Mit Bewohnern von Wohnwagen haben nicht nur konservative Parteien wie die CDU ihre Probleme. Das sieht alles nicht ordentlich aus, stört irgendwie im Straßenbild und passt auch nicht in die gestrengen deutschen Gesetze, die Wagenplätze nun einmal nicht vorgesehen haben. Wie nah das von Ordnung beseelte Ordnungsdezernat dem Unbehagen der Konservativen ist, zeigt die jüngste Antwort des Ordnungsdezernats auf eine CDU-Anfrage.

Wirklich kümmern muss sich die Stadtverwaltung um die Wagenplätze auf städtischem Grund. Das sind derzeit genau drei: der älteste am Lauerschen Weg 70a in Großzschocher, der von der Stadt bis heute nur geduldet ist, ebenso wie der Wagenplatz an der Fockestraße 80. Mit der Wagengemeinschaft „Jetze Wagenplätze“ an der Karl-Heine-Straße musste die Stadt zeitnah in Verhandlung treten und eine Lösung finden, weil die Wagen zum Teil auf einem öffentlichen Weg standen und diesen versperrten, zum anderen Teil auf einem privaten Gelände, auf dem die Stadt künftig mal eine Schule bauen will.

Doch irgendwie kommt man beim Grundstückserwerb für die Schule noch viel langsamer voran als bei den Gesprächen mit den Wagenleuten. Auch wenn sich das Ordnungsdezernat geradezu kraftmeierisch gibt in der Auskunft: “Da neben dem städtischen Grundstück auf dem Jahrtausendfeld auch private Flächen durch Wagen genutzt werden, sollte eine endgültige Beräumung mit den vorgesehenen Baumaßnahmen in engem zeitlichen Zusammenhang stehen. Ein längerer Leerstand der Grundstücke sollte vermieden werden. Über den Beginn von Baumaßnahmen liegen noch keine detaillierten Erkenntnisse vor.”

Reine Kraftmeierei, vor allem, weil man mit den Wagenleuten längst gemeinsam nach einem Grundstück gesucht hat. Acht Flächen hat man geprüft, eine als Ausweichfläche ausgewählt. Jetzt geht es noch um die vertragliche Seite: “Die sich daraus ergebenden Fragen seitens des Vereins wurden in einer gemeinsamen Beratung am 07.04.2015 geklärt; ein entsprechend überarbeiteter Vertragsentwurf erstellt und dieser nach einer Rechtsprüfung wiederum an den Verein übermittelt. Parallel dazu sind noch Fragen zur Erschließung und Einordnung der Wagen auf der beabsichtigten neuen Fläche in Klärung. An der Aufgabe wird aktuell mit den Nutzern des Wagenplatzes intensiv und konstruktiv nach Maßgabe der jeweiligen Entscheidungsfähigkeit gearbeitet.”

Da schimmert ein wenig die nicht immer ganz einfache Entscheidungssituation in den Wagengemeinschaften durch, die sich nun einmal dadurch auszeichnen, dass sich hier viele Individualisten in einem alternativen Wohnmodell zusammenfinden, innerhalb dessen sie ihre Individualität auch gern beibehalten möchten. Nur trifft das eben auf eine – gerade was den Umgang mit Grundstücken betrifft – geradezu erstarrte deutsche Regelungswut, die die Wohnform Wagenplatz in der Stadt nicht nur nicht kennt, sondern regelrecht ablehnt.

Was besonders deutlich wird, wenn das Ordnungsdezernat (oder wahrscheinlich sogar das Ordnungsamt selbst) auf die CDU-Frage “Wird die Nutzung geduldet oder gibt es einen Nutzungsvertrag (Pacht, Gestattung o.ä.)?” antwortet: “Bisher wurden noch keine Nutzungs- oder Pachtverträge abgeschlossen. Gründe:

– komplizierte bau- und planungsrechtliche Rahmenbedingungen
– uneinheitliche und sich verändernde Ansprechpartner auf den Wagenplätzen
– bisher keine dauerhaften, juristischen Strukturen der Wagenleute
– Vermeidung einer Verfestigung städtebaulich nicht oder kaum einordenbarer Struktur.”

Man spürt regelrecht, wie die Amtsmitarbeiter mit den Zähnen knirschen, weil ihnen das Thema regelrecht gegen den von Gesetzen genormten Alltag geht. Und unübersehbar ist der 2014 im Stadtrat beantragte Runde Tisch zu den Wagenplätzen immer noch nicht in die Pötte gekommen. Wenn die Politik keinen Kommunikationsprozess in Gang bekommt, regiert der bekannte deutsche Verwalter, der nur seine Gesetze kennt. Besonders deutlich wird das, wenn das Ordnungsdezernat auf die diversen Anschlusszwänge zu sprechen kommt, denen jeder Leipziger Haushalt unterworfen ist, wenn er von den Behörden erfasst wird. Da geht es um Stromanschlüsse (die alle Wagenplätze haben), Wasseranschlüsse (die nicht überall existieren) und Anschluss an die Abfallentsorgung.

Da spürt man regelrecht, wie der Sachbearbeiter, der die Antwort verfasst hat, sich schwer tat: “Die Abfallwirtschaftssatzung der Stadt Leipzig § 1 Abs. 2 regelt: ‘2) Die Abfallentsorgung durch die Stadt betrifft alle angefallenen überlassungspflichtigen Abfälle aus privaten Haushaltungen und anderen Herkunftsbereichen soweit diese nicht gemäß § 4 dieser Satzung von der Abfallentsorgung ausgeschlossen sind.’ – Da Wagenplätze nicht von vornherein einen Wohnungsstatus haben oder ‘Haushaltungen’ i. S. der Satzung darstellen, obliegt der Anschluss an das städtische Entsorgungssystem den Entscheidungen der Nutzer selbst. Insbesondere ist dies bei bisher lediglich geduldeten Plätzen mit wechselnden Nutzern ohne Rechtsstatus so einzuordnen. Bei Abschluss von regulären Nutzungsverträgen für städtische Grundstücke ist ein Anschlusszwang grundsätzlich vorgesehen.”

Trotzdem haben die Wagenplätze am Lauerschen Weg und an der Fockestraße einen Anschluss ans Leipziger Abfallsammelsystem.

Und dass die Stadt keineswegs gesinnt ist, es den Wagenleuten an der Fockestraße einfach zu machen, wird dann in der Antwort auf die letze Frage deutlich.

Da hatte die CDU-Fraktion gefragt: “Wurde die Eignung des Grundstücks Fockestraße 80 zur Nutzung a) als Kita-Standort, b) für eine Asylbewerberunterkunft geprüft? Wenn ja: mit welchem Ergebnis? Wenn nein: warum nicht, und wird eine solche Prüfung nachgeholt?”

Trocken antwortet das Ordnungsdezernat: “Das Grundstück Fockestraße 80 wurde durch die Stadtverwaltung auf eine verwaltungseigene Nutzung vorgeprüft. Im Ergebnis könnte der Standort als Schulstandort geeignet sein. Die endgültige Eignung bedarf weiterer Untersuchungen. Der Stadtverwaltung liegen Kaufanträge Dritter für das Grundstück vor.”

Und so werden die Wagenplätze an der Fockestraße und am Lauerschen Weg vorerst weiter nur geduldet.

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