„Darf's ein bisschen mehr sein?“ fragte eine Leipziger Boulevardzeitung und mancher Kommentator entgegnete flott und etwas hämisch „für was?“. Gemeint ist die Entschädigung der Tätigkeit eines gewählten Stadtrates in Leipzig. Denn diese wird steigen, soviel steht bereits fest. Seit 2001 ist die Pauschale von 330 Euro pro Monat und das Sitzungsgeld von 50 Euro geschriebenes Gesetz in Leipzig. Im Juli soll nun voraussichtlich über die Erhöhungen abgestimmt werden. Zeit genug, sich mal die Vorstellungen und Gründe der Stadträte genauer anzuschauen. Alle Fraktionen haben sich auf L-IZ-Nachfrage zu ihren aufgewendeten Stundenzahlen geäußert.

Die Situation derzeit: Neben Pauschale und Sitzungsgeldern in Ausschüssen, beratenden Gremien und den monatlichen Ratsversammlungen gibt es eine Bezahlung eines LVB-Monatstickets für den Raum Leipzig und fertig ist der Mühe Lohn. Fraktionsvorsitzende bekommen eine Sonderzahlung von 150 Euro monatlich, für Vorsitze in Ausschüssen und weiteren Gremien gibt es 75 Euro zusätzlich. Für den einen oder anderen kommen noch Beiratssitzungen in kommunalen Unternehmen hinzu.

Nimmt man sein Mandat ernst und arbeitet darüber hinaus noch federführend mit, kommen monatlich rasch ein paar ordentliche Stundenzahlen zusammen. Ex-Stadtrat und heutiger Fraktionsgeschäftsführer der Grünen Ingo Sasama kann für eine Einordnung der aufgewendeten Stunden auf 25 Jahre Ratstätigkeit und eine kleine Erhebung der Grünen-Fraktion zurückgreifen. Und traute sich als einziger der Antwortenden eine kleine Schätzung über die derzeit durchschnittlich fließenden Entschädigungen.

Es seien 745 Euro pro Stadtrat und Monat, so Ingo Sasama und dies für bis zu 176 Monatsstunden in der Spitze, so die Auskunft der Grünen.

Denn in der internen Umfrage sei man durchschnittlich „ … auf 22 – 44 Stunden pro Woche gekommen.“ Dazu gehören für Sasama unter anderem „Vorlagen lesen, bearbeiten, (Änderungs-) Anträge schreiben, Sitzungen des Stadtrates und seiner Gremien, der Fraktion und ihre Arbeitsgruppen, Veranstaltungen der Partei, der Vereine besuchen oder gestalten, Fachliteratur lesen und, und, und.“ Leicht zu erkennen, dass die Grünen die Stadtratstätigkeit relativ weit fassen – über reines Aktenstudium und Sitzungsteilnahmen hinaus.

Wie viel Zeit investiert ein Stadtrat?

Rüdiger Ulrich, Geschäftsführer der Fraktion Die Linke, zur aufgewendeten Zeit der eigenen Stadträte: „Um eine verantwortungsvolle Wahrnehmung eines Mandates auszuüben, ist von 20 bis 30 Stunden in der Woche auszugehen. In Spitzenzeiten (z. B. bei Haushaltsberatungen) sind es auch 40 Stunden.“ Macht hier in Summe und durchschnittlich 25 Stunden pro Woche angenommen immerhin 100 zusätzliche Arbeitstunden im Monat.

FDP-Stadtrat René Hobusch meldete zurück: „Der wöchentlich zeitliche Aufwand in der V. Legislatur betrug einschließlich Teilnahme an Sitzungen, Vor- und Nachbereitungen und sonstigen fachbezogenen Terminen durchschnittlich 15 bis 20 Stunden. Nun, ohne Fraktionsstatus, wird es laut Hobusch für ihn und Sven Morlok auch nicht weniger Aufwand, „da fehlende Informationen mangels Ausschussbeteiligung jetzt durch noch intensiveres Aktenstudium kompensiert werden müssen.“. Und auch der AfD-Fraktionsvorsitzende Tobias Keller gibt „je Stadtrat eine monatliche Arbeit von ca. 65 Stunden“ an. Die sei jedoch variabel, in den ersten drei Monaten sei die Belastung für die vier neuen Stadträte auch aufgrund der Haushaltsberatungen für 2015/16 höher gewesen.

Eine gewisse Diskrepanz in der Einschätzung findet sich in den Antworten der anderen Fraktionen. SPD-Stadtrat Heiko Oßwald vermeldet für seine Fraktionskollegen 40 bis 50 Stunden inklusive der Vor- und Nachbereitungen der Sitzungen pro Monat. Und Ansbert Maciejewski, Fraktionsgeschäftsführer und CDU-Stadtrat schätzt: „Weniger als 40 Stunden pro Monat wird kaum ein Stadtrat investieren“. Man darf also gern von monatlich 50 Stunden bei den Christdemokraten ausgehen.

Während der Sitzung am 25. Februar: Debatte auch in der Pause mit Bürgern vor dem Ratssaal für den OBM. Nach etwa 20 Minuten geht es dann meist weiter mit Teil 2 der Sitzung. Foto: L-IZ.de
Während der Sitzung am 25. Februar: Debatte auch in der Pause mit Bürgern vor dem Ratssaal für den OBM. Nach etwa 20 Minuten geht es dann meist weiter mit Teil 2 der Sitzung. Foto: L-IZ.de

Die Schwankungen in den Angaben dürften einerseits auf ein verschiedenes Verständnis auf die Beteiligungen der einzelnen Stadträte an Vereinsaktivitäten und der einen oder anderen unbezahlten Debattenteilnahme als Mandatsinhaber zurückzuführen sein, doch sie sind durchaus beträchtlich.

Grob und sicher unzulässig vereinfacht, könnte man nach den Angaben aus allen Fraktionen von durchschnittlich 77 Stunden im Monat, also 19,2 Stunden in der Woche im Rahmen ihres Ehrenamtes ausgehen. Dabei spielen neben der beruflichen Qualifikation von Rechtsanwalt bis Kulturwissenschaftlerin sicher auch Erfahrung und Arbeitsteilungen in großen und kleinen Fraktionen eine Rolle.

Ein Halbtagsjob

Welchen nicht nur der lang gediente ehemalige Stadtrat Ingo Sasama deutlich unterbewertet sieht. „Bei zurzeit durchschnittlich gezahlten 745 Euro (Grundentschädigung, Fahrtkostenaufwand, Sitzungsgelder) ergibt das einen Stundenlohn von rund 5 Euro pro Stunde“, so Sasama zu den Zahlenangaben aus seiner Fraktion. Vielleicht auch 6 Euro bei dem einen oder anderen Stadtrat, aber in Zeiten des Mindestlohns für ihn keine adäquate Größe.

Dass es etwas Raum und ein paar Erklärungen mehr bedarf, eine eventuelle Erhöhung der Zahlungen durch den Steuerzahler zu rechtfertigen, ist dem Leipziger Gastronom klar. „Als ehemaliger 25-jähriger Stadtrat weiß ich in besonderer Weise um die Situation und bin gleichzeitig völlig frei, nunmehr dort irgendeinen eigenen Nutzen zu erzielen. Ich vertrete die Fraktion in der entsprechenden Arbeitsgemeinschaft und beantworte Ihre Fragen gerne.“

Auch zu den neuen Vorschlägen, wie alle Fraktionen.

Wie sehen die konkreten Vorschläge der Fraktionen aus? Besonders im Fokus: Die seit knapp 14 Jahren nicht mehr erhöhte Pauschale von 330 Euro, ein Zuschuss nach den Vorbildern Dresdens und Chemnitz für papierloses Arbeiten und die unterschiedlich langen Stadtratssitzungen, welche am 25. Februar 2015 ein neues Beratungshoch hinter sich gebracht haben. Der Rekord der Oberbürgermeisterschaft von Burkhard Jung liegt seit diesem Tag bei einer Sitzungsdauer von 11 Stunden mit einer halbstündigen Pause.

Es begann 14 Uhr, Rückenschmerzen für alle bis zum Schluss Standhaften im durchgesessenen Mobiliar inklusive. Als Denkanregung vorab: Bei 1.500 Euro pro Monat und Stadtrat, was keine Ratsfraktion gefordert hat, würde ein Gesamtetat von 1,26 Millionen entstehen, derzeit dürften die Entschädigungen pro Jahr bei 626.000 Euro liegen, nimmt man die Angabe Ingo Sasamas als Grundlage. Der durch die Stadträte zu kontrollierende und mit Vorschlägen zu begleitende Haushalt der Stadt Leipzig beträgt derzeit rund 1,4 Milliarden Euro pro Jahr.

Mehr dazu in Teil 2 auf L-IZ.de.

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