Am Mittwoch, 16. Juli, beschloss der Stadtrat in seiner Sommer-Marathon-Sitzung unter anderem auch, der Verwaltungsvorlage "Rahmenvereinbarung 'Stadtraum Bayerischer Bahnhof'" zuzustimmen. Notgedrungen, denn etwas anderes bleibt der Stadt gar nicht mehr übrig, wenn sie überhaupt noch Spielräume zur Stadtentwicklung am Bayrischen Bahnhof behalten will. Aber irgendetwas ist da gründlich schief gelaufen, stellte SPD-Stadtrat Christopher Zenker in seiner Rede fest.

Zugestimmt hat die SPD-Fraktion der Vorlage natürlich. Denn damit wird wenigstens der Rahmen gesetzt, dass auf dem freigewordenen Bahngelände am Bayrischen Bahnhof eine Schule und eine Kindertagesstätte gebaut werden können. Der Standort wird dringend gebraucht.

“Die Vorlage macht jedoch exemplarisch deutlich, dass eine strategische Flächenpolitik im Liegenschaftsamt nicht stattfindet. Unterstrichen wird das insbesondere durch einen Satz in der Vorlage”, stellte Zenker fest und zitierte: “Im Oktober 2013 hat sich für die Stadt sehr überraschend die Eigentümerstruktur geändert.”

“Hier muss die Frage erlaubt sein, ob man überhaupt mit der DB Imm kommuniziert hat über diese innerstädtische so bedeutende Fläche. Professionell ist das, was da gelaufen ist, jedenfalls nicht. War man letztendlich vielleicht froh, dass es verkauft wurde und man sich um einen strategischen Flächenerwerb so keine Gedanken mehr machen musste?”, hinterfragte Zenker ein Thema, das in der Leipziger Stadtpolitik nun seit Jahren für Ärger sorgt.

Denn bislang hat sich das Liegenschaftsamt vor allem auf den Verkauf städtischer Grundstücke konzentriert, um damit Ausgleichsbeiträge für einen stets klammen Stadthaushalt zu erbringen. Zuletzt ins Gerede kam das Amt mit seinen unabgesprochenen Vorstößen zum Verkauf des Stadtbades und dem als Bandhaus vorgesehenen Schulgebäude in der Saarländer Straße 7.Doch immer, wenn es um die so wichtige Flächenbevorratung etwa für Schulneubauten geht, gibt es Probleme. Auch im “Jahrtausendfeld” in Plagwitz war es der Stadt nicht gelungen, rechtzeitig für den geplanten Schulcampus die benötigten Flächen für die Stadt zu sichern.

“Warum wurden nicht frühzeitig Chancen und Risiken eines Erwerbs, mit einem anschließenden Weiterverkauf der nicht für die Entwicklung der sozialen Infrastruktur benötigten Flächen, abgewogen und mit den politischen Gremien diskutiert?”, fragte nun Zenker. “Dabei hätte man auch die Frage diskutieren können, ob es gut und gesund ist für die städtische Entwicklung, dass ein Eigentümer faktisch einen ganzen – wenn auch kleinen – neuen Stadtteil entwickelt und vermarktet. Nach dem Jahrtausendfeld ist es mindestens die zweite größere Fläche, bei der man sich Chancen auf eine vorrangig an städtischen Interessen orientierte Entwicklung vergibt und durch teilweise zähe Verhandlungsprozesse mit dem Eigentümer Zeit verliert.”

Während andere Städte sich die attraktiven innerstädtischen Bahnbrachen rechtzeitig und in Gänze sichern konnten, kam Leipzig weder am Bayrischen Bahnhof noch auf der Hauptbahnhofwestseite zum Zug. Wollte es vielleicht auch nicht. Aber das würde dann erst recht von einer reinen Politik auf (Kurz-)Sicht zeugen.

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Christopher Zenker: “Zwar hat die Stadt weiterhin Gestaltungsmöglichkeiten, wie auch diese Vorlage zeigt, jedoch muss sie im Interesse der Entwicklung des Gesamtareals deutliche Kompromisse eingehen. So gehören für Schulen und Kitas vorgesehene Flächen, insbesondere Dösener Weg/Lokschuppen, zu den Bereichen, die für den neuen Eigentümer schwieriger zu vermarkten wären. Der Bereich des Lokschuppens wird die Stadt zudem sowohl planerisch als auch finanziell vor eine große Herausforderung stellen, auch wenn die Schule, die dort entstehen wird, optisch sicher ein Hingucker wird. Abschließend: Wir erwarten zukünftig vom Liegenschaftsamt eine echte strategische Liegenschaftspolitik unabhängig davon, ob für soziale Infrastruktur oder im Interesse einer wirtschaftlichen und städtebaulichen gesunden Entwicklung Leipzigs.”

Vielleicht aber ist es jetzt an der Zeit, die Verwaltung anders in die Pflicht zu nehmen – mit einer klaren Beauftragung zur Flächenbevorratung und zur jährlichen Berichterstattung an den Stadtrat, der sich viel zu selten als Souverän der Stadtpolitik erweist und viel zu oft Versäumnisse der Verwaltung kommentieren muss, auch dann, wenn zu dem Thema im Stadtrat schon Dutzende großer Reden geschwungen wurden. Die Flächenbevorratung gehört zu diesen Themen.

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