Manchmal dauern Meinungsbildungen in der Stadtverwaltung richtig lange. Ein halbes Jahr ist fast schon das Normale. Das Sozialdezernat und das Planungsdezernat haben jetzt einen gemeinsamen Standpunkt zu einem Antrag der Grünen-Fraktion aus dem Oktober 2014 gefunden. Die hatten damals die "Einrichtung einer Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten für Wohnraum zur außergerichtlichen und gütlichen Einigung zwischen Mietern und Vermietern" gefordert.

Eigentlich die Wieder-Einrichtung. Denn so etwas gab es ja in den 1990er Jahren schon einmal. Unter anderen Vorzeichen. Dass sich der Leipziger Wohnungsmarkt in den vergangen zwei Jahren schon spürbar verändert hat, das geben die beiden Dezernate in ihrem Alternativvorschlag gern zu: “Aufgrund der zunehmenden Investitionsdynamik im Wohnungsbestand ist in Zukunft verstärkt mit Konfliktfällen zwischen Eigentümern und Mietern zu rechnen. Konfliktpotenzial besteht insbesondere bei umfangreichen Sanierungen von Bestandswohnungen und damit einhergehenden Mieterhöhungen sowie bei der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen. Derzeit gibt es in Leipzig kein etabliertes Verfahren für den Umgang mit Streitigkeiten im Zusammenhang mit baurechtlich relevanten Maßnahmen. Im Hinblick auf dieses Konfliktpotenzial sollen Standards für den Umgang zwischen den Parteien definiert sowie im Einzelfall eine Mediation angeboten werden. Diese Standards sollen gemeinsam mit Wohnungsunternehmen und Eigentümerverbänden sowie mit Vertretern der Mietinteressen erarbeitet werden und als freiwillige Selbstverpflichtung der Wohnungsmarktakteure wirken.”

Da werden schon einigen Akteuren in Leipzig die Ohren klingeln: Freiwillige Selbstverpflichtungen.

Aber eigentlich versucht man das Thema in den gerade laufenden Prozess zum Wohnungspolitischen Konzept einzuordnen: “Im Rahmen der Kooperation zur Umsetzung des Wohnungspolitischen Konzeptes mit den Wohnungsmarktakteuren sollen Standards für den Umgang mit Mietern bei baurechtlich relevanten Maßnahmen mit Konfliktpotenzial erarbeitet werden. Die Verwaltung prüft, in welchem Rahmen und Umfang eine Mediation bei einzelnen Konfliktfällen angeboten werden kann. Für allgemeine Mietstreitigkeiten soll die Institution der Friedensrichter (Schiedsstellen) stärker in der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden.”

Also keine besonderen Schiedsstellen für den Wohnungsmarkt, sondern der Verweis an die Friedensrichter und das existierende Netz der Beratungsstellen.

Eindeutige Haltung der Stadt: “Ein zwingender Bedarf für die Einrichtung einer Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten wird derzeit jedoch nicht gesehen. Im Vergleich zu den 90er Jahren ist das Angebot an juristischer Unterstützung und Beratung in Leipzig heute breiter gefächert.”

Die Stadt zählt auf:

1. Beratungsangebote für Mieterbund bis Verbraucherzentrale

Für die Beratung, Vertretung und Vermittlung bei Mietstreitigkeiten, etwa wegen Mieterhöhungen, Modernisierungen oder Betriebskostenabrechnungen, gibt es in Leipzig vielfältige Angebote. Neben anwaltlicher Rechtsberatung und -vertretung können in der Regel kostengünstige Beratungsangebote von Vereinen und Verbänden in Anspruch genommen werden, z. B. durch die Verbraucherzentrale Sachsen e. V. und den großen Interessenvertretern für Mieter (Deutscher Mieterbund Mieterverein Leipzig e. V.) und für Vermieter (Leistungsgesellschaft Haus & Grund Leipzig mbH).

2. Friedensrichter

Bei Miet- und Nachbarschaftsstreitigkeiten können in den Leipziger Schiedsstellen Friedensrichter Schlichtungsverfahren nach dem Sächsischen Schieds- und Gütestellengesetz durchführen. Durch die Stadt Leipzig werden fünf Friedensrichter betreut und Kosten für sachliche Ausstattung, Fortbildung sowie Aufwandsentschädigung getragen. An den Sitzungstagen der Friedensrichter können Interessenten oder Betroffene um Rat und Hilfe oder die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens ersuchen. Die Termine werden im Amtsblatt veröffentlicht.

3. Mietspiegel und Betriebskostenbroschüre

Die Stadt Leipzig erstellt in regelmäßigen Abständen einen Mietspiegel und eine Betriebskostenbroschüre, die einen Überblick über Mietpreise und Betriebskosten in Leipzig bieten und einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung langwieriger Auseinandersetzungen leisten. Zur Handhabung berät das Sozialamt kostenfrei. –  Sind Betriebskosten strittig, werden Leistungsberechtigten nach dem Sozialgesetzbuch II und XII die Kosten für den Mieterverein Leipzig auf Antrag vom Jobcenter Leipzig bzw. dem Sozialamt erstattet.

Das Fazit der beiden Dezernate – und damit eben kein “Alternativvorschlag”, wie angegeben, sondern eine Ablehnung: “Angesichts der genannten Beratungs-, Vertretungs- und Vermittlungsangebote und mit Blick auf die verfügbaren städtischen Mittel wird die Einrichtung einer Mietschlichtungsstelle als freiwillige Aufgabe der Stadt Leipzig nicht befürwortet. Stattdessen kann in der Öffentlichkeit für derartige Schlichtungen auf die vorhandenen Strukturen, insbesondere die Friedensrichter, aufmerksam gemacht werden.”

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