass der zweite Verfahrensteil im Wettbewerb nicht rechtskonform stattfand und – wenn überhaupt noch möglich – wiederholt werden muss, nahm Thomaspfarrer im Ruhestand Christian Wolff Stellung zum Thema, das für ihn auch mit dem falschen Standort verbunden ist.

“Der Wurm steckt drin im Freiheits- und Einheitsdenkmal, bevor es überhaupt errichtet ist”, stellte er fest. “Immer deutlicher wird: Sowohl der gewählte Standort wie auch das bisherige Prozedere werden den Anforderungen an ein Denkmal, das den nächsten Generationen etwas vom Aufbruch zur Demokratie erzählen soll, nicht gerecht. Man meint mit dem Leuschnerplatz einen ‘neutralen’ Ort gefunden zu haben für ein Denkmal, das keine Neutralität verträgt. Und man hat eine Ausschreibung getätigt, der es an historischer Zuspitzung und zukunftsträchtiger Botschaft mangelt. Schließlich war vor dem Wettbewerb nicht klar, wer wann welche Entscheidung trifft und wie diese umgesetzt wird. Und als dann die öffentliche Diskussion die Hobby-Gestalter in den Gremien auf den Plan rief, fühlte sich jeder bemüßigt, an den Entwürfen herumzudoktern. Damit aber war nicht nur rechtlich die Sackgasse des Scheiterns beschritten.

Gibt es einen Ausweg? Ja. Man muss den Wettbewerb neu beginnen: neuer Standort, neue inhaltliche Ausrichtung, neue Entwürfe.”

Er plädierte dafür, das Denkmal ganz und gar aus der City zu nehmen und dem Völkerschlachtdenkmal als Kontrapunkt entgegen zu setzen.

Was noch nicht die Frage nach einem künstlerisch gelungenen Denkmal beantwortet. Denn das viele Leipziger auch mit den im Juli 2012 vorgestellten Wettbewerbsergebnissen nicht glücklich waren, hat ja weniger etwas mit der Begabung der teilnehmenden Künstler zu tun, sondern mit den einengenden Vorgaben der Wettbewerbs-Ausschreibung, für die einzig und allein die Leipziger Verwaltung zuständig ist. Sie wollte keine klassische bildnerische Formensprache. Und sie wollte eigentlich auch nur das Platzproblem gelöst haben. Das Problem eines unbebauten Platzes, der mit dem Herbst ’89 nichts, aber auch gar nichts zu tun hat. So ein Wettbewerb musste scheitern.Deswegen plädiert jetzt das Stadtforum Leipzig in einem Offenen Brief an Bundespräsident Joachim Gauck, Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, den Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen Stanislaw Tillich und Oberbürgermeister Burkhard Jung dafür, den Weg für einen Neustart des Wettbewerbs zu eröffnen. Bislang betont Burkhard Jung ja immer wieder, dass es diese Möglichkeit in Leipzig – anders als in Berlin – nicht gebe.

So auch gestern während der Diskussion zum Thema im Leipziger Stadtrat wieder geschehen, bei der Bürgermeister Michael Faber ähnlich lautende Worte dafür verwendete.

“In einem mehrstufigen Wettbewerb wurden drei Siegerentwürfe prämiert. Seitdem reißt die berechtigte Kritik an Verfahren, Standort und Qualität der Entwürfe nicht mehr ab. Über den Fortgang des Verfahrens wird erbittert gestritten”, heißt es im Offenen Brief des Stadtforums. “Die Leipziger Bürger äußern unablässig ihren wachsenden Unmut. Bundesweit hagelt es Spott (siehe etwa FAZ v. 29.7.2013). Das Projekt teilt die Menschen, anstatt sie zu einen. Die Entwürfe erschöpfen sich in mehr oder weniger spielerischen, von außerhalb wenig sichtbaren und damit wenig Aufmerksamkeit erzeugenden Freiflächengestaltungen, die der Aufgabenstellung eines würdevollen Gedenkens in keiner Weise gerecht werden.”

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Auch das Stadtforum sieht in der Ausschreibung den Grundfehler, “dass die große Kriegsbrache Wilhelm-Leuschner-Platz mit Hilfe des Denkmals gestaltet werden soll. Dieser Ort hat aber keinen Bezug zu den Ereignissen vom Herbst 1989. Städtebaulich benötigen Platz und Umfeld eine urbane Gestaltung. Das Aussehen des Denkmals wurde einem förmlichen Verfahren nach Vergaberecht überlassen, das nun in peinlicher Weise die Gerichte beschäftigt und vor allem eine Mitsprache der damaligen Akteure sowie der hoch interessierten Bevölkerung ausschließt – und das bei einem Denkmal für den Freiheitskampf der Bürger!”

Gerichte aber können die Grundfehler des Verfahrens nicht auflösen. Da müsse sich jetzt die hohe Politik wieder bewegen, so das Stadtforum. “Es ist an der Zeit, dass die Politik endlich dieses unwürdige Wettbewerbsverfahren beendet!”, heißt es im offenen Schreiben. “Das laufende Wettbewerbsverfahren muss rechtlich beendet werden. Der Bund, Sachsen und die Stadt Leipzig müssen gemeinsam den Weg neu eröffnen für ein Denkmal, das seinen eigentlichen Zweck erfüllen kann. Die Menschen, die damals ihr Leben für unsere Freiheit riskierten, haben ein würdevolles Gedenken verdient!”

Das ganze Statement von Christian Wolff: www.wolff-christian.de

Der Offene Brief als PDF zum download.

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